DU GEHÖRST IHNEN.. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: 666 - Perfektion des Bösen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969020050
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ein, von dem er wusste, dass er derzeit auf einer Studiosession im Münchener F.A.M.E. Recordingstudio spielte. Da Musiker meist bis spät in die Nacht arbeiten, hatte er das Glück des Tüchtigen auf seiner Seite. Der Gitarrero machte sich sofort auf den Weg, zapfte seinerseits einen Kontakt an, eine VIP-Betreuerin des Münchener Flughafens, mit der er mal ein Techtelmechtel hatte, um herauszubekommen, ob und wann, wie und wo Meerbold gestern im Flughafengelände gesehen worden war. Franco hatte ihm das Bild des gesuchten Mannes geschickt und der Freund setzte sich in ein Taxi und fuhr zu Hella, der Scharfen von der Lufthansa. Er klingelte sie nicht nur aus dem Bett, sondern schmiss zugleich auch ihren Liebhaber mit raus. Sie fuhren beide sofort zum Airport, aber die Suche blieb erfolglos. Das Nachtpersonal wusste nichts, erkannte Meerbold nicht, hatte nichts gesehen.

      Shit!

      Franco war sich bewusst, dass er im Laufe der letzten zwei Jahre fast schon paranoid übervorsichtig geworden war und im wahrsten Sinne des Wortes die Flöhe husten hörte, wenn es um das Wohlbefinden seiner Liebsten ging. Es war nicht befriedigend, was er in den wenigen Nachtstunden herausgefunden hatte, aber ein Anfang. Alles andere zum Thema Meerbold musste er am kommenden Vormittag klären. Wohin ihn, Dr. Franco Mignello, seine Recherchen führten, das war jetzt noch nicht abzusehen. Auf jeden Fall machte er sich akribisch an die Arbeit, um Stellas nächtlichen Begleiter so oder so zu entlarven. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Sagte seine Großmutter immer, wenn sie sich einen Cappuccino zu voll einschenkte und hoffte, nicht ein einziges Tröpfchen beim Trinken des köstlichen Getränks zu vergießen.

      Seit vierhundertelf Tagen immer das gleiche Bild. Nacht für Nacht, von wenigen Ausnahmen abgesehen, verschwand Stella mit einem anderen Mann in ihrer jeweiligen Suite, denn sie war ja fast ununterbrochen on tour. Seit dem Tod ihres Bruders hielt sie es noch weniger in ihrer Traumvilla in Miami Beach aus, als in den Zeiten, in denen ihr geliebter Bruder Aaron noch an ihrer Seite war. Jeder ihrer Angestellten war dauerhaft auf stand by programmiert, wartete quasi stündlich darauf, dass der Superstar nach Hause kommen könnte, doch der Wunsch erfüllte sich leider nur selten. Denn die Angestellten von Stella arbeiteten ausgesprochen gerne für sie. Stella war umgänglich, immer freundlich, kein bisschen arrogant. Selten, dass sie vergaß, kleine oder auch größere Geschenke mitzubringen. Und die Geschenke waren handverlesen, nicht einfach über einen Shopping-Service gekauft. Sie wurde ohne Einschränkung für ihre Menschlichkeit und Großzügigkeit geliebt. Es gab relativ wenig Getuschel hinter ihrem Rücken, obwohl man mehr oder minder wusste, was sie nach ihren Konzerten trieb. Man glaubte zumindest, etwas zu wissen. Geredet und vermutet wurde viel, aber mit eigenen Augen und Ohren hatte bislang niemand ein nächtliches Rendezvous erlebt. Ihre Bodyguards, die ihr Privatleben am besten kannten, wie auch die Musiker ihrer Band, erwiesen sich als total verschwiegen. Und zu Hause, in Miami, war Stella äußerst zurückhaltend. Besuch von Männern, die über Nacht blieben, konnte das Personal über die Jahre an einer Hand abzählen. Meist schliefen die Besucher im Gästetrakt.

      Dennoch: Wenn sie ihre Villa verließ und auf Reisen ging, gab es nur wenige Nächte, in denen sie allein schlafen ging. Getrieben von ihrer eigenen inneren Unruhe, die sich seit dem Tod ihres Bruders potenziert hatte, getrieben von ihren erotischen Gelüsten, ihrem Männer-Verletzen-Wollen-Syndrom und nicht zuletzt getrieben von einer für Außenstehende unverständlichen, unsagbaren Einsamkeit, die sich bei ihr einstellte, seit sie ihre erste Million CDs verkauft hatte, zum ´Star´ avanciert und von den Medien als die große Geheimnisvolle im Rockbusiness geliebt und gejagt worden war.

      Franco konnte nur machtlos zuschauen. Fertig, sauer, abgespannt, traurig, seelisch ausgelaugt. Er konnte seine Gefühle inzwischen nicht mehr genau analysieren, schien paralysiert zu sein. War es die wahre, große und einmalige Liebe zu Stella Henderson, die ihn erwischt hatte? Er wusste es nicht, oder doch? Seit der ersten Begegnung mit Stella war es um ihn geschehen. Das unerklärliche Sekundenphänomen, Liebe genannt, machte sich in Millisekunden in seinem Herzen breit, dass er fast erdrückt wurde. Das in ihm ein Gefühl auslöste, wie er es zuvor noch nie verspürt hatte. Dessen war er sich ganz sicher. Es umklammerte ihn ein Liebessog kosmischen Ausmaßes und der beherrscht ihn bis zum heutigen Tage. Gibt es das? Flattern des Herzens, das kennt jeder Verliebte. Nasse Hände, nervöses Atmen, nicht mehr klar denken können – ein Glücksgefühl ohnegleichen, wenn man den anderen spürt, ihn sieht, hört ... Vielleicht war es – inzwischen, potenziert durch sein Wissen um ihr Leben außerhalb der Bühne – eine egoistische Eifersucht, die ihn zu seinem jetzigen, für Außenstehende unverständlichen, ja, krankhaften Verhalten antrieb. Oder ´nur´ die altruistische Liebe eines uneigennützigen jungen Mannes, der zufällig über die Songs der Rocklady auf die Person Stella gestoßen war und sich unsterblich in ihr Äußeres und ihre vielschichtigen, für ihn sehr aussagekräftigen Songs verschossen hatte? Der nicht sehr attraktive Italiener wusste, das sei ihm zugutegehalten, zum Zeitpunkt seines sich Verliebens in Stella noch nichts von wahrer und allumfassender Liebe, wie es sie zwischen zwei Menschen geben kann. Nicht aus eigenem Erleben. Durfte er überhaupt Liebe empfinden, da er in fast zwei Jahren noch nicht ein einziges Wort mit ihr gewechselt hatte? Sicher, er kannte seine platonische Geliebte besser, als die meisten Menschen Stella je kennenlernen würden. Er war ihr nah, sehr nah. Er fühlte mit ihr, litt mit ihr. Er kümmerte sich um sie. Beschützte sie. Das war ziemlich schizophren. Dessen war sich Franco in sehr seltenen Momenten bewusst. Aber springe einer über seinen Schatten! Wie schwer ist das! Wie stark dagegen Liebe! Wie will man sie erklären? Ganze Generationen von Dichtern haben es versucht – und doch empfindet jeder Mensch anders, fühlt, denkt, liebt nach seinem ureigenen, ihm vorgegebenen Karma, seinen Genen, folgt einem Lebensschema, gegen das kein Individuum ankämpfen kann. Auch Franco folgte seit seiner Geburt einer unverwechselbaren, vom Kosmos nur für ihn von Gott ´hergestellten/zugeteilten´ Matrix ...

      Getrieben von Gefühlen, einer Mischung aus dem Beschriebenen und Unerklärlichem, getrieben von der großen Aufgabe, die er sich selbst gestellt hatte, war seine Seele müde. Franco war ausgebrannt, psychisch und physisch. Während sein Liebling nach den langen Nächten, die Franco eifersüchtig überwachte und die ihn von Tag zu Tag mehr schmerzten, ausschlafen konnte und glücklich zu sein schien, lief seine Maschinerie, die auf Stellas Überleben und den Job als Boss eines riesigen Konzerns programmiert war, auf Hochtouren.

      Auf der aktuellen Welttournee glichen sich die Tagesabläufe fast wie ein Ei dem anderen: Stella reiste auf kurzen Entfernungen zwischen zwei Spielorten vorzugsweise mit dem Helikopter, bei längeren mit ihrem Privatjet, den sie nach Europa mitgenommen hatte. Nach fast jedem Konzert brachte Marek Bergfield seinem Superstar einen Galan direkt auf die Suite, in ein Restaurant, einen Nachtclub oder einen Club – wo immer Stella sich aufhielt und auf das nächtliche Tête-à-Tête wartete. Über den Rest musste Franco schweigen, auch wenn er sich sein Gehirn nach dem „Warum?“, dem Grund für ihr Verhalten, schier zermarterte, er verrückt zu werden drohte und kaum noch die Kraft aufbrachte, sich jede Nacht aufs Neue auf seine große Aufgabe zu konzentrieren, Stella zu beschützen und außerdem den Konzern der Familie zu führen. Der Kummer mergelte ihn aus. So sehr er sich auch bemühte, Kräfte aufzubauen – es misslang. Alles in ihm kreiste nur um seine Stella. Franco konnte sich den Luxus des langen Schlafens nicht leisten. Im Laufe der Monate war dadurch ein immenses Schlafdefizit zusammengekommen, das er nur durch hohe Disziplin in allen Lebensbereichen und seine gesunde, ausgewogene Ernährung einigermaßen zu kompensieren vermochte. Es galt, die Tage und Nächte akribisch zu organisieren. Mit seinem Team auf Stella aufpassen, das hieß für alle, den gesamten Tour-Plan minutiös mitzuleben. Und das absolut unauffällig, so perfekt, dass niemand aus dem großen Tross des Superstars ihn und seine wenigen Verbündeten registrierte und neugierig wurde, wer der Verrückte denn wohl sein könnte. Er checkte in die Hotels, in denen Stella abstieg, immer erst ein, wenn die gesamte Stella-Crew bereits in der jeweiligen Konzerthalle war. Und er verließ seine Suite so selten, dass niemand auf ihn aufmerksam werden konnte. Das Essen ließ er sich bringen; die Hotelrestaurants, Bars, Wellnessbereiche blieben für ihn tabu. Nur wenn er hin und wieder ein Konzert für einige Songs besuchte – er hatte sich für alle Konzerte der Welttour Tickets gekauft –, verließ er unauffällig das Hotel, wenn möglich durch einen Hinterausgang.

      Zu vielen Herren glaubte Franco gleichzeitig dienen zu müssen.

      Da war an erster Stelle der Konzern seines Vaters, des Chemikers Arno Mignello. Der war ein mächtiger Mann in Italien. Die alt eingesessene