Seewölfe Paket 22. Roy Palmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Roy Palmer
Издательство: Bookwire
Серия: Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954397815
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Waffen zwei Kisten mit Goldbarren, die den Stempel der Münze von Potosi aufweisen.“

      „Aha“, sagte de la Cuesta trocken. „Danke.“

      Der Erste war verschwunden, tauchte aber kurze Zeit darauf in Begleitung eines Mannes auf, der die Gefangenen besonders aufmerksam musterte.

      „Brandez“, sagte der Erste Offizier zu diesem Mann. „Sprechen Sie mit Ihnen.“

      Brandez blieb bei O’Leary und fragte auf Englisch: „Wie heißen Sie?“

      Seine Aussprache war nahezu akzentfrei – und O’Leary verfluchte ihn bis in die tiefsten Schlünde der Hölle, weil er nicht damit gerechnet hatte, hier an Bord einem Dolmetscher zu begegnen.

      Wieder zuckte O’Leary nur mit den Schultern und schüttelte grinsend den Kopf.

      „Brandez“, sagte Don Gregorio de la Cuesta, „Erklären Sie diesem Mann, daß wir ihn zum Sprechen zwingen werden, falls es nicht tatsächlich ein körperlicher Mangel ist, der ihn daran hindert.“

      „Bitte antworten Sie, Señor“, sagte Brandez zu dem Bootsmann der „Lady Anne“. „Es ist nur zu Ihrem Vorteil, glauben Sie mir.“ Er mußte in irgendeiner sehr guten Schule oder gar in England die Sprache erlernt haben, anders konnte es gar nicht sein.

      O’Leary gab nur einen dumpfen Laut von sich, der bekundete, daß er entweder schwachsinnig oder taub oder stumm oder alles zusammen war.

      „Der hier“, sagte der Profos jetzt und wies auf Thomas Lionel, „hat eben gelacht. Er kann sprechen. Vielleicht sollte man ihn befragen.“

      De la Cuesta sagte: „Tun Sie das, Brandez.“

      Brandez trat dicht vor Thomas Lionel Killigrew hin. „Wie heißen Sie? Woher kommen Sie? Wie heißt Ihr Schiff, und was haben Sie für einen Auftrag?“

      Thomas Lionel wußte nicht, ob er kichern oder fluchen sollte. Er hielt es für besser, auf die Unterlippe zu beißen und ein dummes Gesicht zu schneiden, was ihm ohnehin nicht schwerfiel.

      „Noch einmal“, sagte Brandez. „Ich habe Sie mit allem Respekt um Auskunft gebeten.“

      Thomas Lionel druckste herum. Seine Augen waren Irrlichter, sie huschten mal nach links, mal nach rechts, mal nach unten oder nach oben. Nur vermied er es, Brandez oder den Profos anzusehen.

      „Profos“, sagte de la Cuesta. „Versuchen Sie es mal. Vielleicht versteht er Ihre Sprache bedeutend besser.“

      Blitzschnell schlug der Zuchtmeister mit der Neunschwänzigen zu – viel schneller, als man ihm das zugetraut oder als Thomas Lionel es erwartet hätte. Die geknoteten Lederriemen trafen ihn voll ins Gesicht.

      Er stürzte mit einem kreischenden Entsetzenslaut auf die Planken und schrie: „Ich bin Thomas Lionel Killigrew, der Sohn vom alten Killigrew! Aber nicht mehr hauen! Ich bin unschuldig! Ich hab’ nichts getan! Ganz bestimmt nicht!“

       6.

      Der Profos wollte erneut zuschlagen, hielt jedoch verdutzt inne, als er sah, wie sich Thomas Lionel auf den Planken drehte und wand, und vernahm, wie dieser jammerte und offenbar um sein Leben winselte. Mit einem saftigen Fluch quittierte der bullige Mann das Benehmen des ferkelgesichtigen Kerls, dann wandte er sich zu seinen Leuten um und fragte: „Zum Teufel, was ist denn das für ein Jammerlappen?“

      „Ohne Zweifel ein Engländer“, erwiderte Brandez. „Und zwar aus Cornwall, das hört man am Akzent.“

      „Brandez, ich will wissen, wer sein Kapitän ist und was sie hier zu suchen haben“, sagte de la Cuesta.

      Brandez trat auf Thomas Lionel zu, der sich gerade halb am Süll der Ladeluke hochzog und seufzend auf der Gräting niederließ. Stöhnend rieb er sich das schmerzende Gesicht, und mit einer wehleidigen Geste griff er an den Kopf verband, der etwas blutig war.

      „Wer ist der alte Killigrew?“ fragte Brandez.

      „Mein Vater.“

      „Wo ist er?“

      „Auf der ‚Isabella‘, in der Vorpiek, nehme ich doch an!“ stieß Thomas Lionel hastig mit einem Seitenblick auf den Profos aus.

      „Ist die ‚Isabella‘ euer Schiff?“

      „Nein, sie gehört dem Bastard.“

      „Welchem Bastard?“

      „Dem Bastard aller Bastarde!“ zischte Thomas Lionel. „Der hat uns die ganze Suppe ja überhaupt eingebrockt.“

      Brandez übersetzte diese Worte, aber keiner wurde daraus schlau. Jetzt trat der Profos wieder in Aktion. Er drosch wie in einem jähen Wutanfall mit der Neunschwänzigen auf die Gefangenen ein und trieb O’Leary sogar mit Hieben und Tritten gegen die Querwand des Achterkastells, wo dieser sich heftig die Knochen stieß und dann auf die Planken sank.

      „Bist du wirklich taub und stumm?“ brüllte der Profos ihn an.

      Brandez übersetzte es, wie es seine Aufgabe war. O’Leary spuckte vor Ihnen beiden aus, aber daraufhin traktierte der Profos ihn erneut mit der Peitsche. Thomas Lionel stieß quiekende Laute aus, und auch sein Bruder begann vor lauter Angst entsetzlich zu stöhnen. Die anderen Kerle von der „Lady Anne“ fluchten unflätig.

      O’Leary hob plötzlich die Hand, bevor der Profos erneut zuschlagen konnte.

      „Das genügt“, sagte er. „Ich rede.“

      „Das wird auch langsam Zeit“, sagte Brandez, der Dolmetscher.

      „Der Mann dort mit dem Schweinegesicht ist nicht ganz richtig im Kopf“, erklärte O’Leary. „Killigrew war sein Vater, aber er ist jetzt tot, mit unserem Schiff, der ‚Lady Anne‘, gesunken. Wir sind friedliche Kauffahrer, jetzt jedoch Schiffbrüchige. Lange haben wir auf einer Insel der Grand Cays gehockt. Dann trieb die Jolle an, ein Geschenk des Himmels für uns arme Teufel, die wir schon seit Monaten auf dem Eiland dahinvegetierten.“

      De la Cuesta ließ sich dies übersetzen, dann enterte er auf das Hauptdeck ab und besah sich den Bootsmann der „Lady Anne“ noch einmal genau. Er schoß eine Reihe von Fragen auf ihn ab, die von Brandez genauso schnell wie die Antworten in die jeweils andere Sprache übertragen wurden.

      „Was für ein Schiff war die ‚Lady Anne‘?“

      „Eine Dreimastkaravelle.“

      „Heimathafen?“

      „Falmouth, Sir, wenn’s recht ist.“

      „Zielhafen?“

      „Havanna.“

      „Das ist eine Lüge“, sagte de la Cuesta kalt. „Ich habe noch von keinem englischen Schiff gehört, das Kuba in friedfertiger Absicht angelaufen hat.“

      „Es stimmt aber doch“, sagte O’Leary. „Unser Kapitän hatte einen besonderen Vertrag, äh, mit den Spaniern in Havanna.“

      „Einen Vertrag welcher Art?“

      „Keine Ahnung, das war sein Geheimnis.“

      „Warum sank das Schiff?“

      „Es geriet in einen Sturm“, erwiderte O’Leary.

      „Wann?“ wollte de la Cuesta wissen.

      „Ach, so im Juni. Nein, im Mai.“

      „An welchem Tag im Mai?“

      „Am – sechzehnten. Jawohl, jetzt kann ich mich wieder erinnern“, entgegnete O’Leary frech grinsend.

      „An diesem Tag herrschte ruhiges Wetter“, sagte de la Cuesta. „Im übrigen sehen diese Schiffbrüchigen nicht so erbarmungswürdig aus, daß man alles glauben könnte. Sie sind Engländer, Señores, und Schnapphähne obendrein.“

      „Stimmt nicht!“ schrie O’Leary.