Seewölfe Paket 22. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397815
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Killigrews nur darum gegangen wäre, sich dessen angebliche Schatzbeute anzueignen. Seine eigentliche Person wäre für diese Männer nur das Mittel zum Zweck gewesen. So ungeheuerlich diese Behauptung auch klingen mag – sie entspricht der Wahrheit. Das Versprechen, diese Schatzbeute später der Königin abzuliefern, war nichts anderes als reine Heuchelei, denn diese ehrlosen Burschen hätten genau das Gegenteil davon getan. Das gleiche muß ich leider auch in bezug auf Mister Stewart sagen, der meines Erachtens vor ein Kriegsgericht gehört …“

      Charles Stewart, der Sir Edward haßerfüllt ansah, begann augenblicklich zu toben.

      „Das ist eine Unverschämtheit!“ brüllte er. „Dieser Mann lügt, ich werde ihm das Maul stopfen, jawohl!“ Dann versuchte er, sich trotz seiner Handfesseln auf Tottenham zu stürzen und ihm die Fäuste ins Gesicht zu schlagen.

      Aber der hünenhafte Barba war bereits beim ersten Wort Stewarts den Niedergang hinuntergesprungen. Er hatte mit dieser unbeherrschten Reaktion des vierschrötigen Mannes gerechnet und kriegte ihn, noch bevor er sein Vorhaben ausführen konnte, am Kragen zu packen.

      Sir Edward war einige Schritte zurückgewichen, sein Gesicht drückte Abscheu und Verachtung aus.

      Der riesige Barba hielt Stewart mit beiden Pranken am Kragen fest und zog ihn ein Stück zu sich hoch.

      „Geh schön artig auf deinen Platz zurück, du schmieriger Strolch“, sagte er mit gefährlich klingender Stimme. „Und achte ein wenig auf das, was du hier redest, sonst könnte es passieren, daß dir plötzlich ein paar Zähne fehlen.“

      Mit Schwung stieß er den ehemaligen Kapitän der „Dragon“ auf seinen Platz zurück. Stewart wäre dabei beinahe gestrauchelt und gestürzt. Er stieß einen leisen Fluch hervor und preßte dann die Lippen zu schmalen Strichen zusammen. Barbas muskulöse Gestalt hatte ihn wohl doch davon überzeugt, daß es besser war, zunächst einmal etwas zurückhaltender zu sein. Außerdem verspürte er nicht die geringste Lust, sich vor den Augen der Offiziere und der Mannschaften eine Tracht Prügel einzuhandeln.

      Auch Sir Edward nahm wieder seinen alten Platz ein.

      „Ich danke Ihnen“, sagte er kurz zu Barba. Und zu Siri-Tong gewandt, fügte er hinzu: „Ich bleibe bei dem, was ich gesagt habe, Madam. Es handelt sich weder um Lügen noch um Verleumdungen. Ich verbürge mich dafür.“

      Siri-Tong nickte.

      „Die Ereignisse der letzten Tage bestätigen Ihre Worte nur zu deutlich. Ich habe deshalb allen Grund, Ihnen Glauben zu schenken.“

      Nach dem Gespräch mit Sir Edward sorgte die Rote Korsarin für eine weitere Überraschung.

      „Holt diesen O’Leary herüber!“ befahl sie. „Wir werden auch ihn noch hören, bevor er mit den Spaniern zur Insel übersetzt.“

      Der Boston-Mann, ein großer, hagerer Engländer, der im linken Ohr einen goldenen Ring trug und zu den zuverlässigsten Leuten auf Siri-Tongs Schiff gehörte, übernahm die Aufgabe, den Bootsmann auf die „Caribian Queen“ zu holen.

      Barba nahm wenig später den klotzigen Mann am Schanzkleid in Empfang und brachte ihn zu den anderen Männern auf der Kuhl.

      O’Leary stutzte einen Moment, als er die ihm wohlbekannten Offiziere sah. Dann pendelten seine Blicke zwischen ihnen und der Frau auf dem Achterdeck hin und her. Plötzlich zog ein verächtliches Grinsen über sein Gesicht, und er spuckte laut und vernehmlich auf die Planken.

      Das hätte er besser nicht tun sollen, denn schon eine Sekunde später fegte ihn eine gewaltige Maulschelle Barbas regelrecht von den Füßen. Er torkelte ein Stück über die Kuhl, dann krachte sein Körper auf die Planken. Aus seinen Mundwinkeln sickerte Blut.

      Dennoch war O’Leary überraschend schnell wieder auf den Beinen.

      „Das tust du kein zweites Mal mit mir, du Bastard!“ rief er keuchend und warf sich Barba mit geschwungenen Fäusten entgegen.

      „Das wird sich gleich zeigen, du Großmaul!“ knurrte Barba. Dann zuckten seine Fäuste abermals blitzschnell vor.

      O’Leary wurde mit elementarer Gewalt über die Kuhl gefegt, als habe eine Kanonenkugel seine Brust getroffen. Bevor er sich versah, lag er erneut auf den Planken. Diesmal stöhnte er mit schmerzverzerrtem Gesicht auf und brauchte etwas länger, um sich aufzurappeln.

      Barba packte auch ihn am Kragen und beförderte ihn zu seinem ursprünglichen Platz zurück.

      „Zunächst einmal wischst du säuberlich deine Spucke weg!“ befahl er mit drohendem Unterton. „Auf unserem Schiff herrscht nämlich Ordnung, Dreckschweine werden hier nicht geduldet.“

      O’Leary starrte ihn entgeistert an, sein linkes Auge schwoll langsam zu. Sein Zögern wurde jedoch nicht geduldet.

      „Was ist?“ fuhr Barba ihn an. „Soll ich dich als Putzlappen benutzen und die Planken mit dir aufwischen?“

      Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, packte er O’Leary und zwang ihn kraftvoll in die Knie. Vor den Augen aller mußte er die Spucke wieder aufwischen. Viele Mannen aus der Crew und sogar die englischen Offiziere wandten sich angeekelt ab.

      „So“, sagte Barba, nachdem die „Arbeit“ beendet war. „Jetzt kannst du dir überlegen, ob es sich auszahlt, hier herumzuspucken. Und eins merke dir noch: Leuten wie mir spuckt man nicht ungestraft vor die Füße.“

      „Das hat nicht dir gegolten“, beteuerte O’Leary und deutete mit einem Kopfnicken auf seinen Nebenmann, „sondern diesem Hurensohn namens Stewart.“

      In Stewarts Gesicht begann es zu zucken, aber er hielt sich eisern zurück, obwohl er sich jetzt am liebsten auf O’Leary gestürzt hätte. Doch er wollte es tunlichst vermeiden, sich schon wieder mit Barba anzulegen. Zumindest hatte er es als Genugtuung empfunden, daß O’Leary seine Spucke wieder aufwischen mußte. Deshalb schwieg er jetzt verbissen und behandelte den Bootsmann wie Luft.

      Den anderen Männern entging das gespannte Verhältnis der beiden Engländer nicht. Sie konnten sich inzwischen auch zusammenreimen, was die Ursache dafür war.

      Die scharfe Stimme Siri-Tongs glättete zunächst die Wogen.

      „Ich hoffe, Sie haben begriffen, wie man sich an Bord unseres Schiffes zu benehmen hat, Mister O’Leary“, sagte sie. „Spucker mögen wir hier nämlich genausowenig wie Lügner. Demnach erwarte ich von Ihnen, daß Sie mir wahrheitsgemäß eine Frage beantworten. Was, zum Beispiel, bezweckte Ihr spezieller Freund, Charles Stewart, mit dem Überfall auf die ‚Isabella‘, das Schiff des Seewolfs?“

      Jetzt wurde O’Leary erstaunlicherweise gesprächig – offenbar genauso gesprächig wie beim Verhör durch die Spanier. Jedenfalls dachte er nicht im geringsten daran, Charles Stewart in Schutz zu nehmen.

      „Stewart?“ fragte er und begann spöttisch zu grinsen. „Der war nur scharf auf die Goldladung der ‚Lady Anne‘.“

      „Und was hatte das mit dem Überfall zu tun?“

      „Nun ja, er wollte den Seewolf als Geisel nehmen und dann mit der ‚Isabella‘ hinter der ‚Lady Anne‘ hersegeln“, berichtete O’Leary. „Dieses Schiff aber“, er deutete auf die Planken der „Caribian Queen“, „hätte er natürlich vorher versenkt und alle über die Klinge springen lassen, was denn sonst!“

      „Verdammter Lügner!“ brüllte Stewart entgegen seinen bisherigen Vorsätzen. Sein Gesicht war rot vor Wut geworden. Wäre Barba nicht abermals dazwischengefahren, hätte er sich mit seinen gefesselten Händen auch auf O’Leary geworfen.

      Barba warf Siri-Tong einen ungeduldigen Blick zu.

      „Was tun wir mit diesen Rübenschweinen, Madam?“ fragte er. „Die beiden Halunken sind schwieriger zu hüten als ein Sack voll Flöhe.“

      Siri-Tong traf ihre Entscheidung.

      „Wir brauchen O’Leary nicht mehr“, erwiderte sie. „Ein Verräter wie er, der seine eigenen Landsleute bei den Dons in die Pfanne haut, gehört