Engel der Stille. Ditte Birkemose. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ditte Birkemose
Издательство: Bookwire
Серия: Kit-Sorél-Krimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711451779
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ließ die Tasche zuschnappen, »aber ich hatte eben Besuch von Ingrid.«

      »Ach, wirklich? Nein, wie nett...« Ich konnte hören, daß Kamma mit ihren Gedanken ganz woanders war. »Aber es gefällt mir nicht... ich finde es wirklich seltsam...« Kamma verstummte.

      Ich stutzte. »Ist irgendwas passiert?« fragte ich.

      »Nein, nein, Liebste«, antwortete sie eilig. »Aber ich habe heute morgen Simone getroffen...«

      »Ja?« Ich wischte mit dem Ärmel Staub von meinem Schreibtisch.

      »Sie hatte es offenbar eilig, wir haben uns also nur kurz begrüßt«, Kamma räusperte sich. »Aber ich mache mir einfach Sorgen«, sagte sie dann. »Sie schien...«, und wieder legte sie eine Pause ein.

      Ich wartete.

      »Simone hat immer Zeit für ein Schwätzchen«, sagte Kamma schließlich. »Aber wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann schien sie mich heute gar nicht richtig zu sehen.«

      »Vielleicht war sie mit ihren Gedanken weit weg«, regte ich vorsichtig an.

      »Das ist gut möglich. Aber ich muß schon sagen, daß sie blaß und müde aussah. Nein, verstehst du, Kit, ich habe wirklich Angst, daß irgend etwas nicht stimmt.« Sie sprach immer langsamer, als ob sie das alles im Grunde gar nicht sagen wollte. »Sag mal, Liebste... was hast du denn für einen Eindruck? Bezweifelst du, daß sie die Wahrheit sagt?«

      »Nein«, antwortete ich. »Das nicht.«

      »Ach«, sie holte tief Luft. »Das ist eine Erleichterung. Verstehst du... als sie von dem Kinderweinen erzählt hat, hatte ich wirklich Angst, du könntest meinen, sie...«

      »Wirklich nicht«, unterbrach ich sie. »Ich habe eher den Verdacht, daß jemand in ihrem Keller ein Tonbandgerät laufen hatte.«

      »Wie kommst du denn darauf?«

      »Das Kabel der Tiefkühltruhe war aus der Steckdose gerissen.«

      »Wirklich? Aber... das erklärt doch alles«, sagte Kamma optimistisch. »Ich weiß natürlich nicht, wieviel du zu tun hast, aber... Liebste, könntest du nicht in nächster Zukunft versuchen, Kontakt aufzunehmen und...«

      »Nein«, wehrte ich energisch ab. »Kommt gar nicht in Frage. Wenn sie etwas von mir wollen, sollen sie mich anrufen.«

      »Aber Kit, du könntest dich doch einfach auf mich berufen und...«

      »Kamma«, fiel ich ihr ins Wort. »Das geht einfach nicht. Sie müssen das wirklich selber wollen.«

      Sie versuchte weiter, mich zu überreden.

      Ich schnitt eine Grimasse und hielt den Hörer auf Armlänge von meinem Ohr weg. Nach einigem Palaver hatten wir uns einigermaßen geeinigt.

      »God bless you«, Kamma legte auf. In ihrer Stimme klang Enttäuschung mit.

      »Alte Hexe«, sagte ich und stand auf.

      Es war zwei Tage nach Kammas Anruf. An einem Samstag. An einem klaren Vormittag Ende November.

      Ich saß im Wohnzimmer, las die Zeitung und hatte gerade in ein Brötchen gebissen, als die Türklingel ging.

      Seufzend sprang ich auf und schaute auf die Uhr.

      Als ich die Gegensprechanlage betätigte, hörte ich, daß nicht nur bei mir geschellt worden war. »Ja?« fragte ich, und das taten mindestens drei andere, darunter war auch Ina aus der Wohnung über mir.

      »Es geht um Lennart!« rief eine Kinderschar. »Der ist rausgesprungen und liegt vor dem Haus.«

      »Was ist er?« brüllte Ina.

      »Wo ist er rausgesprungen?« fragten Frau Rasmussen aus dem vierten Stock und ich wie aus einem Munde.

      »Aus dem Fenster«, antwortete ein Junge.

      Lennart und seine Mutter wohnten im dritten Stock, neben Ina.

      Irgendwo fing ein Kind an zu weinen.

      Ich knallte den Hörer auf die Gabel und riß das Fenster auf.

      Lennart lag bewegungslos auf dem Bürgersteig.

      Eine Gruppe verängstigter und weinender Kinder drängte sich um ihn herum.

      Ich knallte das Fenster wieder zu, lief zum Telefon und rief einen Krankenwagen.

      Als ich auflegte, wurde an meine Tür gehämmert. Es war Ina.

      »Ich war gerade unten«, sagte sie atemlos, »wir müssen einen Krankenwagen holen.«

      »Schon geschehen«, ich zog meinen Morgenrock fester zusammen und warf mir einen Mantel über die Schultern.

      »Ach... Gott«, Ina fuhr sich mit einer zitternden Hand über die Augen. »Ich glaube, er hat sich das Genick gebrochen«, flüsterte sie.

      »Wo ist seine Mutter?«

      »In der Waschküche... Rubina wollte sie holen.«

      Ich drehte mich um und nahm die Schlüssel aus der Schale auf der Kommode.

      Als wir unten ankamen, liefen die Kinder auf uns zu.

      »Er hat uns gerufen«, erklärte ein weinendes Mädchen. »Er wollte mit uns spielen...«

      Ich zog sie an mich und streichelte ihre Haare.

      »Ja«, stimmte ein Junge mit weitaufgerissenen Augen zu. »Er hat gerufen, daß er aus dem Fenster springt. Und dann ist er gesprungen!«

      In der Ferne hörten wir den Krankenwagen. Zwei Jungen stürzten auf die Straße und hielten nach ihm Ausschau.

      »Bleibt auf dem Bürgersteig«, rief Ina.

      Die große eiserne Hoftür wurde aufgerissen. Bodil, Lennarts Mutter, kam herausgestürzt. Schreiend fiel sie neben der kleinen Gestalt auf die Knie.

      Das Mädchen schmiegte ihr Gesicht an meinen Mantel.

      Die Sanitäter hoben Lennart vorsichtig auf eine Bahre.

      Langsam erhob Bodil sich. In ihren Augen lag ein Ausdruck von tiefer Trauer und schwelender Wut.

      »Ist er tot?« fragte ein schmächtiger blonder Junge.

      Ina und ich tauschten einen Blick.

      »Das wissen wir nicht«, sagte Ina und streichelte seine Wange.

      Wir schauten hinter dem Krankenwagen her.

      Rubina brachte einen Eimer Wasser und spülte das Blut von der Straße.

      »Wie alt ist er eigentlich?« fragte ich.

      »Vier«, seufzte Ina.

      »Ach, großer Gott!«

      Nach der Beerdigung kehrte Bodil zu ihren Eltern nach Bornholm zurück.

      »Sie hält es hier nicht mehr aus«, erzählte Ina. »Deshalb will sie ihre Wohnung kündigen.«

      Einige Tage lang erlebten die Kinder beim Spielen das Unglück immer wieder aufs neue. Ein Bollerwagen war der Krankenwagen. Und auf dem Boden lag eine Puppe. Sie sangen: »Gestern noch ein feiner Knab’, heute schon im kühlen Grab.«

      Am Montag meldete sich Hans Ulrik Berthelsen bei mir.

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