Herz und Totschlag. Aj Sherwood. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Aj Sherwood
Издательство: Bookwire
Серия: Jons übernatürliche Fälle
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948457150
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es sei denn, sie haben keine andere Wahl mehr. Bei unserem Revier hier ist das nicht so – wir werden oft genug dazugeholt. Aber wenn wir offiziell angefordert werden, von Leuten, die normalerweise gar nicht zur Kenntnis nehmen, dass wir existieren? Dann weiß ich, dass es schlimm wird und dass meine Leute vor Ort nicht gut behandelt werden. Manche Reviere betreten wir erst gar nicht, so schlecht ist die Stimmung zwischen uns.«

      »Es kann sogar noch riskanter werden, wenn wir auswärts arbeiten sollen und die Entfernung zu groß zum Pendeln ist, sodass wir in einer anderen Stadt bleiben müssen«, ergänzte ich mit einem flauen Gefühl. »Will ich überhaupt wissen, wer uns angefordert hat?«

      Mit einer Grimasse gab er zurück: »Das Polizeirevier in Clarksville.«

      »Ach du Scheiße«, stöhnte ich auf.

      DONOVAN

      Zugegeben, Jons und Jims Reaktionen beunruhigten mich etwas. Jim war wahrscheinlich der ausgeglichenste Chef, für den ich je gearbeitet hatte. Er regte sich kaum jemals auf, und das wollte etwas heißen, wenn ich an all die Geschichten dachte, die sich hier vor meiner Zeit abgespielt hatten. Und Jon war natürlich der unaufgeregteste Mensch, der mir je begegnet war – wenn sogar er beunruhigt war, dann wollte ich am liebsten gar nicht wissen, was uns bevorstand. »Wir sind also schon mit diesen Typen aneinandergeraten?«

      »Erinnerst du dich an den Fall, von dem Carol dir erzählt hat, als du hier angefangen hast?« Jon fuhr sich durch die Haare und ruinierte damit seine Frisur, während sein Gesichtsausdruck sich verfinsterte. »Der Softwarediebstahl? Das war ein Fall aus Clarksville. Wir müssen bestimmt einmal pro Jahr da hoch, aber die sichern das Gebäude nie ab, wenn ich komme, danach kann man die Uhr stellen.«

      »Und sie verlangen Dinge von ihm, zu denen er überhaupt nicht in der Lage ist«, fügte Jim hinzu. »Dinge, die meine Leute von Rechts wegen gar nicht machen dürfen. Das erste Mal, dass ich da war, habe ich den halben Tag mit deren Rechtsabteilung über Paragrafen gestritten. Die arbeiten so selten mit Kriminalmedien zusammen, dass sie gar nicht genau wissen, wie man sie am besten einsetzt. Aber es wird mit jedem Mal ein bisschen besser, sonst würden wir das überhaupt nicht mehr machen. Und außerdem sind wir leider offiziell dazu verpflichtet, zu kommen, wenn uns ein Polizeirevier anfordert.«

      Garrett hatte aufmerksam zugehört, bemüht, alles zu verstehen. »Ach, ihr habt einen Vertrag mit dem Bundesstaat?«

      »Nein, sogar auf Bundesebene«, korrigierte ihn Jim. »Schon seit ein paar Jahren. Wilson, Sie werden schnell merken, dass wir von der Polizei immer eine von zwei Reaktionen bekommen: Entweder lieben sie uns, oder sie trauen uns nicht über den Weg. Carol wird eher akzeptiert, wahrscheinlich, weil Fähigkeiten wie ihre ab und zu auch im Fernsehen dargestellt werden. Aber Jon? Dem glauben sie erst, wenn er vorführt, dass er in ihnen lesen kann wie in einem Buch.«

      »Und, oh Wunder, sie mögen es meist überhaupt nicht, wenn ein vollkommen fremder Mensch alle ihre Geheimnisse herausposaunt.« Jon rieb sich die Stirn zwischen den Augenbrauen, als würden sich bei ihm Kopfschmerzen anbahnen. »Ich mache mir damit keine Freunde.«

      »Mir hat es nichts ausgemacht«, bemerkte ich.

      »Du, mein sexy Freund, hast ja auch die Geduld eines Engels.« Sein Mund verzog sich zu einem winzigen Lächeln. »Du bist die Ausnahme von der Regel.«

      Das konnte man nicht bestreiten. Ich hatte erlebt, wie die Leute auf Jons Fähigkeiten reagierten. Mich machte das ehrlich gesagt traurig. Wenn ich nur früher von ihm gewusst hätte, wenn ich ihn früher gefunden hätte, hätte ich ihm vielleicht das eine oder andere ersparen können.

      »Also, wenn wir da hinkommen, haben wir in erster Linie ein Auge auf unsere Medien?«, fragte Garrett, der gerade in den Kampfbereit-Modus wechselte: hellwach, alle Antennen auf Empfang, erhöhte Körperspannung. Niemand war so gut darin, Situationen zu erfassen und zu analysieren, wie er – das war einer der Gründe, warum ich ihn gerne an meiner Seite haben wollte. »Dann muss ich mich zuallererst in Ruhe mit euch beiden hinsetzen und mir ein umfassendes Bild davon machen, was genau ihr tut und was ihr von mir braucht. Außerdem, Boss, was ist das denn für ein Fall, für den wir bis nach Clarksville fahren müssen?«

      »Ich habe noch keine Einzelheiten, ich weiß nur, dass die Sache eskaliert ist. Es gibt drei tote Frauen, aber weder Verdächtige noch Anhaltspunkte.« Jim fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er sah jetzt schon gestresst aus. Kein gutes Zeichen. »Zum Glück ist es nicht so weit weg, wir kommen mit dem Auto hin und zurück. Aber für diese Sache brauche ich alle Mann an Deck. Ein Glück, dass ich Sie heute eingestellt habe, denn ohne Tyson habe ich einen Mann zu wenig. Ich gehe mal ein paar Anrufe machen und uns mehr Informationen besorgen. Sie sollten sich schon mal startklar machen.«

      Das bedeutete für uns ein paar Veränderungen, denn wir hatten diese Woche einige Befragungen eingetaktet. Es waren aber nicht allzu viele. Jon dachte offensichtlich das Gleiche, denn er deutete mit dem Kinn auf Garrett. »Du kümmerst dich um ihn. Ich verschiebe die Termine.«

      »Okay.« Ich legte schnell den Arm um ihn und drückte ihn, um den Stress etwas zu absorbieren, und er lächelte mich kurz an. Mir war klar, dass er sich auf die Aufgabe in Clarksville nicht freute, aber bisher hatte er mich dort noch nicht an seiner Seite gehabt. Mit mir als Puffer würde sich die Situation ganz automatisch erträglicher darstellen. Hoffentlich war ihm das klar. Wir konnten das später noch ausführlicher besprechen.

      Jim zog sich in sein Büro zurück, für uns das Zeichen, uns zu zerstreuen. Ich klopfte Garrett auf die Schulter und ging mit ihm zu Shos Höhle auf der anderen Seite des Gebäudes. Unterwegs beugte Garrett sich herüber und raunte mir zu: »Ich kann verstehen, dass du dich so schnell bis über beide Ohren verguckt hast.«

      Ich musste schmunzeln. »Ach ja?«

      »Er ist attraktiv und er sieht dich an, als ob du das Beste seit der Erfindung von geschnittenem Brot bist. Mir würde es garantiert genauso gehen, wenn mich jemand mit so einem Blick anschauen würde.«

      »Es ist unwiderstehlich«, gab ich zu. Wir hatten schon mal darüber gesprochen, als ich ihm erzählt hatte, dass ich jetzt der Anker eines Kriminalmediums war. Aber manche Dinge sind leichter zu verstehen, wenn man sie selbst miterlebt hat. »Und dabei dachte ich immer, euch Pansexuellen ist es egal, wie jemand aussieht.«

      »Pansexuelle betrachten die Person als Ganzes, Alter. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir blind sind«, widersprach er. »Ich steh genauso auf knackige Ärsche wie alle anderen.«

      Es machte immer noch Spaß, ihn aufzuziehen – seine Reaktionen waren so lustig. »Aber eigentlich spielt das keine Rolle, oder? Du findest die Seele und das Herz und all so was attraktiv. Hast du mir zumindest mal so erklärt. Es klang fast schon poetisch. Aber das kann natürlich am Bier gelegen haben. Du warst ganz schön hacke.«

      »Havili. Wenn du dich prügeln willst, ist das überhaupt kein Problem.« Er schielte zu mir hoch und versuchte, ernst zu bleiben, aber in seinen Augen blitzte der Schalk. »Mir ist klar, dass ich in den letzten drei Jahren zu weit weg war, um dir den Arsch zu versohlen, sodass du vielleicht Entzugserscheinungen hast – aber wenn du Schmerzen fühlen willst, dann bin ich dir da gerne behilflich. Du brauchst es nur zu sagen.«

      »Ich bin hunderprozentig sicher, dass unsere letzte Prügelei ganz anders ausgegangen ist.« Auch ich war bemüht, ernst zu bleiben. »Ich meine mich zu erinnern, dass ich dich im Schwitzkasten hatte und dass du um Gnade gebettelt hast.«

      »Siehst du, das ist ein weiteres Anzeichen dafür, wie alt du bist. Dein Gedächtnis lässt dich im Stich.«

      Ich blieb vor Shos Tür stehen und schlug beiläufig vor: »Warum nehmen wir uns nicht ein bisschen Zeit, suchen uns ein paar Matten und klären das auf die altmodische Weise?«

      »Nur wenn ihr versprecht, das mit freiem Oberkörper zu machen, und wenn ich als Publikum eingeladen bin«, sagte Sho, der sich in seinem Bürostuhl umdrehte, um uns anzusehen. »Das klingt nach ausgezeichneter Unterhaltung, obwohl ich den Herrn hier noch nicht kenne.«

      Unser IT-Mann vom Dienst trug wie immer einen