Das Tosen und Brausen der Wassermassen klang ab. Ruhig wurde die Luft, und ruhig, scheinbar ruhig auch die See. In breitem, blinkendem Spiegel füllte sie das neue Kanalbett der ganzen Breite und Länge nach.
Die Zuschauer in den Lüften hätten keine Bewegung mehr gemerkt, wenn nicht jene Jacht, dieses im letzten Augenblick dem Rachen des Todes entgangene Fahrzeug, in mäßiger Fahrt auf Colon zu durch den neuen Kanal getrieben wäre.
Die Flut im Atlantik gewann die Oberhand und erzeugte eine merkliche Strömung von Panama nach Colon.
Die in den Lüften sahen die Fahrt der geretteten Jacht, und nun stürzte es sich von allen Seiten her auf die Fläche des neuen Kanals.
Flugzeuge … große und kleine Schiffe … in wenigen Minuten war die Wasserfläche bedeckt, und alle Versuche der Patrouillenboote, es zu hindern, waren vergeblich.
Man sah ja, es war alles gut gegangen … Trotz der Sprengung der ganzen Kanallinie in einer einzigen Etappe war nichts passiert. Alle Bedenken der Sachverständigen waren grundlos gewesen. Der Kanal war da, der alte Isthmus, seit Jahrtausenden von Erdbeben und Vulkanausbrüchen mißhandelt, hatte auch diese letzte Mißhandlung, die gleichzeitige Explosion der Masse atomaren Sprengstoffs, ertragen, und die Zuschauer waren bei diesem Schauspiel voll auf ihre Kosten gekommen … mehr jedenfalls, als wenn man etappenweise gesprengt hätte.
Das donnernde Dröhnen aus dem Fernsehgerät war verklungen, der Bildschirm zeigte eine undurchdringliche Staubwolke, die sich nur ganz langsam verzog. Der gemarterte Apparat hatte hergegeben, was die überanstrengten Röhren herzugeben vermochten, und es war zweifellos eine menschenfreundliche Tat, daß ein Ingenieur der Kanalgesellschaft auf einen Wink von Guy Rouse abschaltete und Ruhe im Saale schuf.
Noch stand Austin Parker, der Präsident der Union, benommen von diesem Dröhnen und Tosen, das doch nur einen winzigen Teil jenes Donners darstellte, den die Sprengung am Isthmus erzeugt haben mußte.
Guy Rouse trat auf den Präsidenten zu und reichte ihm Selbst ein Glas Sekt, hielt ein anderes in der Hand, erhob es und sprach zum Präsidenten, zu den Staatssekretären, zu den Herren der New Canal Company.
»Herr Präsident! Meine Herren! Ich erhebe mein Glas und bitte Sie, mit mir anzustoßen und zu trinken auf das glückliche Gelingen unseres Werkes … jenes großen, die Völker, Länder und Ozeane verbindenden Werkes, dessen erste Etappe nun glücklich vollendet ist. Wir haben den Donner der Explosion hier vernommen und die gewaltige Sprengwolke gesehen. Mit Lichtgeschwindigkeit sind Klang und Bild zu uns gekommen und haben uns erzählt, daß der Sprengstoff seine Arbeit begonnen, auf der ersten Etappe vollendet hat. Nach diesem ersten Schritt habe ich keinen Zweifel mehr, daß auch die Sprengung der weiteren Etappen glatt verlaufen wird. Auf das Wohl des neuen Kanals, meine Herren!«
Mr. Rouse brachte sein Glas an die Lippen und veranlaßte durch sein Beispiel die anderen Herren, das gleiche zu tun.
Guy Rouse sprach weiter:
»Herr Präsident! Meine Herren! Die Sprengung der anderen Etappen nimmt, wie Sie wissen, geraume Zeit in Anspruch. Darf ich Sie bitten, auf einen kleinen Imbiß Gäste der New Canal Company zu sein.«
Noch während er sprach, öffneten sich geräuschlos die Flügel-Türen zum neben liegenden Raum. Eine weiß gedeckte Tafel im Schmuck von Kristall und Silber. Die auserlesensten Delikatessen der Jahreszeit. Nach den Aufregungen der letzten Viertelstunde kam seine Einladung nicht unangebracht.
Man setzte sich, man griff zu und suchte die durcheinander gewirbelten Nerven mit körperlicher Stärkung wieder in Ordnung zu bringen.
»Gott sei Dank«, sagte der durch seinen Sarkasmus bekannte Staatssekretär des Äußeren. »Gott sei Dank, daß der Fernseher schon beim ersten Mal in Stücke gegangen ist. Wir verzichten auf das Vergnügen, einen anderen hinzustellen und den Skandal noch einmal zu hören.«
Das kalte Lächeln um Guy Rouses Lippen verschärfte sich.
»Ganz meiner Meinung, Herr Staatssekretär, auf Ihr Wohl!«
Auch die Züge des Präsidenten Parker gewannen allmählich die alte Ruhe wieder.
Da schrillte das Telefon.
»Mitteilung aus dem Weißen Hause für den Herrn Staatspräsidenten.
Nachricht von den Patrouillenflugzeugen …
An die Regierung:
Die ganze Kanaltrasse auf einmal gesprengt, von Colon bis Panama alles in die Luft geflogen!«
Starr wurden die Gesichter der Regierungsmitglieder. Totenblässe überzog die Züge Austin Parkers. Es dauerte Minuten, bis er sich sammelte und wieder sprechen konnte.
»Unmöglich … Wie konnte das geschehen! Undenkbar … unglaublich … Die Folgen werden … können entsetzlich sein … ich lehne jede Verantwortung ab. Wie konnte das geschehen, Mr. Rouse?«
Guy Rouse war aufgesprungen und trat auf den Präsidenten zu. Fest und laut klangen seine Worte durch den Raum: »Herr Präsident! Die Sprengung ist gemäß den Befehlen der Regierung angeordnet und ausgeführt worden. Zeugen dafür sind vorhanden. In erster Linie der Chefingenieur Smith, der den Befehl erhalten hat. Ich schlage vor, ihn hierher kommen zu lassen. Die einzige Erklärung, die ich für das sonst unerklärliche Vorkommnis habe, ist die, daß der Druck der explodierenden Minen auch die Nachbaretappen zur Explosion gebracht hat.
Sie erinnern sich, meine Herren, daß einige Sachverständige auch derartige Befürchtungen ausgesprochen haben, die wir – ich möchte jetzt sagen leider – als zu abwegig unbeachtet ließen. Wie lautete die Nachricht? Die ganze Trasse auf einmal gesprengt! Ich sehe in diesen Worten keinen Grund zur Beunruhigung. Die Nachricht besagt nur, daß die Sprengung auf einmal erfolgt ist. Kein Wort davon, daß die schlimme Befürchtung, die man an die gleichzeitige Sprengung knüpfte, eingetreten ist.«
Er machte eine wegwerfende Bewegung.
»Jene lächerlichen Befürchtungen europäischer Gelehrter! Die nächsten Minuten werden uns Gelegenheit geben. Warten wir es ab!«
Ein gedrücktes Schweigen, anstatt einer Antwort. Der Präsident stand in flüsternder Unterhaltung mit dem Staatssekretär des Äußeren.
Niemand schien die Sorglosigkeit von Guy Rouse zu teilen.
Minuten vergingen. Der lastende Druck erreichte den Höhepunkt. Die Nerven aller zum äußersten gespannt. Die nächste Nachricht? Da! Ein neues Signal. Fernsprechnachricht, direkt vom Kanal an die Gesellschaft:
»Alles gut verlaufen! Kanal gefüllt! Befürchtetes nicht eingetreten!«
Das alte Lächeln war wieder auf Guy Rouses Gesicht, gab seinem Antlitz das Gepräge zufriedener Heiterkeit. Er sprang auf, wollte sprechen.
Ein neues Signal! Telefonnachricht an die Regierung von den Patrouillenflugzeugen. Die gleiche Nachricht, die soeben von der Kanalverwaltung gekommen war.
Strahlendes Lächeln lag jetzt auf seinem Gesicht. Er ergriff sein Glas und erhob sich.
»Meine Herren! Da haben wir’s! Unnötig alle Angst und Sorgen! Im Gegenteil! Ich weiß nicht, ob ich den Zufall, der hier gewaltet hat, glücklich oder unglücklich nennen soll. Dem amerikanischen Volke, der amerikanischen Volkswirtschaft sind große Kosten – etwa fünf Milliarden Dollar – erspart worden. Diese europäischen Befürchtungen, daß der Mückenstich unserer Sprengung den ganzen Isthmus zerreißen könnte, sind durch die Ereignisse widerlegt, sind hinfällig. Glänzend gerechtfertigt stehen unsere amerikanischen Gutachter da.
Meine Herren, ich trinke auf den glücklichen Zufall und seine glücklichen Folgen. Ein Werk von weltgeschichtlicher Bedeutung ist geschaffen!«
Uhlenkorts Hand tastete an die Mauer des alten Leuchtturms, klammerte sich an die verwitterten Quadern. Beruhigung schien von den kalten Steinen auszustrahlen, auf ihn überzugehen.
Kaum drei Stunden war es her, daß das Flugzeug, in dem er nach Spitzbergen