Donovan brummte zustimmend. Mein extrem geduldiger Partner war heute ausnahmsweise selbst am Ende seines Geduldsfadens angekommen. Wir hatten acht Tage am Stück durchgearbeitet, und das alles nur wegen zweier Idioten, die sich gegenseitig mehrfach betrogen und damit einen Welleneffekt ausgelöst hatten, der letztendlich zu vier Morden geführt hatte. Das Ganze aufzuklären, war so ähnlich gewesen wie eines dieser sauschweren Rätselspiele aus Metallringen, die Psychiater ihren Patienten manchmal zu lösen geben. Die hochschlagenden emotionalen Wogen bei allen Beteiligten hatten die Sache zusätzlich erschwert. Ich war mehrfach angeschrien worden, und das konnte Donovan nicht gut aushalten. Natürlich hatte er nach außen ganz gelassen für Ruhe gesorgt, aber es hatte ihm gehörig zugesetzt.
Wir brauchten beide eine Auszeit, Entspannung, vielleicht eine Runde heißen Sex, um Dampf abzulassen – aber daraus würde heute Abend nichts werden, denn wir erwarteten Besuch.
Wir waren schon auf halbem Weg zum Auto, als ich stutzte und meine Hosentaschen abtastete. Oh nein. Da fehlte etwas.
Donovan blieb stehen, aufmerksam wie immer. »Was ist denn? Hast du was vergessen?«
»Die Schlüssel, glaube ich«, gab ich zurück, während ich beide Hände in den Hosentaschen vergrub. Nada. »Verdammt. Ich habe sie, glaube ich, auf dem Schreibtisch liegen lassen.«
Er streichelte kurz meine Schulter und machte kehrt. »Lass nur. Ich gehe sie holen.«
Hoffentlich lagen sie auch wirklich auf dem Schreibtisch. Eine Suchaktion war so ziemlich das Letzte, wonach mir der Sinn stand. Wir waren so oft zwischen Agentur und Polizeirevier hin- und hergefahren – sie konnten wer weiß wo liegen. Aber nein, ich war ja auch hierhergefahren, die Schlüssel mussten also da sein.
Es war ganz klar: Ich war erschöpft.
Mit einem tiefen Seufzer ließ ich den Kopf in den Nacken fallen. Ich hatte mir selbst versprochen, den Fall abzuschließen und dann sofort Donovan nach Hause zu schleppen und ihn um den Verstand zu vögeln. Aber ehrlich gesagt war ich gar nicht mehr sicher, ob ich das noch in mir hatte – vor allem, da wir erst zu ihm fahren und eine Tasche für ihn packen mussten. Und das bedeutete eine weitere Verzögerung, bevor wir endlich nach Hause kämen.
Nun ja, genau genommen war es mein Zuhause, nicht Donovans. Und damit waren wir auch schon beim derzeit ständig wiederkehrenden Diskussionspunkt in unserer Beziehung. Ernsthaft, kaum hatten wir ein Problem gelöst, musste gleich das nächste sein hässliches Haupt erheben. Donovan wollte nichts lieber, als bei mir einzuziehen. Ich sah es jedes Mal, wenn wir darauf zu sprechen kamen. Noch schlimmer, ich bekam von allen Seiten Druck deswegen. Keiner konnte verstehen, warum wir so zögerlich waren. Wir waren jetzt seit vier Monaten zusammen, und wir kamen spektakulär gut miteinander klar.
Das Problem war ich. Meine tief sitzende Verunsicherung ließ mir die Worte im Hals stecken bleiben, jedes Mal, wenn ich ihn fragen wollte. Ich hatte mit angesehen, wie es bei meinen Eltern gelaufen war: zusammenkommen, sich trennen, neue Beziehungen eingehen, nur um die auch wieder zu zerstören. All das wollte ich uns einfach nicht antun. Ich würde mich nicht kopflos in etwas hineinstürzen und dann einfach hoffen, dass alles schon klappen würde, nur weil Donovan mein Anker war. Wir waren zwar ganz andere Menschen, und das war mir auch durchaus bewusst – Donovan war noch nicht mal ansatzweise mit meinem Vater oder Rodger zu vergleichen. Ich hatte einfach nur Angst, die Worte laut auszusprechen.
Mit einem weiteren Seufzer lehnte ich mich gegen den Humvee. Das musste unbedingt aufhören. Wie das gehen sollte, wusste ich noch nicht genau, aber wenn Donovan und ich eines gut konnten, dann kommunizieren. Wahrscheinlich, weil wir uns beide Mühe damit gaben. Wir mussten uns in Ruhe hinsetzen und darüber sprechen. Vielleicht konnte ich all meinen Mut zusammenkratzen, nachdem sein Freund wieder abgereist war.
Ich schaute auf die mechanische Armbanduhr, die mein sexy Freund mir geschenkt hatte, und fluchte leise vor mich hin. Donovans alter Army-Kamerad und bester Freund im ganzen Universum, Garrett, hatte sich für ein paar Tage angekündigt. Heute Abend würde er ankommen – in einer Stunde, um ganz genau zu sein.
Donovan freute sich riesig. Obwohl die beiden sich so nahe standen wie Brüder, hatten sie sich schon eine ganze Weile nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gesehen. Seit fast drei Jahren, wie ich gehört hatte. Donovan war am Ende dann doch nicht als Kriminalberater bei der Psy eingestiegen, also war die Stelle nach wie vor nicht besetzt, und Garrett hatte diese Woche sein Bewerbungsgespräch für den Job. Ich spürte, dass Donovan Garrett nicht nur gern wieder in seiner Nähe haben wollte, sondern sich auch darauf freute, wieder mit ihm zusammenzuarbeiten.
Allerdings lag da irgendetwas in der Luft. Auf Donovans Energiebahnen schwang in Bezug auf Garrett etwas mit, das ich nicht so recht deuten konnte. Es war keine Lust und auch kein romantisches Interesse – eher so etwas wie eine Erinnerung. Ein Schatten, der an etwas Tieferes, Intimeres als eine normale Freundschaft erinnerte. Donovan hatte keinerlei Andeutung gemacht, dass da jemals mehr gewesen war, und er hatte viele Geschichten von Garrett erzählt. Und dennoch …
»Du Psychopath!«, brüllte plötzlich eine wütende Männerstimme.
Erschrocken zuckte ich zusammen, fuhr herum und hob automatisch die Arme zur Verteidigung. Ein Mann – verdammt, das war Adams, der betrogene Ehemann vom letzten Fall. Sein Gesicht war fast schon lila vor Zorn, und seine Wut vibrierte wie eine rote Wand auf den Meridianen. Ihm standen die Haare zu Berge, als hätte er sie sich wiederholt gerauft, und er hielt einen Baseballschläger umklammert.
»Shiiiit.« Adrenalin durchströmte mich. Der Anblick des Mannes verriet mir, dass er vielleicht drei Sekunden davor war, zuzuschlagen, denn er schwang schon den Schläger über dem Kopf wie ein Samurai-Krieger. Man würde nicht vernünftig mit ihm reden können; in ihm tobten Schmerz und Wut, sonst nichts. Trotz des intensiven Selbstverteidigungstrainings, das ich in letzter Zeit absolviert hatte, hatte ich keine Ahnung, wie ich mich gegen einen Baseballschläger wehren sollte. Ich hatte nichts außer meinen bloßen Händen.
Also tat ich das einzig Vernünftige in dieser Situation. Ich holte tief Atem und rief, so laut ich konnte: »DONOVAN!«
Adams fletschte die Zähne und schoss mit Gebrüll auf mich zu.
Und ich? Ich rannte los.
Ich sauste um den Humvee herum und verfluchte mich dafür, dass ich ihn vorhin abgeschlossen hatte. Wie gerne hätte ich mich jetzt ins Auto geflüchtet. Ich konnte Adams hinter mir hören, schnaubend wie ein wütender Stier, dann das hohe, metallische Kreischen, als er auf das Fahrzeug einschlug. Es klang nicht so, als habe er absichtlich zugeschlagen, eher wie ein Versehen, als ob er in seiner Hast ungeschickt dagegengestoßen wäre. Ich wagte aber nicht, mich umzudrehen – das würde mich ausbremsen, und gerade war er mehr als motiviert, mich einzuholen.
In vollem Tempo umrundete ich das Gebäude und hielt direkt auf die Agentur zu. Die Hintertür war nicht aus Glas, sondern massiv – dort würde ich eine Chance haben, mich in Sicherheit zu bringen.
Ich war noch mitten im Sprint, als ich Donovan aus der Tür stürmen sah. Er hatte im Sekundenbruchteil die Situation erfasst, und ich konnte die Verwandlung vom freundlichen Teddy zum gereizten Grizzlybären beobachten. Er raste an mir vorbei und bellte: »Rein mit dir!«
Ich gehorchte nur allzu gern und rannte aus Leibeskräften weiter, fest entschlossen, Hilfe zu holen, sobald ich ein sicheres Telefon erreicht hatte. Ich knallte so fest gegen die Tür, dass sie erzitterte, stieß sie auf und rief Sho, den ich aus dem Augenwinkel aus seinem Büro kommen sah, zu: »Ruf die Polizei! Adams ist draußen auf dem Parkplatz, mit einem Baseballschläger!«
»Verdammte Scheiße«, zischte Sho und zog schon sein Handy aus der Tasche.
Okay, gut, Hilfe war also unterwegs. Ich wirbelte herum, fing die Tür ab und hielt sie halb geöffnet. Ich wusste, dass ich sie eigentlich hinter mir schließen sollte, aber ich wollte sehen, ob Donovan Adams überwältigt hatte oder nicht. Na ja, ich konnte eigentlich sicher sein, dass er ihn außer Gefecht gesetzt hatte, aber hoffentlich auch, ohne sich dabei wehzutun.
In den zehn Sekunden, die ich nicht hingeschaut hatte, war es Donovan gelungen, dem Wüterich den