Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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war er aufgesprungen, von Schrecken, von Entsetzen gepackt, war in den Empfangsraum geeilt, hatte in höchster Erregung der weiteren Meldungen geharrt. Bis dann die zweite, die erlösende Nachricht kam: Alles gut verlaufen. Das Befürchtete war nicht eingetreten.

      Erlösend? War diese Nachricht wirklich erlösend? Einen Augenblick ja! Dann waren die Zweifel gekommen. Was hatte er gesagt? Er, zu dem er jetzt eilte? Er, vor dessen Heim er jetzt stand? Die eine Hand an den Quadern, die andere an dem Eisengeländer, stieg er die Stufen zu der Eingangspforte empor wie ein müder, kranker Mann. Der alte Invalide wies ihn den Turm hinauf zur Laterne. Ein langer Weg über zweihundert Stufen. Und dann stand er oben, stieß die Tür zurück. Sein Blick flog suchend durch das Gewirr der Apparate und Instrumente, die den Raum füllten.

      Da saß der, den er suchte, ihm halb den Rücken kehrend. »Du bist es?

      Ich erwartete dich. Eine kleine Weile, und ich bin fertig.«

      Uhlenkort stand an der Tür. Seine Blicke hingen an der gebeugten, zusammen gekrümmten Gestalt. Als wäre es ein Zauber, der von dieser ausging, fühlte er sein Herz leichter werden. leichter mit jedem Pulsschlag. Und dann richtete der Mann sich auf, wandte sich ihm zu, sah ihn einen kurzen Moment an. Diese Augen … zwingend … bannend … befreiend … erlösend. Die schmale weiße Hand ausgestreckt, trat er auf ihn zu.

      »Walter! Du kommst. Ich wußte es. Ich freue mich.«

      Ihre Hände lagen ineinander, und unter dem leisen Druck dieser Hand fühlte Uhlenkort, wie der letzte Rest der quälenden Spannungen von ihm wich. Fest umklammerten seine Finger die des anderen.

      »Johannes! Ja, ich komme zu dir, schwere Sorge im Herzen. Und jetzt, da ich bei dir bin, dich sehe, deine Hand fühle, schwindet die Last … diese fürchterliche Last …«

      Sie saßen sich an dem großen Fenster gegenüber, das freien Blick nach Süden gab.

      »Der Kanal ist auf einmal gesprengt. Du hörtest es vor drei Stunden.

      Was du befürchtetest, es ist geschehen …«

      »… der Schurkenstreich Rouses!« vollendete Uhlenkort.

      »Er wird nicht lange mit der Ausrede warten lassen, es wäre durch blinden Zufall geschehen. Die dunkle Ahnung, die ich immer hatte, sie wurde stärker, immer stärker, je näher wir der Sprengung kamen. Trieb mich hierher … zu dir, noch bevor es geschehen.«

      »Du …« Seine Hand fuhr dem anderen entgegen. »Du, sag es mir …

      Was wird nun kommen? Auch die andere Kunde vernahm ich, daß alles gut verlaufen sei, daß das Befürchtete nicht eingetreten ist. Wie mögen da Millionen von Menschen aufgejubelt haben, welche die erste Nachricht in Todesangst versetzte. Auch ich … ich, der ich an dich glaube … ich hörte die Nachricht, versuchte, mich an sie zu klammern, mich durch sie zu befreien … und vermochte es nicht.«

      Und als ob die Sorgen und Qualen der letzten Stunden wieder auf ihn einstürmten, sank er zurück und deckte die Augen mit der Hand.

      »Johannes! Ich verzweifle … Sag es mir! Was wird nun kommen?«

      Jener saß und starrte durch die Scheiben über die weite, graue Fläche des Nordmeeres. Seine Blicke schienen, gelöst vom Körper, in weiter Ferne zu suchen … zu fragen. Die Strahlen des roten Sonnenballes brachen sich in den gewölbten Scheiben, warfen einen flackernden Schein auf das Gesicht des Mannes. Minuten verrannen. Zeitlos – wunschlos schien alles um Uhlenkort zu werden.

      Da fühlte er, wie eine Hand sich auf seine Schulter legte, wie ein Kopf sich zu seinem Ohr neigte, wie ein Mund zu ihm sprach.

      Er hörte die Worte, die so schrecklich waren und ihn doch nicht zu treffen schienen, die so Fürchterliches vor seinem Auge malten und doch sein Herz still ließen. Und Uhlenkort stand neben ihm, an jenem blitzenden Instrument, an dem der Mann vorher gesessen, als er eintrat.

      Der beugte sich darüber, bewegte Hebel, Schrauben und Schalter und warf einen Blick auf die große Uhr.

      An der Nordwand blitzte es kurz über eine dunkle Fläche. Wieder beugte sich das Haupt des Mannes zu dem Tisch. Die Lippen murmelten leise Worte. Das Instrument drehte sich leicht zur Seite.

      »Jetzt! Du wirst hier sehen, was dort geschieht, und doch an mich glauben!«

      Dann war es, als ob das Dunkel des Raumes ihn verschlungen hätte.

      Uhlenkort stand allein und starrte auf die Wand, die Mattscheibe, auf die ihn J. H. gewiesen. Ein bleicher Schimmer flog darüber, wurde heller und immer heller, zeigte Farben, zeigte Konturen. Blaue Flächen … grüne Wälder … fahrende Schiffe … dahin ziehende Flugzeuge.

      »Der Kanal!« Uhlenkort schrie es. »Der Kanal!«

      In der Sekunde, in der das Bild erstand, hatte sein Auge es begriffen.

      Seine Blicke flogen über die Fläche hin. Da war es. Das Bild, das er im Geiste trug, seitdem er jene erste Kunde vernahm. Die beiden Ozeane links und rechts. Das breite, glitzernde Band, das von dem einen zum anderen ging. Die Felsen und Berge. Die Wälder und Hänge an den Seiten.

      Wie Nußschalen groß die Schiffe, die aneinander vorbei von Ozean zu Ozean strebten. Das lachende Spiel der Flugzeuge, die zum Wasserspiegel hinuntergingen, schwammen und mit triefendem Kiel wieder empor flogen. Und dann … das Bild verschob sich. Nur der nördliche Teil des Kanals mit der Küste bei Colon lag vor ihm. Größer, jetzt deutlich, fast greifbar sah er das Bild. Ein großes Schiff bog um die Küste, fuhr in den neuen Kanal. Die Passagiere jubelten, schwenkten Tücher. In der Maiensonne strahlten die Fluten, leuchteten die grünen Wälder zu beiden Seiten des Kanals.

      Da! Bei Colon war es, dicht an der Mündung des Kanals. Ein Schwanken, ein Zittern ging durch das Land. Es bebte … es hob sich.

      Verschwunden war das Schiff. Ein dichter weißer Nebel …

      Wasserdampf verbarg es. Zu bersten schien die Erde. Himmelhoch flogen gewaltige Felsmassen empor. Unendliche Mengen von Land und Gestein, gemischt mit siedendheißem Wasserdampf … und jetzt feurige Lohe aus den dichten Dampfnebeln. Ein Vulkan hatte sich aufgetan, spie und schleuderte unablässig Land, Dampf und Wasser zum Himmel.

      In wilder Flucht retteten sich die Schiffe, die dem wahnwitzigen, unausdenkbaren Ausbruch der Naturkräfte entronnen waren. Sie flohen nach Süden den Kanal entlang. Sie flohen nach Norden in die Karibische See.

      Das Bild verschob sich. Und dann … Schrie er … oder war’s sein Herz?

      Ein neuer Ausbruch … ein neuer Vulkan. Da, wo die hohen Berge von Culebra an den Kanal herantraten. Und jetzt, nach dem Höllenschauspiel des zweiten ein dritter, ein noch gewaltigerer Ausbruch in dem Südende des Kanals. Ein Ausbruch, der die Stadt Panama in wenigen Sekunden hinwegfegte, in eine Masse fliegender Steintrümmer verwandelte.

      Und dann schienen diese drei Ausbruchstellen zu einer einzigen zusammenzuschmelzen. Eine Feuer speiende, unendliche Dämpfe ausstoßende Spalte war dort, wo vor Kurzem die Fluten des neuen Kanals von Ozean zu Ozean gingen. Wasser und Feuer waren zusammengetroffen, kämpften, schufen Dampf, höchstgespannten Wasserdampf in unendlichen Mengen und von unendlicher Sprengkraft.

      Der Isthmus zerriß. Zerriß bis in die tiefsten Tiefen des Grundes. Breit und immer breiter klaffte der ungeheure Spalt, aus dem Feuer und Dampf in wildem Durcheinander zum Himmel stiegen. Weiß wallender Wasserdampf, grauer Qualm dazwischen, dunkel und immer dunkler.

      Verschwunden war der lachende Himmel.

      Die Finsternis der Nacht lag über dem reißenden und berstenden Isthmus. Finsternis, nur durchbrochen von dem zuckenden Feuer-Streifen von Colon bis Panama.

      Uhlenkort stand starr, alle Kräfte des Körpers und Geistes zum Zerreißen gespannt. Seine Augen hingen an den Bildern des Schreckens.

      Vergessen war alles, was der andere ihm weiter gesagt. Er fühlte, wie seine Kräfte schwanden, je weiter das Unglück vorschritt, wie seine Knie ins Wanken gerieten, wie er schwankte, wie eine unsichtbare Hand ihn auffing.

      Er lag auf