Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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minutenlang. Und dann sah er wieder auf … und war auf einem Schiff … einem ganz anderen … einem ganz fremdartigen Schiff.

      Ein Schiff, eine Kogge, kam von Hamburg, der jungen, aufblühenden Siedlung an der Elbmündung. Vier Wochen schon waren sie unterwegs.

      Mit Rudern und Segeln hatten sie mit dem Nordost gerungen, bis sie um das Nordkap bei Skagen herum waren.

      Kostbare Last hatten sie an Bord. Fränkische Tuche … burgundische Weine … levantinische Spezereien, Tauschhandel damit zu treiben gegen die Güter des Ostens, die köstlichen Rauhwaren, den begehrten Bernstein … Und sie fuhren durch den Belt, wo Sturm den Sturm jagte …

      und beteten zu dem neuen Christengott, der ihnen gnädig war …

      Und sie kamen am Boskamp vorbei, wo noch heidnische Feuer rauchten. Und sie fuhren weiter, bis sie hinkamen zu dem Ziel der Fahrt, nach Jumneta, und die Anker fallen ließen.

      Da lag es an der äußersten Nordspitze der langen Insel, wo der westliche Oderarm das Meer erreicht. Von hohem Hügel her grüßte die wallumgürtete Wikingerfeste, die trutzige Jomsburg, zu ihren Füßen die reiche Slawenstadt Vineta.

      Und sie gingen an Land und staunten über die Größe und den Reichtum der Stadt. Slawen und Sachsen … Nordmänner und Franken …

      ein Gemisch aller Völker und Zungen.

      Ihre Augen konnten sich nicht satt sehen an den Herrlichkeiten der Meerkönigin Vineta. An die zwei Wochen blieben sie hier und tauschten ihre Waren gegen die Erzeugnisse des Ostens. Und dann lichteten sie wieder die Anker und fuhren nach Westen.

      Noch hatten sie die letzten Spitzen der Türme in Sicht, da kam es von Norden herangefahren. Der alte Schiffsführer sah es beizeiten, so daß sie sich ducken konnten, verkriechen in den Buchten der Rugischen Küste. Sie sprangen an Land, schleppten die Kogge an den Strand, banden sie an Klippen und Bäumen fest.

      Kaum war es geschehen, da brauste es vom Norden heran. Die Welt wollte untergehen. Turmhoch schäumte das Meer unter Sturmesgewalt.

      Und dann … entsetzt starrten ihre Augen über die Landzunge nach Osten. Da kam es heran wie eine Mauer. Hoch getürmt wie eine Riesenwand kam das Meer, stürmte vorbei vor ihren Augen … raste nach Süden. Das Land da unten verschwand in wirbelndem Gischt.

      Darüber hinweg die kochende See! Noch einmal grüßten die Türme der Jomsburg … dann …

      Lastende Stille … und dann kam es zurückgefahren … mit schwächerer Kraft … nach Norden hin. Und als sie wieder nach Süden sahen, suchten ihre Blicke vergeblich die glänzende Stadt, in der sie eben geweilt. An einem kahlen grauen Sandrücken brachen sich die abebbenden Fluten des Meeres …

      Und dann … die Nacht verging unter Schrecken und Schaudern. Der Morgen kam, und eine ruhige stille See glänzte in der ersten Dämmerung. Da machten sie los und fuhren zurück nach Hamburg …

      Und als der Kiel am Elbstrand über heimatlichen Boden knirschte, sprangen sie an Land und knieten nieder …

      »An Land! An Land, Herr Tredrup!«

      Tredrup zuckte zusammen. Er fühlte, wie ein Fuß ihn anstieß. Mit einem Schrei warf er sich empor. Seine Augen starrten im Kreis umher.

      »Was war das? Wo bin ich?«

      Er fuhr sich mit den Fäusten in die Augen und rieb sie, als ob er ein Schreckensbild heraus reiben wollte. Da stand der alte Bootsmann. Der breite, zahnlose Mund lachte.

      »Sie haben geträumt, Herr Tredrup. Wir sind zu Hause. Hier ist der Leuchtturm.«

      Mit einem Ruck stand Tredrup auf den Füßen. Seine Augen flogen von dem Alten hinüber zum Leuchtturm, gingen weiter zu den Schachttürmen. Er holte tief Atem.

      »Geträumt? Habe ich geträumt, Bootsmann?«

      »Na ja!« lachte der. »Sie schlafen schon die halbe Fahrt. Gewiß haben Sie geträumt. Was ist Ihnen?«

      Tredrup stand. Er schüttelte den Kopf. Seine Hände bewegten sich wie hilflos fragend.

      »Ja … ja … ich habe geträumt. Ein Traum … fürchterlich … war über mich gefallen. Und nun sind wir zu Hause … ja, zu Hause.«

      Mit zitternden Knien betrat er den Bootssteg, klomm er den Uferhang empor … und kam nach Wibehafen …

      »Herr Tredrup! In einer Stunde beginnt die neue Schicht.«

      Er erwachte … sah um sich. Er lag in seinem Bett. Um ihn herum die vertraute Umgebung. Er stand auf, hängte sich die Kleider um und riß das Fenster auf. Die kühle, frische Luft, die ihm entgegenschlug, legte sich wohltuend um seine Schläfen. Ein paar Mal schöpfte er tief Atem.

      Die Tür ging auf. Seine Wirtin trat herein, auf den Händen das Kaffeetablett. Er setzte sich an den Tisch. Seine Augen überflogen die Morgenzeitung. Die erste Überschrift: Vineta!

      Er taumelte zurück, als hätte ihn ein Schlag getroffen. Wieder ergriff er das Blatt. Immer größer werdend starrten seine Augen auf die Nachricht, die da stand.

      »In der gestrigen Nacht ist der Meeresgrund an der Nordspitze von Usedom in einer Ausdehnung von zwei Quadratmeilen zutage gestiegen. Die Stätte, wo einst Vineta lag, ist wieder erstanden.«

      Christie Harlessen hatte schon ihre Wohnung betreten. Sie ließ sich an dem einladenden Teetisch nieder und strich sich mit einer müden Bewegung über die Stirn. Die Tätigkeit bei Simmons Brothers war doch zu manchen Zeiten anstrengender, als sie anfangs gedacht und gespürt hatte. Wie anders doch das freie, abwechslungsreiche Leben in Tejada … selbst im Zirkus. Die Eintönigkeit im Büro war allein schon ermüdend … und doch, was tun. Jener Sturz, der ihr die weitere Ausübung dieses Berufes unmöglich machte, hatte sie ihn nicht zeitweise für eine Schicksalsfügung gehalten?

      Die Unterredung mit Walter Uhlenkort in Kapstadt! Wie oft erinnerte sie sich daran! Etwas Neues, ihr bis dahin kaum Bewußtes schien seitdem in ihr Denken und Fühlen getreten.

      War’s das Harlessenblut, das sich in ihr regte? Wie hatte Walter Uhlenkort gesprochen?

      »Sie sind eine echte Harlessen!« Hätte sie ihm damals folgen sollen? … Hamburg?

      Die Türglocke klang. Sie hörte eine Männerstimme, hörte ihre Wirtin etwas antworten und auf ihre Tür zukommen. War er es? Mr. Rouse?

      Der kurze Gedanke trieb sie empor.

      »Miss Harlessen, Besuch für Sie! Mr. Uhlenkort aus Hamburg.«

      »Herr Uhlenkort?« Befreiung … Überraschung lag in den Worten.

      »Bitte, führen Sie den Herrn zu mir!« Sie folgte der Frau und öffnete die Zimmertür.

      »Bitte, Herr Uhlenkort!« Sie schüttelte dem Eintretenden kräftig die Hand. »Willkommen in meinem Heim!«

      Uhlenkort stand einen Augenblick und hielt ihre Hand fest in der seinen.

      »Dank für Ihre freundliche Begrüßung, Fräulein Christie. Ich … ich …«

      »Sie erwarteten eine andere Begrüßung, Herr Uhlenkort.«

      Sie lachten beide.

      »Ich gestehe, Fräulein Christie, nach meinem letzten Besuch in Kapstadt …«

      »… waren Sie auf das Schlimmste gefaßt.«

      »Beinahe. Meine Freude ist eine doppelte. Der gute Empfang und dann … ich sehe, daß Sie sich wohl befinden. Sie sind wieder gänzlich hergestellt?«

      Christie nickte. »Gänzlich? Dann wäre ich vielleicht nicht hier.«

      »So leiden Sie immer noch unter den Folgen des Sturzes?«

      Mit Besorgnis blickten seine Augen über die schlanke Gestalt, die anscheinend in blühender Gesundheit vor ihm stand.

      »Nein und ja«, erwiderte sie. »Es genügt nicht allein, völlig gesund zu sein, um die Hohe Schule zu reiten.