Die weltweit agierende HORLI-Gruppe war auf Drängen des Juniors gerade dabei, große Teile der klassischen Produktionen einzufrieren, um sich den veränderten Bedingungen der Umwelt zu stellen und neue, revolutionäre, umweltfreundliche Produkte auf den Markt zu bringen, die mit dem eigentlichen Hauptgeschäft, klassischen Chemieprodukten, nicht mehr viel zu tun hatten.
Dr. Franco Mignello, das junge Genie der Familie, noch nicht einmal 19 Jahre jung als er in die Konzernleitung einstieg, hatte bei der Umgestaltung des Konzerns seinen hyperintelligenten Kopf gegen das Management der HORLI-Gruppe – die immerhin ein Netz von einhundertzwölf Betrieben in sechsundzwanzig Ländern umfasste – überzeugend durchgesetzt. Seine Doktorarbeit in Ökonomie, die er im vergangenen Jahr an der Harvard University in Boston fast nebenbei geschrieben hatte, weil ihn Stella schon voll in Anspruch nahm, beschäftigte sich mit der Um- und Neugestaltung von Industriebetrieben verschiedenster Branchen hin zu ausschließlich umweltfreundlichen Produkten unter dem Gesichtspunkt höchstmöglicher Effizienz in Produktion und gesundem Profit unter der Bedingung, vernünftige Löhne zu zahlen, keine Arbeitskräfte zu entlassen und notwendige Umschulungen auf Kosten der Firma vorzunehmen. Dargestellt am Beispiel des weit verzweigten Konzerns des Vaters.
Er zeigte auf, wie man Produktionsanlagen in der Chemie für umweltfreundliche Produkte weiter nutzen konnte, ohne sie komplett neu strukturieren und bauen zu müssen. Er erarbeitete intelligente Systeme, die es zuließen, mit geringstem finanziellen Aufwand Produktionen komplett umzustellen. In Feasibility-Studies wies er zweifelsfrei nach, dass die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen durch die Umstellungen sogar überproportional zunahm. Mehrgewinne, so sein Vorschlag, seien an internationale Hilfsorganisationen abzuführen und zur Weiterbildung der Mitarbeiter zu nutzen. Mit dieser Arbeit machte sich Franco nicht nur Freunde. Dennoch: Einige unabhängige Fachblätter in Italien griffen seine Forschungsergebnisse auf, schlugen Mignello junior sogar für den Nobelpreis vor.
Eine bahnbrechende Arbeit; dem jungen Mann war ein Geniestreich gelungen. Aber das interessierte das Nobelkomitee kaum. Wo käme man hin, wenn man es den jungen Leuten so einfach macht. Wenn man ihnen zugesteht, dass sie in der Lage sind, auch ohne dreißigjährige Praxis in Wissenschaft und Industrie Meilensteine für die Menschheit setzen zu können. Erschwerend kam hinzu, dass allgemein bekannt war, dass Franco Mignello ein ziemlich radikaler Rockfan ist. Der – oh Schande! – auch noch in einer erfolgreichen britischen Trash Metal Band Schlagzeug spielte. Der aufgrund seines großen Talentes und des eigenwilligen Stils zu schleppen und zu powern an den so häufig kopierten und nie erreichten John Bonham von Led Zeppelin erinnerte, der am 27. September 1980 nach einer durchzechten Nacht so unfein aus dem Leben geschieden war. Es hieß ferner, dass Franco von Slash umworben wurde, dem ehemaligen Lead-Gitarristen von Guns´n´Roses, der US-Kultgruppe aus den Achtzigern des letzten Jahrhunderts, der inzwischen erfolgreich mit Velvet Revolver tourt und seinen alten Kumpel und Drummer Matt Sorum aus Altersgründen austauschen wolle. Alles nichts für das erzkonservative Nobelpreiskomitee.
Fatal war nur, dass es in dem zur Jahrtausendwende begonnenen Wassermannzeitalter* (siehe Anhang), welches das Denken und Fühlen der Menschen durch die veränderte Strahlengestaltung des Kosmos völlig umkrempeln wird, zunehmend mehr junge, sich in ihrem Denken und Handeln wandelnde Wissenschaftler und Industrielle, Medienfachleute wie Kreative jeder Couleur gab, die das Genie des Jungen erkannten und förderten. Die LOHAS (Lifestyle Of Health And Sustainability), eine Bewegung, die kurz vor der Jahrtausendwende in den USA entstanden war, hatte inzwischen nicht nur Millionen von Sympathisanten, sondern das Ziel, über die eigene Lebensart hinaus für die in Umwandlung begriffene Welt mehr zu tun, als ihr Konsumverhalten zu ändern. Die Welt ist auf dem Weg hin zu einer geistig harmonischen, irrational-mystisch und zugleich rationalen Denk- und Lebensweise. Doch das würden die meisten Menschen erst begreifen, wenn sie durch die immensen Verwerfungen, die es in den ersten fünf, sechs Jahrzehnten des neuen Zeitalters zwangsläufig geben musste, selbst aus ihrer Lebensbahn geworfen werden und sich neu sortieren müssen.
Alles, was Franco tat, entsprang dem ganz natürlichen Denken und Fühlen des jungen Mannes. Eine Gabe, die die meisten Menschen abgelegt haben, weil sie gelebt werden und nicht mehr selbst denkend, frei und bewusst leben und es dadurch verlernt haben, auf ihre innere Stimme zu hören, sich auf sie zu verlassen.
Franco Mignello: Der Typ war, wie er war. Verkorkst und schrullig, mit all seinen geniehaften Seiten, derer er sich nur zum Teil bewusst war und mit seinen Macken und Schwachpunkten, die er besser kannte und an sich akzeptierte. Er war ein Mensch, kein Übermensch. Ein außergewöhnlich intelligentes Kind, das sich selbst nicht limitiert hatte, das sich auch heute nicht limitieren ließ und das durch die Eltern, die ihn formende Umwelt, ebenfalls nicht limitiert wurde. Einer, der stets sagt, zu Papier bringt, was er wirklich denkt, fühlt und empfindet. Einer, der umsetzt, was er für richtig hält. Ganz schlicht, geradlinig und natürlich. Ohne Allüren, ohne vordergründiges Profitdenken, ohne Streben nach Macht. Altruistisch, ohne dass Altruismus für sein Handeln irgendeine Bedeutung hat. Seine Art zu denken, handeln, leben war und ist eine Selbstverständlichkeit für Franco. Basta. Die Basis – tief verwurzelte Menschlichkeit und Natürlichkeit. Liebe. Freude am Leben, Humor.
Und Spaß an Musik.
Ja, Franco der Musiker. Der Drummer, der am liebsten in der Band von Stella Henderson spielen würde, aber dadurch seiner sich selbst gestellten Aufgabe, Stella zu beschützen, nicht in dem Maße hätte nachgehen können, wie er es für notwendig erachtete. Und dem es total gegen den Strich gehen würde, einen anderen Musiker aus der Band zu katapultieren. Eine Frage der Ehre. So etwas macht man nicht. Und somit war es ihm unmöglich, um den Job bei Stella zu fighten. Außerdem hatte er längst bemerkt, dass die Musikertruppe um Stella ein verschworener, glücklicher Haufen war! Da darf man nicht einbrechen. Franco war zum Zuhören verdammt. Was den talentierten Drummer schmerzte. Denn Musik war seine eigentliche Welt. Eine Welt der Emotionen, der Zärtlichkeit und Wildheit, der Widersprüche, der Klarheit, Rauheit. Die kosmische Dimension von Rhythmus. Gefangen sein in Sound und Rhythmus und zugleich unendlich frei, unendlich weit und offen. Seine Gefühlswelt.
Eine Welt von kosmischer Größe. Klang. Der ganze Kosmos ist Klang, der auf Schwingungen basiert.
Schwingungen.
Schwingungen, die der Kosmos für die Menschen in hörbare Geräusche ´übersetzt´ hat. Innerhalb einer Oktave zwölf Töne – gemäß den zwölf Planeten unseres Sonnensystems – die, wenn sie gut zusammengestellt sind, in einer Weise schwingen, dass sie uns verzaubern. Sinustöne und Geräuschkomponenten ... Aus diesen Schwingungen wird Musik. Töne werden zu Liedern, Hymnen, Symphonien. Der Mensch besteht nicht nur aus Schwingungen, er lebt und bewegt sich auch in Schwingungen, in Rhythmen.
Durch Musik macht der Mensch seine eigenen Stimmungsbögen und Stimmungsfelder für andere sichtbar. Durch Schwingungen drücken wir uns aus. Die Ausdruckskraft der unterschiedlichen Schwingungen wird auch sehr verschiedenartig wahrgenommen. Für jede Gemütsbewegung, jede Empfindung, jede Handlung – aktiv und passiv –, für Erfolge und Misserfolge, für Bewegungen und Gedanken, Gefühle, Handlungen haben wir unterschiedliche, bewusste, unbewusste Schwingungen in uns.
Der Klang gibt dem Bewusstsein einen Beweis für sein Vorhandensein, obgleich es in Wirklichkeit der aktive Teil des Bewusstseins selbst ist, der sich in Klang umwandelt. Das Bewusstsein bestätigt sich selbst durch seine eigene Stimme. Daher spricht der Klang den Menschen an – so hatte es Franco bei Hazrat Inayat Khan gelesen.
In der Sprache, ja, sehr deutlich. Aber am vielschichtigsten durch die Musik. Durch sie legen Komponisten und Musiker ihre Seele offen. Sie entblößen sich und sind dadurch erkennbar, identifizierbar, aber zugleich zutiefst verletzbar, wenn Menschen es schlecht mit ihnen meinen. Durch Musik erfahren die Hörenden auch immer etwas über sich selbst. Jeder hat seinen Geschmack, seine Wellenlänge auf der er – total unterschiedliche – Töne, Musik, empfangen kann