Seine freudige Erregung war plötzlich etwas gedämpft. Er schaute achselzuckend weg. »Eine Sache, die man bei der Army anerzogen bekommt, ist, dass nie ein einzelner Mann der Dreh- und Angelpunkt sein sollte. Jeder ist ersetzbar. Babe, ich weiß, dass ich als dein Anker entscheidend für deine geistige Gesundheit bin, versteh mich bitte nicht falsch. Es ist nur so: Wenn mal etwas schiefläuft, will ich sicher sein können, dass du noch eine weitere Person hast, auf die du dich verlassen kannst. Garrett hat mir so oft den Arsch gerettet, dass ich es kaum zählen kann, und er ist genau der umsichtige Mann, den du an deiner Seite brauchst, wenn mir mal etwas zustoßen sollte.«
Tief einatmen. Tief ausatmen. Ich zügelte mein Temperament, denn intellektuell verstand ich schon, was er meinte. Doch alles, was er sagte, war mir zuwider. Er wollte mich nicht schutzlos zurücklassen, für den Fall, dass etwas Schlimmes geschah. Die Kollegen bei der Psy waren ihm noch nicht so vertraut, aber Garrett kannte er, und er konnte einschätzen, wie er reagieren würde. In seinen Augen waren das zwei Fliegen mit einer Klappe. Er würde seinen Freund wiederhaben und gleichzeitig eine wichtige Versorgungslücke schließen.
»Die Vorstellung gefällt dir nicht«, stellte er fest; sein Blick war wachsam.
Ich legte den Rasierer aus der Hand, denn ich wollte mir im Moment lieber nichts Scharfes an die Kehle halten. »Mir gefällt nicht, dass du es als gegeben hinnimmst, dass früher oder später die Kacke am Dampfen sein wird, und zwar so sehr, dass du dabei verletzt werden könntest. Mir gefällt nicht, dass du dich schon so sehr damit abgefunden hast, dass du einen weiteren Sicherheitsmann für mich einplanst. Ich kenne deine Geschichte zwar gut genug, um zu verstehen, warum du diese Entscheidungen triffst, und ich werde dir auch nicht widersprechen. Aber die Vorstellung, dass dir etwas passieren könnte, die gefällt mir überhaupt nicht.«
Er kam ins Bad zurück, legte mir die Hände um die Taille und gab mir einen sanften Kuss auf die Schläfe. »Ich verspreche dir, es zu vermeiden, so gut ich kann.«
Einen Moment lehnte ich mich mit geschlossenen Augen an ihn, genoss die solide Wärme in meinem Rücken und versuchte, mich wieder zu fangen. Vor mir selbst konnte ich durchaus zugeben, dass das, was mich wirklich aufregte, etwas ganz anderes war. Er hatte das alles beschlossen, ohne mit mir darüber zu sprechen. Andererseits waren wir noch nicht so lange ein Paar, dass ich es ihm zum Vorwurf machen konnte. Es waren gerade mal vier Monate, also mussten wir uns erst angewöhnen, alles miteinander abzustimmen. Donovan war zwar älter, aber er hatte bisher nur schlechte Erfahrungen mit Beziehungen gemacht. Wir waren noch dabei, unsere beiden Leben miteinander in Einklang zu bringen. Sosehr ich den Impuls verspürte, ihm deswegen Vorwürfe zu machen: Ich war schlau genug, es nicht zu tun.
»Donovan.« Mit einem tiefen Seufzer suchte ich nach den richtigen Worten. »Ich verstehe, wie du denkst, oder zumindest glaube ich, dass ich das tue. Vielleicht kannst du das nächste Mal einfach früher etwas dazu sagen?«
»Ich habe dich vor vollendete Tatsachen gestellt«, stellte er trocken fest.
»Ein bisschen schon, ja.«
»Entschuldige«, seufzte er und kuschelte sich so an mich, dass er meinen Oberkörper ganz umfangen hielt. »Das ist eine Berufskrankheit, weißt du? Außerdem freue ich mich darauf, wieder mit ihm zusammenzuarbeiten.«
»Jaja, das hatte ich schon mitbekommen«, antwortete ich mit einem Augenrollen. »Was ich nicht verstehe, ist, warum du es jetzt so eilig hast. Es ist ja nicht so, als müsste ich bei dem Gespräch dabei sein.«
Er hob überrascht den Kopf, sodass sich unsere Blicke wieder im Spiegel trafen. »Nein?«
Meinerseits verwundert, legte ich den Kopf schief. »Äh, nein. Wie kommst du denn darauf, dass ich dabeisitze?«
»Weil es bei meinem Vorstellungsgespräch so war?«, antwortete er mit hochgezogenen Augenbrauen.
Oh. Richtig. Na gut, so gesehen war das eine berechtigte Vermutung. »Nein, Babe. Das mache ich sonst nie. Ich bin damals nur reingegangen, um einen Blick auf dich zu erhaschen, weil du den anderen so unheimlich warst. Ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht mehr daran erinnern, wie ich in Jims Büro gekommen bin, so instinktiv lief das Ganze. Ich weiß nur noch, dass ich dich behalten wollte, also musste ich handeln.«
»Ach so. Na ja, dann haben wir es natürlich nicht eilig.« Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er ließ mich los und trat wieder auf den Flur hinaus, damit ich mich weiter rasieren konnte.
Ich sah ihm an, dass er den restlichen Tag vor sich hin schmollen würde, wenn ich nichts unternahm. Anscheinend hatte er seinen Plan davon abhängig gemacht, dass ich seinem Freund eine Fünf-Sterne-Empfehlung aussprach. Kopfschüttelnd drehte ich mich um und zeigte auf seine Hosentasche. »Ruf mal Carol an.«
Überrascht, aber wieder hoffnungsvoll zog er sein Handy aus der Schutzhülle, rief unsere Kollegin an und stellte den Anruf auf Lautsprecher. Es klingelte dreimal, dann nahm sie ab. »Hey, Donovan.«
»Hey, Carol, ich bin’s.« Ich sprach etwas lauter, damit sie mich gut hörte. Im gekachelten Badezimmer hallte meine Stimme merkwürdig wider. »Kannst du mir bitte einen Gefallen tun? Heute früh bewirbt sich jemand als Kriminalberater. Kannst du ihn dir mal ansehen und Jim deinen Eindruck von ihm mitteilen?«
Sie schwieg einen Augenblick nachdenklich. »Wozu das denn?«
»Um Donovan zu erlösen«, antwortete ich mit einem Augenzwinkern. Er strahlte mich an. »Der Mann ist ein guter Freund von ihm.«
»Also kannst du nicht für ihn bürgen, damit es nicht nach Vetternwirtschaft aussieht«, fasste Carol mit einer Spur Sarkasmus zusammen. »Und darum soll ich mich jetzt in aller Herrgottsfrühe beeilen.«
»Mir ist schon klar, dass Aurenlesen nicht deine Stärke ist, aber einen brauchbaren Eindruck bekommst du doch auch. Mehr braucht Jim gar nicht.«
»Jaja, schon gut. Donovan, du schuldest mir ein Mittagessen.«
»Es wird mir ein Vergnügen sein«, versicherte er ihr strahlend.
»Du hast Glück, dass du so ein lieber Kerl bist. Okay, ich beeile mich. Wann ist denn das Gespräch?«
»Halb neun.«
»In zwanzig Minuten also. Ein bisschen mehr Vorlauf konntet ihr mir nicht geben?«, nörgelte sie gutmütig, aber ich konnte hören, dass sie sich fertig machte.
»Seine Schuld, nicht meine. Danke, Carol. Bis später!« Ich bedeutete Donovan, aufzulegen.
Das tat er, dann beugte er sich zu mir herunter und gab mir einen dicken Kuss auf die Stirn. »Danke.«
»Du hast Glück, dass du so ein lieber Kerl bist«, wiederholte ich Carols Worte, dann scheuchte ich ihn aus dem Bad. »Und wenn du möchtest, dass wir da irgendwann vor zehn Uhr aufschlagen, dann solltest du mich jetzt mit dem Rasieren weitermachen lassen.«
Er verschwand sofort und rief mir noch zu: »Ich mache dir einen Kaffee zum Mitnehmen, okay?«
Dieser Mann. Was sollte man nur mit so viel Energie anfangen?
* * *
Um fünf nach halb neun waren wir im Büro, etwas später, als es Donovan lieb gewesen wäre. Das Vorstellungsgespräch lief bereits. Carol kam uns entgegen, die Miene zu einer schwer zu deutenden Grimasse verzogen. Auf ihren Meridianen blitzte es aber neugierig und zufrieden – eine interessante Mischung, gelinde gesagt. Dass sie unter Zeitdruck aus dem Haus geeilt war, sah man ihr nicht an – kein Härchen lag nicht wohlfrisiert an seinem Platz, und ihr Make-up akzentuierte perfekt ihre großen braunen Augen.
Sie trank einen großen Schluck Kaffee, um Donovan hinzuhalten, der neben mir fast platzte vor Neugier. Dann zwinkerte sie mir zu und bemerkte: »Es macht richtig Spaß, ihn so aufzuziehen!«
»Da sagst du mir nichts Neues«, entgegnete ich grinsend. »Ich hätte gar nicht gedacht, dass es etwas gibt, das ihn dermaßen aus der Ruhe bringt. Aber jetzt musst du aufhören, sonst haut es ihn