»Ich bin auch nicht billig«, deutete ich an.
»Was nimmst du denn?«
»Dreihundertfünfzig Kronen die Stunde.«
Sie machte große Augen. »Das hat die Psychologin auch genommen.«
»Ja, da siehst du’s«, ich streckte die Hand nach dem Aschenbecher aus. »Vielleicht solltest du dir überlegen, ob du nicht doch besser wieder zur Therapie gehst.«
»Aber... wie viele Stunden brauchst du denn, um so etwas herauszufinden?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen.«
»Aber so ungefähr?«
»Das kann leicht zwei Wochen dauern – mindestens.«
»Ach!« Sie machte ein enttäuschtes Gesicht, steckte die Hände in die Taschen und schüttelte sich. »Vielleicht sollte ich wirklich...«, sie unterbrach sich. »Das darfst du jetzt nicht falsch verstehen«, sie schüttelte den Kopf. »Ganz ehrlich... ich bin sicher, daß du es schaffen würdest, aber vielleicht sollte ich doch diese Psychologin anrufen...«
»Ja, überleg es dir«, ich nickte aufmunternd.
Mit nachdenklicher Miene sagte sie langsam: »Ich würde eigentlich sehr gern zeichnen lernen.«
Ich wandte meinen Blick ab.
Eine knappe Viertelstunde später verabschiedete ich mich von ihr und von diesem Honorar. »Du blöde Nuß«, flüsterte eine nicht ganz sanfte Stimme in meinem Inneren.
Als ich gerade beschlossen hatte, noch einmal zu Janne in die Nansensgade zu fahren, rief Randi Nielsen an, ihre Mutter.
»Also«, sie holte tief Atem. »Wie sieht es aus, haben Sie mit Janne sprechen können?« Ihre Stimme klang angespannt.
»Noch nicht«, antwortete ich. »Aber ich rufe an, sowie...«
»Ich würde mich gern mit Ihnen treffen«, fiel sie mir ins Wort.
»Es gibt etwas, das Sie wissen müssen.«
»Und darüber möchten Sie jetzt sprechen?«
»Nein«, antwortete sie ganz schnell und räusperte sich. »Es ist besser, wenn...« Sie verstummte.
»Dann sollten wir uns verabreden«, ich streckte die Hand nach meinem Terminkalender aus.
»Aber«, sie zögerte, »um ganz ehrlich zu sein... mein Mann darf das nicht wissen.«
»Dem werde ich nichts verraten«, sagte ich, und wir machten einen Termin aus.
»Ingrid!« Ich öffnete die Tür und blickte sie erstaunt an. »Das ist aber eine Überraschung.«
Wir hatten seit dem Tag, an dem ich sie auf dem Falknerhof besucht hatte, keinen Kontakt mehr gehabt.
»Störe ich?« Sie wirkte ein wenig verlegen.
»Nein, nein«, ich schüttelte den Kopf. »Gar nicht«, fügte ich hinzu und bat sie herein.
»Ich bin mit einer Freundin zum Theater verabredet«, sie schaute kurz auf die Uhr, »aber ich bin eine halbe Stunde zu früh.«
Ich hob die Augenbrauen.
»Wann fängt denn die Vorstellung an?«
Ein Lächeln glitt über ihre roten Lippen. »Um zwanzig Uhr, aber wir haben einen Tisch im Bjørnekelderen bestellt«, erklärte sie.
»Ach so«, ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare.
Draußen bahnte ein Krankenwagen sich heulend einen Weg durch den Verkehr.
Ingrid legte mir die Hand auf den Arm. »Ich war neugierig... und dann dachte ich, wo ich ohnehin schon in der Gegend bin...«Ihr Blick glitt über die Wand und blieb an Dürers Holzschnitt von Adam und Eva nach dem Sündenfall hängen. »Ich habe die Legende von Lilith immer interessanter gefunden«, sie blickte mich vielsagend an, sagte aber nicht mehr.
Ich nickte lächelnd. »Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?« fragte ich dann. »Tee oder Kaffee?«
»Nein, mach dir keine Umstände. Ich muß in einer Viertelstunde weiter, aber vielen Dank.« Sie knöpfte ihren Mantel auf.
Sie trug ein engsitzendes anthrazitgraues Kleid mit Gürtel. Ihre weizenblonden Haare hingen ihr locker über die Schultern, um ihren Hals lag eine auffällige Silberkette.
»Die kennst du doch, nehme ich an?« Sie zog ihren Gürtel gerade.
»Was meinst du jetzt?«
»Die Legende von Lilith?«
»Natürlich«, antwortete ich leicht verwundert.
Ich führte sie in die Kochecke.
»Da hast du dir aber gute Farben ausgesucht«, sagte Ingrid.
Ich hatte die Schränke blau angestrichen, alles andere war weiß.
Sie setzte sich neben den Schreibtisch und schlug die Beine übereinander. »Hier ist es wirklich gemütlich.«
»Danke«, ich lächelte und betrachtete ihre hochhackigen Schuhe. Bei unserer ersten Begegnung hatte sie Gummistiefel getragen.
»Also, sag mal«, sie rückte den Stuhl näher an den Tisch. »Was macht denn die Arbeit?«, fragte sie. »Hast du spannende Fälle?«
»Ach, ich weiß nicht so recht«, antwortete ich zögernd.
»Bist du nie nervös?«
»Nervös?« Ich dachte einen Moment lang, sie rede von meiner Finanzlage.
»Ja, du kannst doch allen möglichen Leuten begegnen. Psychopathen und so...«
»Man weiß natürlich nie...«
»Aber du hast vielleicht Ahnung von Selbstverteidigung... oder von Karate?«
»Nein«, ich lachte. »Aber ich kann sehr schnell rennen.«
Wir plauderten noch eine Weile. Sie erzählte von einem Falknerkurs, den sie gerade abgehalten hatte.
»Nicht alle sind gleichermaßen geeignet, das muß ich schon sagen«, ihre Augen funkelten. »Ich hatte eine Teilnehmerin... bei der stellte sich heraus, daß sie Angst vor Falken hatte, und das geht natürlich nicht...«
»Das kann ich mir denken. Der Falke spürt das doch sicher?«
Sie nickte. »Aber übrigens«, sie legte eine kurze Pause ein, »hättest du nicht Lust...«
»Vielleicht.«
Kurze Zeit später stand sie auf. »So«, sagte sie mit einem Blick auf ihre Armbanduhr, »jetzt muß ich wohl...«
Auch ich stand auf.
»Willst du eigentlich dein Studium beenden?« fragte sie plötzlich, »oder was...«
»Meinst du die Theologie?« Ich blickte sie verwirrt an.
»Ja.«
»Das wird sich finden«, ich zog an meiner Bluse. »Bis auf weiteres bin ich Detektivin.«
»Hm.« Sie blickte mich besorgt an. Dann lächelte sie und lehnte sich an die Tür. »Manchmal«, sie zögerte, »manchmal wäre ich gern katholisch. Die haben die Beichte, und ich glaube, das ist gesund für die Seele.«
»Aber du kannst doch auch mit einem Pastor...«
»Das ist nicht dasselbe«, fiel sie mir ins Wort. »Es ist keine Selbstverständlichkeit. Katholiken knien einfach im Beichtstuhl nieder... sie reden und sind dann geläutert...«
Dazu konnte ich nicht viel sagen, sie mochte in gewisser Weise ja durchaus recht haben.
»Ach«, sie warf sich die Tasche über die Schulter. »Haben wir nicht alle unsere Sorgen?«
Ich stand am Fenster und sah ihr nach. Sie überquerte