Mit ein paar langen Schritten hatte er meinen Lover erreicht, dann fielen die beiden sich in die Arme und drückten sich ausgiebig, bis Garrett sich schließlich auf die Fersen zurücksinken ließ. Ich hatte drei volle Sekunden, um zu beobachten, wie sie aufeinander reagierten, und da hatte ich auch meine Antwort auf die drängende Frage, ob die beiden mehr als nur Freunde gewesen waren: Sie waren hunderprozentig mal zusammen gewesen.
Obwohl – nein, das war nicht ganz richtig. Ich runzelte die Stirn und versuchte, die Energiebahnen klarer zu lesen. Sex. Das war es, was sie verbunden hatte. Ganz ohne emotionale Bindung. Keine Beziehung also. Vielleicht Freunde mit Vorzügen? Garrett war pansexuell, das war also durchaus denkbar.
Ich war ein bisschen unsicher, wie ich mich dabei fühlen sollte. Aber das war jetzt kaum der richtige Zeitpunkt dafür, mich ausführlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Der heutige Abend stand im Zeichen des Wiedersehens, und wir waren hier zum Essen eingeladen. Daher setzte ich eine neutrale Miene auf, als Garrett sich erwartungsvoll zu mir umwandte. »Du bist also der berühmte Garrett Wilson.«
Garrett zuckte die Achseln und grinste. »Na, berühmt vielleicht nicht – aber ich bin es auf jeden Fall.« Er schüttelte mir kräftig die Hand, und ich spürte Schwielen, ähnlich wie an Donovans Händen. »Ich freue mich sehr, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen.«
»Gleichfalls.« Ich stockte und starrte dann mit wachsender Panik sein Handgelenk an. »Bitte sag mir, dass das keine teure Uhr war …«
»Ach, Mist«, sagte Donovan im gleichen Moment, den Blick ebenfalls auf die Uhr geheftet, die keine fünf Zentimeter von meiner Hand entfernt war.
»Äh, nein?« Garrett ließ meine Hand los und drehte sein Handgelenk mit der schwarzen Armbanduhr daran um. »Danke also, dass du sie gerade ruiniert hast.«
Na, das war ja ein toller erster Eindruck. »Entschuldige. Ich ersetze sie natürlich.«
Garrett grinste mich mit blitzenden Augen an. »Lass mal, ich bin ja selbst schuld. Es ist nicht so, dass Donovan mich nicht vorgewarnt hat, wie das mit dir und der Elektronik so ist. Es war eine billige Uhr, kein großer Verlust. Aber – du bist wirklich so gefährlich für elektronische Geräte? Obwohl ihr verankert seid?«
»Einen Anker zu haben, hat sich darauf fast gar nicht ausgewirkt«, seufzte ich. »Leider.«
»Außerdem hast du einen langen Tag gehabt«, tröstete mich Alani, die sich sofort auf meine Seite schlug. Wieso konnte diese Frau nicht meine Mutter sein? »Na komm schon, lasst uns essen, bevor alles kalt wird. Erzähl uns, was heute los war. Wieso ist dieser Mann auf dich losgegangen?«
Ich antwortete nach bestem Wissen, obwohl ich mich etwas benebelt fühlte und einen leichten Kopfschmerz verspürte. Wahrscheinlich, weil ich unterzuckert war und zu wenig getrunken hatte. Ich ging auf den Tisch zu und begrüßte Kanye: »Hallo.«
»Selber hallo«, gab er zurück. Donovans Vater sah so aus, als ob er sich sehr wohlfühlte in seinem bequemen Sessel, mit einem vollen Haus. »Setz dich und iss.«
»Mit Vergnügen.« Ich erzählte weiter, während wir alle unsere Teller füllten.
Donovans Eltern wirkten aufgebracht und besorgt, aber Garrett hatte den gleichen abschätzenden Blick wie Donovan, wenn die Gefahr bestand, dass eine Situation gleich aus dem Ruder laufen würde. Er ließ mich ausreden, dann beugte er sich vor und fragte ernst: »Bane. Jetzt mal ehrlich. Wie oft passieren dir solche Sachen?«
»Viel zu oft«, murmelte Alani grimmig.
»Vielleicht einmal im Monat?« Ich zuckte zusammen, dann hob ich die Hände und lächelte verlegen. »Es geht auch gar nicht immer nur um mich. Meine Kollegin Carol bringt auch jede Menge gefährliche Jungs hinter Gitter. Wir versuchen ja, die Agenturadresse geheim zu halten, aber leider müssen wir bei den Vernehmungen immer unsere Namen nennen, und auch die Lizenznummern und den Namen der Agentur. Damit wissen die Verbrecher so ziemlich alles, was sie wissen müssen, um uns später abzupassen.«
Garrett sah so aus, als hätte ich ihm gerade das letzte Stück zu einem Puzzle in die Hand gedrückt. Donovan und er wechselten einen so vielsagenden Blick, wie es nur Leute können, die sich schon ewig kennen. Ich gab mir wirklich große Mühe, nicht eifersüchtig zu werden. »Okay, Mann. Langsam verstehe ich, warum du mich angerufen hast. Ich kann nur hoffen, dass euer Chef mich mögen wird.«
»Darauf trinke ich.« Donovan hob sein Bier und stieß mit Garrett an.
»Ich will mich aber nicht darauf verlassen«, fügte Garrett hinzu, nachdem er getrunken hatte. »Ich habe nächste Woche noch ein anderes Vorstellungsgespräch.«
»Sehr gut«, lobte Kanye. »Und wo wohnst du?«
»Na ja, Donovan sagte, ich könnte bei ihm bleiben, bis ich etwas Eigenes gefunden habe. Bane hat mir auch sein Gästezimmer angeboten, aber ich denke, ich wohne lieber in Donovans Haus, damit die beiden Turteltäubchen ihre Privatsphäre haben«, erwiderte Garrett mit einem Augenzwinkern. »Ich habe schon ein paar Besichtigungstermine für Wohnungen in meiner Preiskategorie. Ich dachte, ich nutze die Zeit zwischen den Bewerbungsgesprächen für die Wohnungssuche.«
Alle gaben sich große Mühe, mich nicht anzusehen, während er sprach. Das brauchten sie auch gar nicht. Donovan war fast fertig mit der Renovierung des Hauses, das er von seiner Großmutter geerbt hatte. Noch ein paar Kleinigkeiten, vielleicht zwei Monate, wenn er nur am Wochenende daran arbeitete, dann war das Haus so weit. Logistisch wäre es am sinnvollsten, wenn er danach zu mir zog. Ich wusste es. Alle anderen wussten es auch.
War ich emotional bereit für diesen Schritt? Null.
»Ich bin sehr zuversichtlich, dass du eingestellt wirst«, sagte Donovan in die Stille hinein. »Es ist wirklich ein gutes Arbeitsklima. Die Leute sind super.«
Garrett griff nach seinem Glas. »Das dachte ich mir, wenn sie es euch beiden so leicht gemacht haben. Keine Homophobie dort, hm?«
»Nein«, bestätigte ich, erleichtert über die Wendung, die das Gespräch nahm. »Ich bin noch nicht mal der einzige schwule Mann. Der andere ist unser IT-Fachmann, Michael Sho.«
»Sie sind alle supernett und aufgeschlossen«, bekräftigte Donovan. »Kann ich bitte mal das Hühnchen haben, Mom? Danke. Garrett, wann sollst du vorbeikommen?«
»Gleich Mittwoch früh. Ihr kennt euren Chef ja am besten. Wonach sucht er denn genau?«
Aufgrund des Interessenkonflikts konnte ich Jim schlecht bitten, Garrett einzustellen. Dafür konnte ich Garrett jede Menge Tipps für das Gespräch geben. Während Donovan und ich ihn darauf vorbereiteten, nahm ich mir vor, bei nächster Gelegenheit herauszubekommen, wie das zwischen den beiden eigentlich gewesen war. Ich bezweifelte keine Sekunde, dass Donovan bis über beide Ohren in mich verliebt war, aber wenn Probleme drohten, wollte ich lieber jetzt Bescheid wissen und sie direkt im Keim ersticken.
KAPITEL 2
JON
»Bist du dann bald fertig?«, fragte Donovan neben mir. Er wippte ungeduldig auf den Zehenspitzen und schien es sehr eilig zu haben, mich zur Tür hinauszubugsieren.
Mein Gesicht war immer noch halb mit Rasierschaum bedeckt, also warf ich ihm einen entnervten Blick zu und ließ den Rasierer sinken. »Sehe ich aus, als wäre ich fertig? Und wozu eigentlich die Eile? War vielleicht irgendeine Substanz in deinem Power-Riegel, von der ich wissen sollte?«
»Heute ist doch Garretts Vorstellungsgespräch«, gab er zurück, schon mit einem Fuß zur Tür hinaus und drauf und dran, die Treppe hinunterzustürmen.
Ah, richtig. Heute war Mittwoch. Gestern war so viel los gewesen, dass ich dieses Detail ganz vergessen hatte. Ich beschloss, meinen Lover ein bisschen aufzuziehen, während ich mich fertig rasierte. »Du hast ihn bestimmt nur vorgeschlagen, weil du deinen Freund wieder um dich haben willst.«
»Ja, klar. Aber davon abgesehen kann Garrett diesen