„Wir sind auch in Ordnung“, erwiderte Corbett. „Aber ich hoffe, daß sie feuern, bis die Rohre glühen. Damit verpulvern sie ihre Munition und haben, wenn es wirklich darauf ankommt, nicht mehr allzuviel.“
Die Masse der beiden englischen Schiffsmannschaften hatte sich auf Corbetts genaue Anweisungen hin aus dem gefährdeten Bereich zurückgezogen. Somit war sie nicht gefährdet. Die Beobachter und Scharfschützen hingegen lagen gut getarnt an der West- und Ostseite der Bucht. Auch die Boote waren gesichert, Corbett hatte sie noch tiefer in den Urwald schleppen und zurren lassen.
Im Dickicht der Südseite der Bucht hatten sich nur ein paar wenige Männer eingegraben und ließen den Kugelhagel stoisch über sich ergehen. Abwarten war Trumpf – und nicht die Beherrschung verlieren. Das hatten Tottenham, Corbett und Gretton ihnen so richtig eingehämmert.
Wieder dröhnten die Schiffskanonen, wieder schlugen die Kugeln in den Sand. Doch da gab es inzwischen schon nichts mehr, was zerstört werden konnte. Ein paar Kugeln lagen höher und flogen ins Dickicht, doch sie trafen keinen der Männer.
„Weiter so“, sagte Corbett grimmig. „Sie erzielen keinen einzigen Treffer. Die Dons schießen wirklich mit Kanonen nach Spatzen.“
„Die Holzhütten sind total zu Bruch gegangen“, sagte Bush.
„Später bauen wir eben wieder neue auf.“
„Wenn es nötig ist.“
„Eben“, sagte Corbett. „Vielleicht haben wir es aber gar nicht nötig. Wenn wir die Galeonen kapern, sind wir fein raus. Aber darauf mag ich noch nicht hoffen.“
Stewart war unterdessen noch ein wenig tiefer in den Inseldschungel geschleppt worden, genau wie die Boote. Starr blickte er vor sich hin. Ihm war es ziemlich egal, wer hier siegte. Für ihn war die Partie so oder so verloren, das hatte er endgültig eingesehen.
Jetzt erwies es sich fast als ein Segen, daß die „Orion“ und die „Dragon“ als Wracks gewissermaßen die Bucht versperrten oder einengten.
„Das ist ein echter Vorteil für uns“, murmelte Corbett, während die dritte Breitseite aus den Kanonenrohren röhrte. „Unsere Schiffe verhindern ein Einlaufen der beiden Kriegsgaleonen.“
„Und auch deren Manövrierbarkeit“, sagte Bush.
„Sollten wir uns dafür bei der Korsarin bedanken?“
„Bei dem Höllenweib?“ Bush mußte unwillkürlich grinsen. „Auf gar keinen Fall. Ich schätze, sie ahnt auch gar nicht, was hier gerade passiert.“
„Sie würde sich sehr wundern.“
Daß die Rote Korsarin unerwartet wieder auftauchen sollte, konnten hingegen die Männer der „Orion“ und der „Dragon“ nicht ahnen. Sie rechneten nicht damit, daß sie sich wieder mit dem Zweidecker zeigte, denn nach ihrer Ansicht hatte es genügt, daß Stewart, O’Leary und die Jollen-Meute auf der Insel der Pensacola Cays zurückgeschlagen worden waren. Damit gaben sich, so glaubten sie, Siri-Tong und der derzeitige Kapitän der „Isabella“ zufrieden.
Corbett betrachtete die Schäden am Ufer. Die Hütten waren völlig zerlegt, die Mangroven am Rande des Dickichts zerrupft und zersplittert. Jetzt schien aber auch dem Kommandanten der beiden Kriegsgaleonen aufzugehen, daß er auf diese Art nichts erreichte. Darum änderte er seine bisherige Taktik und ging zur zweiten Phase des Gefechts über, die Corbett auch wieder einkalkuliert hatte.
Je drei Boote wurden – so konnten Corbett, Gretton und die anderen mühelos durch ihre Kieker verfolgen – von jeder Galeone auf der Seeseite abgefiert und mit Landungstrupps besetzt. Corbett sah, wie die Boote ausgeschwenkt wurden und dann verschwanden. Er beobachtete die Männer, die auf den Hauptdecks zusammentraten und dann abenterten.
„Noch haben sie Schutz durch die Schiffe“, murmelte er. „Aber das wird gleich anders.“
„Vor allen Dingen müssen die Kanonen ihr Feuer einstellen“, sagte Francis Bush grinsend.
„Wenn sie jetzt feuern, gefährden sie ihre eigenen Männer“, sagte Corbett.
„Da – jetzt erscheinen die Boote!“
Die Jollen schoben sich hinter den Schiffen hervor, änderten den Kurs mit Richtung auf die Bucht und hielten unter zügigem Riemenschlag auf das Ufer zu.
Corbett lag auf der Westseite der Bucht. Er ließ Gretton und dessen Trupp, der sich an der gegenüberliegenden Seite aufhielt, durch Ross mitteilen, daß unbedingt mit dem Schießen gewartet werden sollte, bis sich die Jollen auf einer Höhe mit den Musketen und Tromblons befanden. Corbett gab seinen Leuten ein Zeichen, und sie rückten aus der Deckung etwa zehn Yards hinter Corbett und Bush vor.
„So, jetzt geht’s um die Wurst, Kerls“, sagte Bush. „Oder besser – um die Pulle. Wer die meisten Treffer erzielt, erhält eine Flasche Whisky aus der Geheimreserve von Sir Edward.“
„Ich schlage vor, wir hören mit dem Reden auf“, sagte Corbett.
„Aye, Sir“, brummten die Männer, legten sich flach auf die Bäuche, schoben ihre Musketen und Blunderbusses vor und zielten auf die anrückenden Boote.
„Noch etwas warten“, sagte Corbett. „Ich zähle rückwärts. Haltet auf die Wasserlinie.“
Jeder hatte mindestens zwei Waffen, die meisten drei, vorwiegend Musketen mit langen Läufen, die eine besonders starke Pulverladung hatten. Die Männer wußten, daß alles stimmte, Distanz und Ladung. Wenn nicht irgendein Unglück geschah, mußte es ihnen gelingen, zumindest einen Teil der Jollen zum Sinken zu bringen.
„Achtung“, flüsterte Corbett. „Drei, zwei, eins – Feuer!“
Gleichzeitig krachten die Musketen, und auch drüben, auf der Ostseite, blitzten jetzt im Dickicht die Mündungsfeuer auf. Ein Hagel von Kugeln prasselte im Knattern der Waffen auf die Boote ein, und die Insassen – Seeleute und Seesoldaten – begannen mörderisch zu schreien.
8.
Corbett vertauschte die erste Muskete, die er leergefeuert hatte, mit einer zweiten und gab, ohne lange zu zögern, den nächsten Schuß auf die Jolle ab, die er sich als Ziel ausgewählt hatte. Auch dieses Mal traf er, das Boot zog Wasser und begann zu sinken. Gleichzeitig nahm auch der Tiefgang der anderen Jollen zu. Einige der Seesoldaten und Seeleute warfen die Arme hoch und sanken zusammen, weil sie von den Ladungen der Tromblons getroffen worden waren.
Wieder knallten die Waffen. Corbett selbst hatte noch eine dritte Muskete, die er zum Einsatz brachte. Die Wirkung blieb nicht aus, und sie war besser, als man zu erwarten gehofft hatte: Alle sechs Boote sanken.
„Sie blubbern ab!“ rief Francis Bush und stieß dabei seinen Nebenmann mit dem Ellenbogen an. „Recht so! Aus der Traum!“
„Wer weiß, ob sie alle schwimmen können“, sagte der Nachbar.
„Ist mir egal. Weißt du, wie piepegal mir das ist?“
„Keine Zeit verlieren!“ zischte Corbett ihnen zu. „Los, weg!“
Sie krochen davon, sprangen – tiefer im Dickicht – auf und eilten davon. Der Spuk hatte nur wenige Minuten gedauert, doch jetzt gellten von Bord der Schiffe wieder Flüche und Schreie herüber. Don Gregorio de la Cuesta ging zur nächsten Aktion über, er zog alle Register, die er zur Verfügung hatte. Aber auch das hatten Corbett und Gretton in ihr Kalkül mit einbezogen. Sie nahmen einen fliegenden Stellungswechsel vor.
„Jetzt setzen sie die Drehbassen ein!“ rief Corbett.
Tatsächlich behielt er recht: Die Schwenkgeschütze der beiden spanischen Kriegsgaleonen krachten, und heulend flogen die Kugeln heran. Sie schlugen dort ins Dickicht, wo die Scharfschützen eben noch gelegen hatten.
Corbett und seine Männer warfen