Obwohl ein harter Kampf, Mann gegen Mann, tobte, obwohl Pistolenschüsse krachten und das Metall der Blankwaffen gegeneinanderklirrte, war es nur ein kurzer Kampf.
Auch die beiden Kommandanten und die Offiziere hatten sich mit ihren Degen ins Getümmel gestürzt. Die beiden Offiziere der gesunkenen Galeone waren zum Quarterdeck abgeentert, wo sie in Unterstützung des Kapitäns dieses verbliebenen Schiffes versuchten, die aufenternden Engländer zurückzudrängen. Aber es war ihnen kein großer Erfolg beschieden. Im Gegenteil – die Spanier wurden mehr und mehr über die Decks gedrängt, die Verteidigung galt immer mehr der eigenen Person als dem Schiff.
Auch Marc Corbett, Sir Edward und Arthur Gretton waren in heftige Degenduelle verwickelt, nachdem es ihnen gelungen war, die Decksplanken der Galeone zu betreten.
Marc Corbett, der tatkräftige Erste Offizier der „Orion“, stürmte den Backbordniedergang hinauf, der vom Quarterdeck zum Achterdeck führte. Er hatte sich nicht getäuscht, der Befehlshaber der Spanier befand sich dort und warf sich ihm sofort entgegen.
Don Gregorio de la Cuesta schwitzte heftig. Der Schweiß aber brannte höllisch in der blutverschmierten Schramme, die er an der Stirn empfangen hatte. Der aufgeschlitzte Ärmel seines Uniformrockes verlieh ihm ein recht ramponiertes Aussehen.
Ein harter Degenkampf entbrannte, in dessen Verlauf sich Don Gregorio als gewandter Kämpfer erwies.
„Stirb, Engländer!“ keuchte er und versuchte, Marc Corbett den Degen in die Brust zu stoßen.
Dieser parierte jedoch den Angriff geschickt.
„Ich denke nicht daran, Ihnen diesen Gefallen zu tun, Señor!“ rief er zurück. Dann drang er auf de la Cuesta ein und trieb ihn ein Stück zum Steuerbordschanzkleid hinüber.
Der Capitán wich zunächst zurück, doch dann fand er seinen Rhythmus wieder und riskierte erneut einige heftige Ausfälle. Marc Corbett mußte in der Tat höllisch aufpassen, aber er fing sich rasch wieder und bot dem Spanier die entsprechenden Paraden. Trotzdem konnte er nicht verhindern, daß ihm die Degenspitze Don Gregorios die linke Seite der Uniformjacke in Fetzen riß.
Dieser winzige Erfolg schien den Capitán zu beflügeln – zumindest für kurze Zeit. Er kämpfte mit verbissenem Gesicht, seine zusammengekniffenen Augen spiegelten Wut und Haß wider. Marc Corbett konnte es ihm nicht einmal verdenken, wenn er bedachte, welche Schlappen dieser Mann in den letzten Stunden schon hatte einstecken müssen.
Aber auch er selber war ein wendiger Kämpfer, der sich von einigen Stoffetzen nicht beeindrucken ließ. Seine Ausfälle wurden immer häufiger. Er trieb den Capitán vor sich her in Richtung Querbalustrade.
Dann geschah es plötzlich.
Marc Corbett, der soeben einen gefährlichen Degenstoß abgewehrt hatte, traf die rechte Hand Don Gregorios mit einem raschen Hieb. Der Spanier stöhnte mit schmerzverzerrtem Gesicht auf, dann polterte sein Degen auf die Planken.
Noch bevor er sich danach bücken konnte, setzte ihm Marc Corbett die Spitze seiner Waffe an den Hals.
„Halt, Señor!“ befahl er mit harter Stimme. Sein Gesicht strahlte äußerste Entschlossenheit aus. „Wenn Sie nicht aufgeben, muß ich Sie töten.“
Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, zumal Corbett die spanische Sprache einigermaßen gut beherrschte. Don Gregorio gab sein Vorhaben mit wütendem Gesicht auf.
„Zum Teufel mit Ihnen, Engländer!“
„Leider muß ich Ihnen auch diesen Gefallen verweigern“, sagte Corbett. „Aber ich weiß, daß Sie selber zu ihm gehen werden, wenn Sie sich meinen Anordnungen widersetzen oder aber irgendeinen Trick versuchen. Stellen Sie sich mit dem Rücken gegen die Balustrade!“ Mit der Degenspitze am Hals dirigierte er ihn an den gewünschten Ort.
„Was verlangen Sie?“ keuchte der Capitán. Seine Augen funkelten vor Zorn.
„Zunächst einmal, daß Sie sich mit Ihren Leuten ergeben, und zwar bald, wenn Sie ein größeres Blutvergießen vermeiden wollen. Streichen Sie die Flagge und geben Sie Ihren Soldaten, und Seeleuten den Befehl, die Waffen zu strecken!“
„Ich denke nicht daran!“ Die Wangenmuskeln des Spaniers zuckten.
„Dann sehen Sie sich um“, sagte Corbett. „Das Schiff ist bereits innerhalb der nächsten Minuten in unserer Hand. Sollen wegen Ihrer Dickschädeligkeit noch weitere Männer sterben? Na los, sehen Sie sich alles an. Ich erlaube Ihnen, sich langsam umzudrehen, damit Sie das Schiff überblicken können.“
De la Cuesta drehte sich um und vermied dabei jede hastige Bewegung, zumal er jetzt die Degenspitze des englischen Offiziers am Rücken spürte. Der Engländer hatte tatsächlich recht, sie hatten keine Chance mehr, das Schiff auf Dauer zu verteidigen. Die Angreifer waren zu überraschend und in zu großer Anzahl erschienen.
„Wie steht’s, Señor?“ fragte Marc Corbett. „Ich gebe Ihnen zehn Atemzüge lang Zeit, den Kampf zu beenden.“
Der Capitán schluckte hart.
„Na gut“, sagte er schließlich mit belegter Stimme. „Ich habe keine andere Wahl.“
Gleich darauf dröhnte seine Stimme über die Decks. Er forderte seine Landsleute auf, den Kampf sofort einzustellen und sich zu ergeben.
Zu spät wurde Don Gregorio klar, daß er in jüngster Vergangenheit einen gewaltigen Bock geschossen hatte. Statt die schiffbrüchigen Engländer, die sich bei seinem Eintreffen auf der Insel verschanzt hatten, anzugreifen, hätte er sich zuerst den beiden Schiffen widmen sollen, von denen dieser grobschlächtige Bootsmann O’Leary gesprochen hatte, den er zusammen mit noch fünfzehn anderen Kerlen in einer Jolle aufgegriffen und unter Druck ausgehorcht hatte.
Dem Bootsmann nach sollten sich zwei Schiffe – darunter sogar das Schiff Philip Hasard Killigrews, des legendären Seewolfs – in einer Bucht der Pensacola Cays befinden. Genau diese beiden Schiffe hätte er zuerst und überraschend angreifen und ausschalten müssen, so sagte er sich jetzt in später Erkenntnis, um zu verhindern, daß sie ihn – wie es jetzt geschehen war – bei dem Landeunternehmen überfielen. Denn jener düstere Zweidecker mußte eins jener beiden Schiffe sein, daran gab es für ihn keinen Zweifel mehr.
Zwar hatte der verdammte Bootsmann behauptet, die schiffbrüchigen Engländer auf der Insel hätten nichts mit den Mannschaften des Killigrew auf den beiden Schiffen zu tun – im Gegenteil, den Schiffbruch habe man gerade diesem Killigrew zu verdanken, ihm und einem blutrünstigen Piratenweib, das einen Zweidecker kommandiere. Aber in diesem Fall mußte der Bootsmann gelogen haben, meinte de la Cuesta und wußte nicht, daß gerade das ein Irrtum war.
Die Offiziere, Seesoldaten und Männer der Besatzung traf der Befehl Don Gregorios teils wie ein Schock, teils fühlten sie sich aber auch erleichtert, denn viele von ihnen hatten längst begriffen, daß sie das Schiff nicht auf Dauer verteidigen konnten.
Der Kampf wurde augenblicklich eingestellt. Die Blicke der Spanier waren auf das Achterdeck gerichtet, wo Don Gregorio an der Querbalustrade stand, hinter ihm ein englischer Offizier.
Auf die Anweisung Marc Corbetts hin wiederholte der Capitán seinen Befehl, die Waffen zu strecken.
Der eigentliche Kapitän der Galeone, der sich noch auf dem Quarterdeck befand, schien sich in seiner Rolle nicht sonderlich wohlzufühlen.
„Nehmen Sie mich als Geisel!“ rief er. „Ich bin der Kapitän dieses Schiffes!“
„Danke für Ihr freundliches Angebot, Señor“, erwiderte Marc Corbett, „aber ich denke, Ihr Verbandsführer befindet sich bei uns in besten Händen. Vorausgesetzt, man befolgt seine Anordnungen und kapituliert.