DU GEHÖRST IHNEN.. Dankmar H. Isleib. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dankmar H. Isleib
Издательство: Bookwire
Серия: 666 - Perfektion des Bösen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969020050
Скачать книгу
Abgeordneten, Manager, Wirtschaftsführer, Wissenschaftler, Medienstars und sonstige Macher, Millionäre, Milliardäre, Makler und Mafiosi, Banker und Betrüger ein. Die Säulen des kranken Systems, total perverse, gierige, machtgeile Personen – Gore Vidal wusste, wovon er gesprochen hat:

      Untouchables.

      Noch.

      Sie haben aus dem Spiel mit der Macht ein Monopoly des Grauens gemacht. Es geht nur noch darum, welche Familie welchem anderen Clan mit der Vernichtung von zwei Millionen Arbeitsplätzen einen Streich spielt. Darum, wer das größere Atomwaffenarsenal beherrscht, obwohl er genau weiß, dass er es nicht benutzen kann, weil er sonst – wie dumm! – selbst damit über den Jordan gehen würde. Darum, wer es schafft, durch das Züchten von Viren, Parasiten, Mykotoxinen, Protozoen, Würmern, Pilzen und anderen Miniungeheuern ganze Landstriche oder Bevölkerungsgruppen schneller zu eliminieren als der andere. Wer die Gentechnik, Konzerne wie Monsanto, DuPont, Syngenta, Bayer, Limagrain, BASF und deren Labore beherrscht, die das Leben selbst und die Lebensweise der Menschen kommender Jahrhunderte beherrschen soll. „Hauptsache, die Menschen werden krank von dem Zeug, was wir ihnen zu fressen geben. Pestizide. Herrliche Erfindung. An all den schönen neuen Krankheiten verdienen wir auch noch gigantisch!“ Denn diesen Familien gehören nicht nur Nestle & Co., sondern natürlich die Pharmakonzerne, die die unwirksamen Pillen herstellen und verscherbeln, die dem Plebs dabei helfen, noch kränker zu werden, als er es ohnehin ist, weil der Plebs sich von denen, die Angst schüren, verführen lässt und weil sie die Ärzte auf ihren Universitäten verdummt haben und die den Dreck von unnützen Medikamenten ohne einen Hauch von Gewissensbissen verordnen. Alles haben DIE im Griff! Mit wem kann ich eigentlich über die Untouchables reden. Meine Seele entlasten? Alle denken, „ach ja, da kommt Stella, die endgeile Rocksängerin ...“ Dabei passiert in mir doch so viel mehr! Wenn ich nur an die unzähligen Wissenschaftler denke, die sich von den Machthabern missbrauchen lassen, ohne zu wissen, dass sie ihre oft genialen Gehirne in den Dienst der Vergewaltigung der Schöpfung stellen?

      Ihr Wagen hielt vor dem Lokal.

       VIII

      Am Tag des Frankfurter Konzertes,

      Meerbold, das Chamäleon.

      Offiziell war Rudolf Meerbold heute den ganzen Tag über in Brüssel. Zu einer außerordentlichen Ausschusssitzung des wissenschaftlichen Beirates des Europaparlamentes, dem er angehörte.

      Das war prinzipiell richtig, doch dauerte das Meeting nur knappe drei Stunden, so dass er schon zur Mittagszeit einen Flug zurück nach Berlin hätte nehmen können. Nicht, wie er seiner Frau gesagt hatte, noch zu einer weiteren Abendsitzung in Brüssel bleiben müsse und deshalb erst am nächsten Tag nach Hause zurückkehren könne, wenn er denn die erste Morgenmaschine von Brüssel nach Berlin erreichen würde. Auch das ließ Meerbold offen.

      Seinem Fahrer, der den Tagesplan seines Chefs besser kannte als Ariadne, musste er schon Besseres erzählen, damit der Meerbold nicht von der 16:45er Maschine am Flughafen Tegel abholte.

      Dem hatte Meerbold gesagt, dass er noch eine private geschäftliche Sache für seinen Vater mit einem Banker in Belgien erledigen müsse, die sehr vertraulich sei und er deshalb erst morgen zurückkommen werde; die genaue Ankunftszeit würde er ihm noch per SMS mitteilen, falls sich die Verhandlungen für seinen Vater wider Erwarten in die Länge ziehen würden und er die Nachtmaschine nicht mehr erreichen könne.

      Alles gelogen.

      In München, seinem heimlichen ersten Zwischenstopp von Brüssel aus, angekommen, ging Meerbold sofort in die Lounge vom Lions-Club im Terminal I. Es sah aus, als setze er sich zwangsläufig, aber eher unfreiwillig an den Tisch eines unscheinbar aussehenden Mannes, der typisch grauen Maus des Vertreteralltags, der nicht in die Lounge zu passen schien. Denn wem hier Einlass gewährt wird, glaubt, etwas Besseres in der Gesellschaft zu sein. Lions Club Lounge. Wer weiß schon, wer hinter welcher Fassade steckt und warum ...

      Der Mann mittleren Alters, der, in eine Zeitschrift vertieft, im millionenfach gesehenen Bürograu-Flanell-Einreiher an dem kleinen Tisch saß, zum Anzug dunkelbraune Halbschuhe mit dicken Gummisohlen, dunkelgraue Wollsocken, ein hellblaues Hemd, eine langweilige, gestreifte braungraue Krawatte trug, nickte nur unauffällig, als Meerbold sich näherte und fragte, ob der Platz noch frei sei. Mehr in sich blickend, als auf sein perfekt gestyltes Gegenüber achtend, trank Mister Nobody nervös sein Bier. Nur ein geschultes Auge hätte eine Verbindung zwischen dem Weltmann und dem 08/15-Bürokraten mittlerer Gehaltsstufe herstellen können.

      Es gab das geschulte Auge.

      Die Gäste der kleinen, heute überfüllten, Lions-Lounge, die den Clubmitgliedern und deren Geschäftsfreunden vorbehalten war, konnten an dem Gespräch der beiden nichts Ungewöhnliches erkennen: Die Konversation des ungleichen Paares verlief emotionslos. Zufallsbekanntschaften, die sich zwischen zwei Flügen auf angenehme Weise in der Lounge die lästige Wartezeit verkürzen, miteinander Unwichtigkeiten austauschen. Über die politische Weltlage plaudern, den gestrigen Börsensturz in Tokio mit einer fachmännischen Anmerkung versehen, mit etwas Glück einen Lions-Kollegen aus dem eigenen Club treffen und das nächste Golfturnier besprechen.

      Herr Graue Maus verließ nach wenigen Minuten, kaum wahrnehmbar, von seinen dunkelbraunen Schuhen mit den dicken Gummisohlen geräuschlos getragen, von einer hässlichen, abgeschabten, alten, braungrün schimmernden Aktentasche begleitet, die Lounge.

      Meerbold schien äußerst zufrieden zu sein, denn, wie der stille Beobachter im Weggehen mit einem Seitenblick auf Meerbold erkennen konnte, entspannte der sich zusehends und grinste ziemlich fies aus den Mundwinkeln heraus und letztlich doch in sich hinein. Meerbold gönnte sich noch einen starken Kaffee, sein offizieller Brüssel-Trip war noch nicht zu Ende. Jetzt musste er schnellstens zu seiner Stella ...

      In Frankfurt angekommen, brachte ihn das Taxi, es ist inzwischen kurz vor 19 Uhr, vom Flughafen in die City. In einem kleinen, schäbigen Hotel, dessen Namen man spätestens nach dem Auschecken wieder vergessen hat, stieg Staatssekretär Meerbold ab.

      Doch halt – schon in München war er nicht mehr Staatssekretär, höchstens noch ein auf den Cent schauender, sofort ersetzbarer Angestellter einer mittelständischen Papierfabrik, als er den Flieger nach Frankfurt bestieg. Sein Äußeres war einen ganzen Tick biederer als in der Lounge, passend für einen Mann, der einen harten Arbeitstag hinter sich hat und in der deutschen Geldmetropole ein Hotel mit zwei, maximal drei Sternen bucht. Ein unbedeutender, unauffälliger Spesenritter, der noch ein bisschen Großstadt erleben will, bevor er heim zu Mutti kommt. Der sich in einer Peepshow amüsiert oder einem Sex-Shop einen Besuch abstattet. Einer, der fragt, wie denn die ‚Girls‘ auf der Zeil so seien, bevor er das ungemütliche, etwas zu schmale Hotelbett mit seinem hässlichen, blau gestreiften Schlafanzug aus einem Billigkaufhaus schmückt und sich einen runterholt, weil ihm die Nutten doch zu teuer waren ... Alles vibriert an Meerbold, er kann die Begegnung mit der Henderson schon nicht mehr erwarten. Widerwillig springt er in die dunkelbraun gekachelte, durch einen lindgrünen Plastikvorhang geschützte Dusche mit dem Plastikschlauch und dem vergilbten Plastikdüsenkopf, aus dem nur spärlich lauwarmes Wasser plätschert und reinigt seinen Körper von der Last des Tages. Mit feinsten Essenzen, die nicht zum Ambiente des Hotelzimmers passen wollen, verwendet er große Sorgfalt auf den Reinigungsvorgang seines durch Sport gestählten Körpers, der weitaus länger dauert, als es die Dusche von seinen Nutzern im Allgemeinen gewohnt ist. Erst als das Wasser fast gar nicht mehr fließt und arg kalt wird, beendet Meerbold den Akt der Pflege.

      Seine Tarnung ist perfekt: Er hat es gelernt, selbst in auffälligem Outfit unauffällig zu bleiben. Der Concierge nimmt ihn kaum wahr, als er, der gestylte Rockfan, gerade noch braver Spießer, die enge, düstere Lobby durchschreitet. Meerbold ist sich sicher, dass der hinter dem Tresen sich nicht erinnern könnte, wer da eben das schäbige Etablissement verlassen hat.

      »Festhalle bitte!«

      »Okay.«

      »Wie viel?«

      »Zweiundzwanzigachtzig.«

      »Stimmt so.«

      »Danke, schönen Abend noch.«

      CNN