Im Augenblick umschwirrte ihn ein Fragengewirr.
»Es ist die Persönlichkeit des Leiters der Gesellschaft, es ist jener Mr.
Rouse, der mich nicht aufatmen läßt. Seine sprichwörtliche Skrupellosigkeit … diese geradezu zur Schau getragene Indifferenz bei den Kongreßberatungen … Die Äußerung des Kapitäns Wesserton, der mit mir die Kontrollreise machte – er ist mir seit langem persönlich bekannt und machte mir seine Mitteilungen unter vier Augen im Vertrauen –, daß die besten Meßmethoden raffinierte Nebenschaltungen nicht aufdecken könnten … das alles, meine Herren, läßt mich nicht zur Ruhe kommen.«
Die Spannung der Versammlung machte sich gewaltsam Luft.
Stimmengewirr. Erregte Fragen und Ausrufe. Für und wider. Gelassen, mit leichtem Achselzucken ließ Uhlenkort die Flut abebben.
»Den Vorwurf des Pessimismus, den mir manche von Ihnen gemacht haben, will ich gern auf mich nehmen, ich bin auch bereit, Mr. Rouse alles abzubitten, wenn …«
Eine Stunde später saß der Staatspräsident mit seinem Neffen zusammen. Noch einmal hatten sie die Lage besprochen. Dann hatte Uhlenkort über sein Zusammentreffen mit Christie berichtet.
Die Affäre in Valparaiso … die Abreise Christies dorthin mit weitgehenden Vollmachten. Ruhig hatte er die erregten Einwendungen seines Oheims angehört. Mit den Worten: Sie ist eine Harlessen, eine echte Harlessen, hatte er den Oheim schließlich gewonnen und war schließlich mit den Worten gegangen: »Deine Telegramme erreichen mich für die nächsten Tage in Spitzbergen.«
Der Tag der Sprengung war gekommen. Um elf Uhr vormittags sollte der elektrische Funke, von Washington ausgesandt, die Minen zur Explosion bringen. Es lag in der Natur des amerikanischen Volkes, daß ein solches Ereignis auch äußerlich feierlichen Ausdruck fand.
Was da geschehen konnte, war geschehen.
Zuerst der Akt der Sprengung selbst. Nach jenem geschichtlichen Vorbild der Sprengung des Höllentors im New Yorker Hafen sollte er vor sich gehen. Ein Drücken eines Kontaktknopfes durch den Repräsentanten der amerikanischen Nation, den Staatspräsidenten, sollte die Sprengung bewirken.
Die Betätigung des Kontaktes mußte die Gewalt der Explosion entfesseln. Die feierliche Handlung sollte im Hause der New Canal Company in Washington vor sich gehen. Der Staatspräsident Parker mit den übrigen Mitgliedern der Regierung war zu diesem Zweck in der zehnten Vormittagsstunde vom Weißen Haus herübergekommen.
Eine ungeheure Spannung lag über ganz Amerika … über der ganzen Welt. Der große Hauptsender der New Canal Company war in den letzten Wochen um hundert Kilometer von der Kanaltrasse weg nach Westen verlegt worden. Aber Hunderte von Leitungen führten von ihm bis zur eigentlichen Sprengzone und waren dort mit ebenso vielen Mikrofonen verbunden. Der Donner der Explosion mußte die Membranen dieser Apparate erschüttern, mußte auf diesem Wege die große Sendestation steuern. Die Millionen Radio- und Fernsehgeräte der Welt waren in der kritischen Zeit auf die Wellenlänge der Kanalstation eingestellt. In allen Städten, an allen Verkehrspunkten waren Riesenlautsprecher aufgestellt.
In allen Großstädten war von elf Uhr fünfundfünfzig Minuten bis zwölf Uhr fünf Minuten eine Verkehrspause angeordnet, um Unfälle zu vermeiden.
Ein Moment, wahrhaft historisch! Denn tatsächlich mußte diesmal das ganze Erdenrund gleichzeitig Zeuge eines weltbewegenden Vorgangs werden.
In den Staaten war die Erregung besonders groß. Sie stieg von Stunde zu Stunde. Schon lange vor dem Beginn der Verkehrspause ruhten alle Hände. Je näher die bedeutungsvolle Minute heranrückte, desto mehr verstummte jegliches Geräusch … jeder Alltagslärm. Alle Sinne waren auf das Kommende gerichtet.
»Noch fünf Minuten!« Der Staatssekretär des Äußeren hatte es mit einem Blick auf die astronomische Uhr gesagt. Einen Augenblick schwieg alles. Die Augen flogen zu dem Präsidenten, der in ein Gespräch mit Guy Rouse vertieft war. Er drehte sich um.
»Ja! Jawohl! Meine Herren … es ist soweit …«
Geleitet von Guy Rouse trat er zu dem Tisch unter der Uhr. Ein kleiner goldener Knopf harrte dort des Druckes. Alle Augen hingen an den Zeigern der Uhr. Elf Uhr neunundfünfzig Minuten. Die Blicke folgten dem Sekundenzeiger. Alle Anwesenden drängten zusammen.
Fünfundfünfzig Sekunden … neunundfünfzig Sekunden …
Guy Rouse nickte dem Präsidenten zu. Ein Zucken ging durch Austin Parkers Gestalt. Seine Augen flogen zu Guy Rouse. Eine Sekunde des Zögerns. Die Hand fuhr zum Knopf.
Ein Druck darauf!
Mit kurzem Aufatmen trat er zurück. Ehe noch ein Menschenwort die Stille gebrochen, erfüllte ein brüllender Schrei den Raum. Der Lautsprecher heulte auf, überschrie sie, ließ alle zusammenfahren.
Tobendes Krachen unaufhörlich! Machtlos jede Menschenstimme dagegen.
Unbeschreiblich die Szenen, die das Krachen der Explosion auf Straßen und Plätzen auslöste. In das Heulen der Sirenen, in den Klang der Glocken, die von allen Türmen schwangen, mischte sich das Jubeln und Schreien der Menge. Im Wettstreit damit das Brüllen von Tausenden und aber Tausenden von Lautsprechern.
Die Fernsehgeräte zeigten nur eine ungeheure Staubwolke, so daß zunächst niemand wußte, was tatsächlich geschehen war. Ein Hexensabbat … ein dämonischer Chor aller Töne, deren Menschen- und Naturstimmen fähig sind. Nur langsam ebbte die Flut ab. Stunden vergingen, bis das Leben wieder den gewohnten Gang zeigte.
Die Morgensonne des fünften April lag strahlend auf den Wäldern und Bergen der Landenge von Panama. Der Morgen jenes bedeutungsvollen Tages, an dem menschliche Tatkraft und menschlicher Erfindungsgeist dem Weltverkehr einen neuen Weg eröffnen wollten, die Fluten zweier Weltmeere in breiter Front zusammenströmen sollten.
Die Patrouillenflugzeuge der nordamerikanischen Wehrmacht umsäumten die ganze Kanalroute von Panama im Südosten bis nach Colon im Nordwesten. Seit den frühesten Morgenstunden waren über der fünfundsiebzig Kilometer langen Kanallinie fünfhundert Regierungs-Flugzeuge stationiert und hatten von Stunde zu Stunde einen immer schwereren Stand gegen die allmählich unabsehbar werdende Menge der Flugzeuge, die aus allen Teilen der Welt hier zusammenkamen.
Da waren die gigantischen Passagiermaschinen von New York, Chikago und San Francisco, von denen jedes einzelne mehrere tausend Schaulustige an Bord hatte, die nach Hunderten zählenden Flugzeuge der südamerikanischen Verkehrslinien, die heute sämtlich nur das eine Ziel hatten: den Kanal.
Indes, diese großen, dem öffentlichen Verkehr dienenden Flugzeuge machten den Wachmaschinen am wenigsten Arbeit. Ihre Kapitäne hielten sich mehr an die vorsichtigen Weisungen ihrer Fluggesellschaften als an die stürmischen und oft recht unvernünftigen Wünsche der Passagiere. So folgten sie auch strikt den Anordnungen der Regierungsflugzeuge, fünfzehn Kilometer seitlich von der Kanalroute in wenigstens acht Kilometer Höhe zu bleiben.
Viel schlimmer waren die so überaus zahlreichen Privatflugzeuge mit Foto-, Film- und Fernsehreportern der ganzen Welt an Bord. Die kümmerten sich um keine Anordnung irgendwelcher Stellen und schlugen den Patrouillenflugzeugen bei jeder Gelegenheit ein Schnippchen. Eben von einer Stelle verjagt, tauchten sie wenige Minuten später schon wieder mitten in der Gefahrenzone auf, nur darauf bedacht, möglichst viel zu sehen, zu erhaschen und aufzunehmen.
Nach dem bekannt gegebenen Programm sollte die Sprengung in der Mitte des Isthmus einsetzen und dann etappenweise nach beiden Seiten weitergehen, so daß in hundertfünfzig Minuten alle Etappen von Panama bis Colon gesprengt sein mußten. Auf dieses Programm beriefen sich die Reporter und Fotografen. Auf keine Weise wollten sie sich beibringen lassen, daß schon jetzt die ganze Strecke der Kanaltrasse freizuhalten sei. Es bedurfte der schärfsten Maßnahmen seitens der Wachflugzeuge, um die befohlenen Absperrungsmaßregeln durchzusetzen. Erst als der Führer der Patrouillenflugzeuge sich zum Äußersten entschloß und zu feuern begann … erst blind, dann scharf … als ein paar Reportermaschinen flügellahm beidrehten und niedergehen mußten … erst als die allzu Neugierigen begriffen, daß sie gar