Engel der Stille. Ditte Birkemose. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ditte Birkemose
Издательство: Bookwire
Серия: Kit-Sorél-Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711451779
Скачать книгу
ist nicht da.«

      »Wann kommt sie zurück?«

      »Woher soll ich das wissen? Ich bin doch nicht ihr Kindermädchen. Und ansonsten...« Sie kniff die Augen zusammen. »Was geht dich das überhaupt an?«

      »Ich weiß, daß sie hier wohnt, und ich werde wiederkommen.«

      »Warum kannst du sie nicht einfach in Ruhe lassen?«

      »Weil ich mit ihr sprechen muß. Und wenn das nicht möglich ist, dann muß ich ihren Eltern die Adresse verraten.«

      Ihre Augen schauten mich unsicher an. »Das tust du nicht!« sagte sie. »Ihr Vater hat doch einen Sockenschuß.«

      »Ich habe ihnen nicht gesagt, daß sie hier wohnt«, sagte ich.

      »Aber ich kann es auf Dauer nicht verheimlichen. Janne muß mir erzählen, was passiert ist.«

      »Er ist ein blödes Schwein.«

      »Wer?« Ich musterte sie scharf. »Jannes Vater?«

      »Wer denn sonst?«

      »Warum?«

      »Das muß sie dir schon selber erzählen.«

      Ich seufzte, dachte an die blauen Flecken an Jannes Oberarm und fragte: »Also, wann kommt sie?«

      »Echt«, sie machte sich an dem roten Stein zu schaffen, der ihren einen Nasenflügel zierte, »ich habe keine Ahnung... ganz ehrlich.«

      »Was ist hier los?« Ein junger Mann mit bloßem Oberkörper, halblangen fettigen Haaren und Mittelscheitel tauchte hinter ihr auf.

      »Gar nichts«, antwortete sie eilig.

      »Line, zum Henker,... ich bin total fertig«, sagte er und packte sie am Arm. »Komm jetzt.«

      Ich warf einen Blick auf seine Augen. Sie waren rot und blank.

      »Geh schon mal rein«, Line schüttelte seine Hand ab und versetzte ihm einen Stoß. »Ich komm’ gleich nach.«

      Aber er blieb stehen. »Wer bist du?« fragte er und schwankte vor mir hin und her.

      Ich schwieg.

      »Jeppe, zum Teufel«, sie versetzte ihm noch einen Stoß. »Verpiß dich!«

      Er blieb immer noch stehen und starrte mich an. »Meine Güte«, sagte er dann, breitete die Arme aus und verschwand.

      »Ich versuche, sie zu einem Gespräch mit dir zu überreden«, sie zögerte. »Aber dann darfst du ihren Eltern auf keinen Fall meine Adresse geben.«

      »Abgemacht«, antwortete ich.

      Als ich die Bürotür öffnete, schellte das Telefon.

      »Kit, du mußt kommen«, rief Kamma aufgeregt. »Ich bin bei Simone... du weißt schon, Simone Berthelsen.«

      »Was ist passiert?«

      »Jemand war im Haus«, antwortete Kamma. »Und ich habe wirklich Angst, daß Simone kurz vor einem Zusammenbruch steht.«

      »Ich kann in zehn Minuten bei euch sein.«

      Kamma machte mir auf.

      Ich betrat eine geräumige Diele mit schwarzen und weißen Marmorfliesen auf dem Boden und leicht rosa Wänden. Unter der Decke funkelte ein riesiger Kristall-Lüster. An der einen Wand, neben einer glänzenden und wunderschön geschnitzten Tür, hing ein goldgerahmter Spiegel, und auf einem Mahagonitisch unter dem Spiegel stand eine chinesische Vase mit weißen Lilien.

      »Wie gut, daß du kommen konntest«, Kamma sah wirklich besorgt aus. »Wir sitzen in der Küche.«

      »Was ist mit ihrem Mann?« fragte ich. »Ist er...?«

      »Hans Ulrik ist in Brüssel, er ist erst heute abend wieder da.«

      Simone Berthelsen saß am Küchentisch. Bei meinem Anblick erhob sie sich.

      »Es tut mir leid, Sie bemühen zu müssen«, sagte sie mit belegter Stimme. »Aber Kamma meinte...« Sie schüttelte den Kopf. Ihre Schultern zitterten, und die Tränen liefen ihr über die Wangen.

      »Ja, aber Liebste«, Kamma legte den Arm um sie.

      Simone Berthelsen war hochgewachsen, hatte eine dunkle Pagenfrisur, die ihre mit Perlen geschmückten Ohren freiließ. Unter dem lockeren blauen, weißgetupften Hemd war ihre Schwangerschaft schwach zu ahnen.

      »Ich glaube, du brauchst ein Glas Cognac, oder...« Ich warf einen Blick auf den Tisch, auf dem eine Thermoskanne und zwei Tassen standen. »Irgend etwas zur Stärkung jedenfalls. Habt ihr...?«

      »Im Barschrank steht eine Flasche Cognac«, sie schaute mich aus tränennassen Augen an.

      »Also dann«, Kamma drehte sich auf dem Absatz um und verschwand aus der Küche.

      Simone setzte sich und schlug die Hände vors Gesicht. Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter, sagte aber nichts.

      Die Küche war groß und gemütlich, viele alte Glasschränke und Tellerhalter hingen an den Wänden. Alles war weiß, mit Ausnahme der Stühle um den ellipsenförmigen Tisch mitten im Zimmer, die in klarem Blau gehalten waren. Vor den Fenstern hingen grüne Pflanzen.

      Kamma nahm ein Glas aus dem Schrank und goß ein. »Trink«, sie nickte Simone zu.

      Simone riß sich zusammen, hob das Glas und leerte es auf einen Zug. Sie schnitt eine Grimasse.

      »Noch eins«, sagte ich.

      Wir schwiegen.

      Simone wurde ruhiger. Sie stellte das leere Glas weg, holte tief Luft und ließ sich auf dem Stuhl zurücksinken.

      »Erzähl mir, was passiert ist«, ich sah sie an.

      Lange schwieg sie, dann antwortete sie: »Jemand war im Haus... das habe ich gehört...«

      »Wo?« fragte ich.

      »Im Keller.«

      »Was hast du gehört?«

      Sie zitterte am ganzen Körper. »Ein Kind...«

      »Ein Kind?« Ich beugte mich vor. Ich mußte sofort an ihre Schwangerschaft denken.

      »Ja«, sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Ein Kind hat geweint.«

      »Und wo warst du?« fragte ich.

      »Hier in der Küche«, sie machte eine entsprechende Handbewegung, »beim Abwasch.«

      »Aha.« Ich stand auf und ging dann zur Tür neben dem Herd.

      »Führt diese Tür in den Keller?«

      »Ja«, sie nickte und fügte hinzu: »Sie war angelehnt... wegen der Katze...«

      Ich öffnete die Tür, horchte. Ich konnte nichts hören. »Wäre es nicht möglich, daß draußen auf der Straße ein Kind vorbeigekommen ist?« schlug ich zaghaft vor.

      »Nein, nein... es war im Keller... ich bin ganz sicher«, antwortete sie tonlos. »Ich weiß ja selber, daß es verrückt klingt, aber es war so... es war im Keller... wirklich, ein Kind hat geweint.«

      »Aber Liebste«, Kamma legte ihre Hand auf Simones. »Natürlich war das so.«

      »Hast du das auch gehört?« Ich schaute Kamma an.

      Sie schüttelte einfach nur den Kopf.

      »Habt ihr unten im Keller nachgesehen?« fragte ich.

      »Nein«, antwortete Kamma. »Wir wollten auf dich warten.«

      »Soll ich nicht mitgehen?« fragte Kamma, als ich schon halb die Treppe hinunter war.

      »Bleib du besser bei Simone«, antwortete ich und ging weiter.

      Ich drehte im Keller eine Runde, fand aber nichts von Bedeutung.

      Als ich wieder nach oben ging,