Gesammelte Werke: Science-Fiction-Romane + Abenteuerromane + Erzählungen. Dominik Hans. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dominik Hans
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075831552
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holte von ihrem Schreibtisch ein verschlossenes Kuvert und überreichte es ihm.

      »Ich war im Begriff, nach Hamburg zu telegrafieren, als Sie heute Mittag zu Simmons Brothers kamen. Als ich Sie sah, änderte ich meine Absicht. Hier ist der Brief, den ich Ihnen, wären Sie nicht zu mir gekommen, in Ihr Hotel geschickt hätte.«

      Uhlenkort ergriff das Kuvert.

      »Eine Nachricht, die unsere Firma interessiert?«

      Sie war hinter den Teetisch getreten und machte sich dort zu schaffen.

      »Vielleicht war es überflüssig, was ich tat. Sie werden es zu Hause lesen.«

      »Zu Hause? Im Hotel? Nein … !«

      Er riß den Umschlag auf und überflog die Zeilen.

      »Fräulein Christie?« Er trat erregt auf sie zu. »Ist das wahr … was Sie uns hier mitteilen?« Christie sah kurz auf.

      »Warum sollte ich Ihnen ein Märchen berichten?«

      »Christie! Ich beschwöre Sie! Sind Sie sich der Tragweite dieser Nachricht bewußt? Ipton & Co. vor dem Bankrott? Unser Vertreter im Bunde mit den Inhabern … Ein Betrug beabsichtigt, der uns zehn Millionen kosten würde? Und Sie wissen es? Sagen Sie, wie Sie zu der Erkenntnis gekommen sind!«

      Christie zuckte die Achseln. »Ich weiß es. Ein glücklicher Zufall. Ich glaubte, Ihrer Firma einen Dienst erweisen zu: können. Vielleicht war es auch das Harlessensche Blut …« vollendete sie mit Ironie.

      »Christie! Christie! Alles, was Sie sprechen und tun, ja! Das ist Harlessenblut. Nie und nimmer war das ein bloßer Zufall, der Sie hiervon in Kenntnis setzte. So offen werden diese Herrschaften ihre Karten nicht spielen. Die Aufdeckung dieser Schurkerei ist Ihr Werk, Ihr Verdienst. Um wie Sie mir das geben, das ist …«

      Er ergriff ihre Rechte und hielt sie trotz ihres leisen Widerstrebens fest.

      »Christie … Christie Harlessen! Warum quälen wir uns!«

      Er zog einen Stuhl heran und setzte sich neben sie.

      »Christie, lassen Sie uns jetzt ganz sachlich reden. Alles Persönliche beiseite. Sie schreiben mir hier, daß unser Vertreter in Valparaiso die große Kobaltlieferung an Ipton & Co. trotz unseres telegrafischen Widerrufes doch zur Ausführung bringt, daß die Dampfer dafür, von Simmons Brothers gechartert, bereits in Valparaiso gelandet sind. Sie wissen auch, daß Ipton & Co. kurz vor dem Konkurs stehen … kurz, daß ein Komplott gegen uns im Gange ist, das uns unberechenbaren Schaden bringen muß.«

      »Ganz recht, Herr Uhlenkort. Das wollte ich Sie wissen lassen.«

      »Wieder der Ton, Christie, der so ganz anders klingt, als … Ihr Herz spricht.«

      »Mein Herz? Ja! Wir wollen doch sachlich bleiben. Ich denke, jetzt handelt es sich doch darum, was zu tun ist. Fahren Sie nicht sofort dorthin?«

      »Gewiß, ich muß es und … doch …«

      »Warum zögern Sie? Gibt es jetzt etwas Wichtigeres für das Haus Harlessen?«

      Uhlenkort starrte mit zusammengezogenen Brauen vor sich hin.

      »Wichtiger? Was ist jetzt wichtiger? Wüßte ich es … Der Weg nach Süden oder der nach Norden? Nach Norden?«

      »Sie könnten einen anderen schicken. Mit Vollmachten versehen.«

      »Einen anderen?« Uhlenkort strich sich über die Stirn.

      »… ja, könnte ich den ersten besten nehmen. Aber hier! Den Schurken wird nicht so leicht beizukommen sein. Sie würden dem, den ich schicke, Hindernisse in den Weg werfen. Ehe er sie überwunden hat, wäre es doch geschehen … wäre es zu spät! Gewiß habe ich hier in New York Verbindungen. Wen könnte ich da wählen? Wer wäre der energische, vertrauenswürdige Mann, dem ich die Sache … ?«

      »Und wäre es eine Frau?«

      »Eine Frau!« Er drehte sich nach ihr um und sah ihr fragend ins Gesicht.

      »Eine Frau? Wie? Sie, Christie? Sie wollten? Sie wären bereit, diese nicht leichte Mission zu übernehmen?«

      Christie nickte.

      Er sprang auf und durchmaß den Raum. Dann blieb er kurz vor ihr stehen. Die Zweifel, die in ihm kämpften, prägten sich auf seinen Zügen aus. Christie sah es.

      »Sie haben kein Vertrauen. Ich sehe es.«

      »Vertrauen? Christie. Zu keinem Menschen in der Welt hätte ich mehr Vertrauen als zu Ihnen.«

      Eine tiefe Röte überzog ihr Gesicht.

      »Aber das ist eine Aufgabe, welche die Tatkraft eines Mannes von der größten Energie verlangt … und …«

      »Tatkraft und Energie? Was wissen Sie von meinem Lebensweg mehr, als was Ihnen das Pinkerton Office sagte. Es gab da mehr als einmal Situationen, an denen ein Mann vielleicht gescheitert wäre. Meine Kräfte werden sich bei einem Werk verdoppeln, das ich unternehme … für die Firmen Harlessen und Uhlenkort.«

      Er trat dicht vor sie hin. Seine Hände legten sich auf ihre Schultern.

      »Christie! Ja! Du wirst es tun. Dir wird es gelingen. Ich glaube an dich! Und dann wirst du zurückkehren … zurück zu uns nach Hamburg.«

      Unter dem Vorsitz des Staatschefs Harlessen waren die europäischen Ministerpräsidenten in Bern versammelt. Sorge lag auf allen Gesichtern.

      Wohl hatte der Beschluß des amerikanischen Kongresses die drückende Atmosphäre, die über Europa lagerte, gereinigt. Die Panik, die Europa ergriffen hatte, war gewichen. Die Führenden aber waren damit der Sorge nicht ledig geworden. Walter Uhlenkort war es, der sie auf verborgene Gefahren aufmerksam gemacht hatte.

      Er hatte eine Reihe von Verdachtsmomenten gegen die Canal Company. und gegen deren Leiter Guy Rouse vorgebracht, die, nur den Regierungsmitgliedern bekannt, diese mit neuer großer Sorge erfüllten.

      Uhlenkort, der Hamburger Kaufmann, Kaufmann und Diplomat im Nebenberuf? Nein und doch ja. Seine umfassende Welterkenntnis, durch jahrelangen Aufenthalt im Auslande erworben, seine großen persönlichen Beziehungen in allen Teilen der Welt, sein kaufmännischer Weitblick, seine rücksichtslose Energie, wo es Nottat, hatten ihm einen Namen in der Weltwirtschaft erworben, in der Weltwirtschaft, die sich jetzt enger als je mit der Weltpolitik verband. Die europäische Außenpolitik hatte schon öfter als einmal den Nutzen seiner Informationen verspürt.

      Seine Beziehungen zu dieser Politik waren im Laufe der Zeit immer enger geworden. Mehrfach war ihm eine amtliche Stelle angeboten worden, doch hatte er stets abgelehnt. Abgelehnt mit dem Hinweis, daß er in seiner unabhängigen Stellung dem Staat mehr nützen könne.

      Er blieb der freie Kaufmann, aber er war in steter enger Verbindung mit den politischen Geschäften. Eine Stellung, die ihm ohne ausgesprochene Vollmachten eine gewisse Handlungsfreiheit gab. Eine Stellung, die bei den Eifersüchteleien der europäischen Staaten sogar offen oder versteckt manchen Protest veranlaßte, die aber durch die glückliche Hand, die er in so vielen schwierigen Situationen zeigte, immer mehr gekräftigt wurde.

      Als Vertrauensmann des Europäischen Staatenbundes hatte man ihn nach Washington gesandt. In Gemeinschaft mit Vertretern der amerikanischen Regierung sollte er die von dieser angeordneten Sicherheitsmaßregeln noch einmal nachprüfen.

      Um drei Uhr wurde er erwartet. Die Uhr schlug drei. Uhlenkort trat in den Raum. Nach kurzer Begrüßung seines Oheims und der Versammlung stattete er seinen Bericht ab. Die Mienen der Zuhörer begannen sich zu entspannen. Die umfassenden Vorsichts- und Kontrollmaßregeln, welche die amerikanische Regierung angeordnet und durchgeführt hatte, wirkten beruhigend.

      Er fuhr fort: »Formell und äußerlich ist alles in bester Ordnung …«

      Hier machte er eine Pause. Fragend ruhten die Blicke der Versammlung auf ihm.

      »Ich sagte soeben: formell und äußerlich. Anders, meine Herren, ist es mit meiner persönlichen Auffassung