Ich setzte mich auf und das Blut rauschte in den Ohren. „Warum zum Teufel sitzen wir dann hier noch herum? Wir müssen ihn finden.“
Alejandros Brauen zogen sich zusammen. „Das werden wir. Aber zuerst müssen wir eine Strategie entwickeln. Und um das machen zu können, müssen wir herausfinden, warum sie versucht, oder eher laut Dr. Sosa versucht haben, dich und Max nicht umzubringen. Wenn er ein Lockvogel ist, dann müssen sie gewusst haben …“
Obwohl mein Oberkörper protestierte, schwang ich die Beine aus dem Bett und warf dabei beinahe eins der Gerätschaften herunter. „Wenn du glaubst, ich sitze hier herum, während Max in Schwierigkeiten ist …“ Ich riss mir den Tropf-Zugang aus dem Arm. „Dann kennst du mich schlecht, Alejandro. Ich würde für dich dasselbe tun.“
„Langsam, du musst dich ausruhen.“
„Sag mir nicht, dass ich mich entspannen soll.“
Alejandro schubste mich. Ich war schon so außer Atem, dass ich superleicht auf die Matratze zurückfiel. Die darauffolgenden Schmerzen reichten als Ermahnung, dass ich die Dinge immer noch schlimmer machen konnte.
„Ich würde das nie von dir verlangen. Und Max ebenso wenig“, sagte Alejandro. „Du nützt uns nichts, wenn du tot bist. Und das wirst du sein, wenn du nach Max suchst und nicht hundertprozentig auf den Beinen bist.“
„Du unterschätzt mich“, sagte ich und vergaß, meine laute Stimme zu bändigen. Mein Gesicht brannte bei dem Gedanken daran, dass Max schon über einen Tag lang weg war und wir nichts unternommen hatten.
„Du bist eine Gefahr für dich selbst und die Leute, die mit dir gehen würden“, erinnerte mich Alejandro. „Wir werden ihn befreien. Aber nicht heute.“
„Wir lassen niemanden zurück …“
Die Atmosphäre im Raum veränderte sich. Ich sah an Alejandro vorbei und meine Wut verflüchtigte sich sofort, als mein Blick auf Natalia fiel. Langes, dunkles, zerzaustes Haar. Atemlos mit rosa Wangen in einem weißen Satinmorgenmantel. Sie starrte mich an, als ob sie einen Geist sah.
„Du bist … wach.“
„Du bist am Leben.“
Natalia kam auf das Bett zu. Spürte sie auch diesen Magnetismus zwischen uns? Sie sah mich von Kopf bis Fuß an. „Und du blutest.“ Sie sah zu Alejo. „Warum blutet er?“
„Er hat versucht aufzustehen“, sagte Alejandro.
Dieser verfickte Verräter. Blut rann mir den Unterarm hinab. Ich spürte es nicht einmal. Ich wollte Natalia so schnell wie möglich in meinen Armen halten.
„Lass uns allein“, sagte ich zu Alejandro. „Ruf jeden im Haus zusammen, der kämpfen kann. Wir holen Max zurück.“
„Bei allem Respekt, Sir …“
„Du bist viel zu höflich, Alejandro. Die Antwort ist Nein“, sagte Natalia.
Ihre Stimme versagte dabei, aber nicht vor Zweifel. Ihre Stimmbänder klangen angespannt. Sie stellte sich gerade hin und jegliche Anzeichen von Unwohlsein verließen sie.
„Du wirst dieses Zimmer nicht verlassen, bevor du nicht komplett gesund bist.“
Ich blinzelte langsam. „Hast du mir gerade etwas verboten?“
„Das hat sie und sie hat recht.“ Alejandro hob das Kinn, zweifellos zufrieden darüber, dass er Unterstützung hatte. „Wir sind nicht bereit. Wir würden uns nur verwundbar für einen neuen Angriff machen und mehr Menschen einem Risiko aussetzen. Max ist sich dessen bewusst und Belmonte-Ruiz ebenfalls.“
Erschöpfung überkam mich plötzlich, zusammen mit dem Verlangen, Natalia zu versprechen, dass ich nie wieder von ihrer Seite weichen würde, solange sie mich dort haben wollte. „Berufe eine Versammlung ein“, sagte ich. Mir war noch schwindelig von was auch immer das für Medikamente waren, die man mir eingeflößt hatte. Ich konnte zugeben, dass ich nicht in der besten Verfassung war, Entscheidungen zu treffen. Aber bald. „Wir reden dann noch mal darüber.“
Alejandro verließ den Raum und ließ mich mit meiner Beschämung zurück. Mein Partner steckte meinetwegen in Schwierigkeiten und ich unternahm nichts. Und doch, Natalia war hier. Sie war in Sicherheit.
„Komm her“, sagte ich und federte meinen Befehl mit einem, „meine Liebe“, ab.
„Wie fühlst du dich?“, fragte sie, während sie langsam auf mich zukam. „Kann ich dir etwas bringen?“
Das Rasseln in ihrer Stimme vibrierte in meiner Brust. Ich konnte nicht zu ihr gehen. Ich hing immer noch an mehr als einer Maschine und selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, bewegte sich mein Körper nicht annähernd so schnell, wie ich es bräuchte. Meine Schwäche war sichtbar.
„Nur dich.“ Alles tat mir weh, als ich den Arm nach ihr ausstreckte. „Bitte. Komm.“
„Leg dich hin und ich komm zu dir.“
In dem Augenblick war ich bereit, allem zuzustimmen, damit sie mich berührte. Ich lehnte mich gegen die vielen Kissen hinter mir. „Deine Stimme versagt.“
Sie ignorierte mich, öffnete die Nachttischschublade und zog einen Waschlappen hervor. „Lass mich nach der Schwester rufen, die Doktor Sosa …“
Ich hielt sie auf. „Bitte, Natalia. Du bist meine Medizin. Nur du kannst mich heilen.“
Ihre Lippen bewegten sich und ihre Augen wurden feucht. Ich konnte nicht erkennen, ob sie lächelte, den Mund verzog, oder versuchte, nicht loszuweinen. Sie setzte sich auf die Bettkante, rutschte näher, bis ich ihre Körperwärme spürte. Die Geringschätzung, Feindseligkeit und die Wut, die manchmal auf ihrem Gesicht zu lesen war, wenn sie mich ansah, war verschwunden. Also hatte ich mir die Intimität während unseres letzten Telefonats nicht eingebildet. Das Mädchen, das mir einst eine Waffe auf die Stirn gerichtet hatte, schien erleichtert zu sein, dass ich noch am Leben war.
„Hier“, sie hielt mir ein Glas Wasser vom Nachttisch hin. „Trink das.“
Verflucht, Natalia. Sie versuchte, sich um mich zu kümmern. Aber ich brauchte Antworten. Mehr, als Flüssigkeiten oder Krankenschwestern. Ich trank das Wasser so schnell, wie ich konnte, während sie im Bad verschwand. Als sie wiederkam, gab ich ihr das Glas zurück. Sie legte mir den jetzt feuchten Waschlappen auf die Armbeuge, wo ich mir die Infusion herausgerissen hatte. Die Wunde war nicht größer als ein Kratzer, aber ich brachte es nicht über mich, Natalia davon abzuhalten.
„Es tut mir leid, dass ich geschlafen habe, als du aufgewacht bist“, sagte sie und wischte das Blut ab.
Ich hatte sie ab und zu über mir gesehen, ihre Hand in meiner gespürt, als ich immer mal kurz bei Bewusstsein gewesen war. Ihre normalerweise violetten Augen waren grau gewesen.
Meine frisch genähten Wunden protestierten, als ich den Arm hob, um ihre Wange zu berühren. Doch als sie ihr Gesicht an meine Hand legte, war es jeden Schmerz wert. „Ich weiß, dass du hier gewesen bist. Was ist vorgefallen? Erzähl mir alles.“
„Einer der Parkservice-Mitarbeiter hat dich angegriffen. Woran erinnerst du dich?“
„Ich meine nicht mich.“ Ich nahm ihr den Waschlappen ab und warf ihn auf den Boden. Es tat saumäßig weh, den Arm zu heben, aber ich nahm ihr Kinn, drehte ihren Kopf und betrachtete mir die schrecklich aussehenden Schnitte auf der Stirn und der Wange. Auch sie war genäht worden. Als ich die lange, angsteinflößende Schnittwunde vom Kinn bis hinunter zu ihrem Hals sah, ballte ich die andere Hand zur Faust. „Wer hat dir das angetan? Was ist hier vorgefallen?“
„Tasha hat ihn übrigens erschossen.“ Sie fuhr mit dem Daumen über einen roten Kratzer an meinem Arm. „Den Belmonte-Ruiz-Mann, der dich angegriffen hatte. Sie ist mit dem Helikopter hergeflogen und hier.“
Tasha. Deswegen war ich noch am Leben. „Sie ist hier im Haus?“
Natalia nickte ernst. „Sie … sie hat dir das Leben gerettet.“