Überhaupt wurde die Prügelei immer wilder und unkontrollierter. Hatte sich zu Beginn jeder noch seinem „speziellen Freund“ zugewandt, von dem er glaubte, ihm einiges heimzahlen zu müssen, so prügelte sich am Schluß schon jeder mit jedem.
Als die Kräfte schließlich erlahmten, krochen einige auf allen vieren aus dem Wasser, darunter der jüngere Killigrew-Sproß. Etliche lagen besinnungslos am Boden, einige torkelten noch, bis ihnen jemand einen Stoß vor die Brust versetzte und sie ebenfalls umkippten. Am ärgsten hatte es die Adelsclique erwischt, die Gentlemen saßen mit ihren durchlauchten Hinterteilen im Dreck und jammerten laut über die „Unbill“, die man ihnen angetan hatte.
Die Spanier amüsierten sich köstlich und vergaßen sogar eine Zeitlang die eigene Misere. Vielen sah man deutlich an, daß sie am liebsten mitgemischt hätten, denn schließlich hatten auch sie den Engländern einige Unannehmlichkeiten zu verdanken.
Don Gregorio de la Cuesta hielt seine Leute jedoch zurück.
„Wenn sie sich selber windelweich prügeln, brauchen wir das nicht zu tun“, sagte er. „Außerdem werden sie bald lernen, ihre Kräfte für nützlichere Dinge einzusetzen. Bei harter Arbeit für die spanische Krone werden ihnen die Flausen schon vergehen.“
Daran zweifelte niemand, denn die Dons waren ohnehin dafür bekannt, daß sie nicht gerade zimperlich mit ihren Gefangenen umgingen und sie zumeist harte Fronarbeit leisten ließen.
Der nächste Zwischenfall ließ nicht lange auf sich warten.
Nachdem sich einige der Raufbolde mit blutigen Schrammen und zugeschwollenen Augen aufgerafft hatten, erhob sich auch Sir James Sandwich, einer der sieben adeligen Nichtstuer aus dem Kreis des Sir Henry, und klopfte sich den Dreck aus den Kleidern. Dann bog er ächzend das Kreuz gerade und betastete sein lädiertes Gesicht. Da dieses ziemlich verlebt war, wirkte der dünnem und sehr blasse Adelige, der höchstens fünfundzwanzig Lenze zählte, wesentlich älter, als er war. Trotz der Hiebe, die er empfangen hatte, schien er jedoch nichts von seiner grenzenlosen Arroganz eingebüßt zu haben.
Nachdem Sir James den spanischen Capitán entdeckt hatte, hinkte er auf ihn zu.
„Señor“, sagte er in einem herrischen Ton, „Sie haben Tadel verdient!“
Don Gregorio de la Cuesta warf dem ramponierten Burschen, der sich die ganze Zeit über zusammen mit sechs anderen Adeligen auf der Insel befunden hatte, einen verdutzten Blick zu.
„Und weshalb, wenn ich fragen darf?“
Sir James hob die Nase und räusperte sich.
„Obwohl Sie gesehen haben, wie der niedrige Pöbel über mich und einige andere Ehrenmänner hergefallen ist, haben Sie nicht eingegriffen.“
„Warum hätte ich eingreifen sollen?“ fragte Don Gregorio und lächelte spöttisch. „Die Prügelei hat sich ausschließlich unter euch Engländern abgespielt. Die Gründe dafür sind mir nicht bekannt. Außerdem gehört es zu meinen Prinzipien, mich sowenig wie möglich in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen.“
„Sie haben eine merkwürdige Einstellung, Señor“, erklärte Sir James hochmütig. „Aber wie dem auch sei – ich erwarte von Ihnen, daß Sie sofort dafür sorgen, daß man mich und die sechs anderen Gentlemen auf die Galeone übersetzt, die von meinen Leuten erobert worden ist.“
Don Gregorio wurde stutzig.
„Wer sind Sie überhaupt?“ fragte er.
„Oh, das wissen Sie nicht?“ Das blasse Bürschchen tat regelrecht beleidigt. „Ich bin Sir James Sandwich, ein enger Vertrauter des Duke Henry of Battingham. Infolgedessen habe ich ein Anrecht darauf, als Gentleman behandelt zu werden. Mein Platz ist da drüben auf der Galeone und nicht hier auf dieser unangenehmen Insel. Meine Landsleute können nicht auf meinen Rat und Beistand verzichten. Also, Señor, kommen Sie Ihrer Verantwortung nach, und lassen Sie mich mit meinen Begleitern übersetzen.“
Don Gregorio wurde in der Tat wankelmütig. Kleidung und Benehmen des Engländers ließen durchaus darauf schließen, daß er einer der Adeligen war. Als Blaublütiger hatte er außerdem selber ein Gespür dafür. Doch – hatte der arrogante Bursche tatsächlich ein Anrecht darauf, zur Galeone hinübergepullt zu werden? Wenn ja, warum hatte er dann die Insel nicht zusammen mit den anderen Engländern verlassen? Oder gehörte er gar nicht zu ihnen?
Don Gregorio beschloß, bei der Señora auf dem Achterdeck nachfragen zu lassen. Er wollte in seiner gegenwärtigen Lage keinen Fehler begehen, den er hernach bereuen müßte. Also beauftragte er seinen Ersten Offizier, eine Jolle zu bemannen, sie zu dem Zweidecker pullen zu lassen und die Señora zu den Ansprüchen eines gewissen Sir James Sandwich zu befragen.
Sir James paßte das Ganze überhaupt nicht.
„Warum lassen Sie mich und meine Freunde nicht sofort zur Galeone bringen?“ fragte er, schnippisch. „Was soll das alles? Mißtrauen Sie mir etwa? Ist das der Dank für die Großzügigkeit, die man Ihnen und den anderen Spaniern erwiesen hat? Ich bestehe darauf, sofort diese Insel verlassen zu können!“
Don Gregorios Gesicht wurde abweisend.
„Sie werden sich gedulden müssen, Señor“, gab er zur Antwort. „Ich werde mich vergewissern, ob Ihre Angaben der Wahrheit entsprechen. In kurzer Zeit werden wir es wissen.“
Sir James Sandwich mußte warten, etwas anderes blieb ihm nicht übrig. Er konnte es auch nicht riskieren, einen weiteren Streit vom Zaun zu brechen. Aber er verspürte ebenfalls keine Lust, mit den Spaniern auf dieser Insel zu bleiben. Wer wußte schon, ob es stimmte, daß man ihn und seine Leute den Dons überlassen hatte. Das konnte auch ein bösartiges Gerücht sein. Er jedenfalls würde alles Erdenkliche versuchen, um auf die Galeone zu gelangen – wenn es sein mußte, sogar als Gefangener. Hauptsache, man war den Händen der Spanier entronnen.
Bis zur Rückkehr der Jolle begab er sich mit beleidigtem Gesicht zu seinen Getreuen, die ihm an Arroganz nicht nachstanden, auch wenn sie in dieser Stunde absolut keinen Grund dazu hatten, die Nasen hoch zu tragen. Nach der Prügelei, in die man sie hineingezogen hatte, glichen sie eher einer Schar gerupfter Gockel als vornehmen Gentlemen.
Kaum hatte die Jolle am Ufer angelegt und war auf den Sand gezogen worden, erhob sich Sir James von dem Felsbrocken, auf dem er wie ein Pascha gethront hatte, und begab sich zu de la Cuesta.
„Warum läßt man das Boot nicht gleich im Wasser?“ begehrte er zu wissen. „Ich bin nicht geneigt, noch länger auf das Übersetzen zu warten. Meine Geduld ist bereits sehr strapaziert worden, Capitán!“
Don Gregorio blickte seinen Ersten fragend an. Doch der schüttelte grinsend den Kopf.
„Dieser Bursche und seine sechs Freunde gehören zwar zu einer Gruppe Adeliger“, berichtete er, „doch die Señora auf dem Zweidecker läßt ausrichten, daß die Kerle mit dem Ziel in die Karibik gesegelt seien, sich an den Spaniern zu bereichern. Daher sei es nur recht und billig, wenn sie auch bei uns bleiben würden. Des weiteren schlug die Señora vor, diese Herren, die bisher in Hofkreisen verkehrt hätten, doch der englischen Königin gegen ein Lösegeld zum Rückkauf anzubieten.“
Don Gregorio begriff die Ironie dieses Vorschlags sofort und begann schallend zu lachen.
Sir James Sandwich jedoch wurde noch blasser.
„Das ist unglaublich!“ stieß er hervor. „Einfach unerhört! Ich akzeptiere diese Antwort nicht – nein, auf keinen Fall! Wer garantiert mir, Capitán, daß Ihr Offizier nicht lügt?“
Jetzt aber legte der Erste die Stirn in düstere Falten und trat einen Schritt auf Sir James zu. Seine rechte Hand legte sich wie zufällig auf den Griff seines Degens.
„Wenn Sie mir noch ein einziges Mal unterstellen, ein Lügner