Seine Augen leuchteten, als er meinen Blick im Spiegel fand. „Du kommst mit? Unter die Dusche?“ Das Necken in seiner Stimme bewog mich fast dazu, mein Angebot zurückzuziehen.
„Ich schulde es dir“, sagte ich. Letzten Monat war ich die Verletzte gewesen und saß in meinem Bad, während er mir Glassplitter aus den Fußsohlen holte. „Dafür, dass du mir nach dem Lagerhausbrand geholfen hattest.“
Jeglicher Humor entwich seiner Miene. „Dass du dort verletzt wurdest, war meine Schuld.“
„Was ich nicht vergessen habe.“ Aber er hatte mich gerettet. Er war an der Seite des Gebäudes, das jeden Moment hochgehen konnte, hochgeklettert, nur um mir zu helfen. Unterdessen hatte Diego mich allein um mein Leben kämpfen lassen, als er an dem Versuch scheiterte, die Drogen der Maldonados zu retten.
Ich ging einen Schritt auf Cristiano zu, wobei ich hoffte, dass meine Wangen nicht rot wurden. Vor ein paar Tagen mit meinem Ehemann zu flirten, hatte ein wenig Spaß gemacht. Und ein bisschen Spaß konnten wir gebrauchen, in dieser dunklen Zeit. „Du hast mich sauber gemacht, meine Wunden versorgt“, sagte ich. „Lass uns das wiederholen.“
„Danke, Jaz“, sagte Cristiano. „Du kannst gehen.“
Mit einem Zucken um die Mundwinkel nickte sie und verließ das Badezimmer. Wenigstens hatte sie keinen Streit angefangen. Oder gesehen, womit ich mich arrangierte. Mit den Dingen, die sich zwischen mir und Cristiano veränderten.
Dieses forsche Verhalten kannte ich nicht von mir, aber ich hatte es schon einmal gesehen. Bei dem Mann, der vor mir stand und sehr zufrieden aussah, bei meiner Forderung, mich selbst um ihn zu kümmern. Ich machte meinen Besitzanspruch klar.
Er hatte es mir schon oft gesagt. Ich gehörte zu ihm. Und zum ersten Mal hatte eine leise Stimme geantwortet.
Er gehört zu mir.
Cristiano betrachtete mich im Spiegel, als ich mich ihm von hinten näherte. „Kannst du deine Arme etwas anheben?“, fragte ich.
Er hob sie langsam an, damit ich besser an die Bandagen um seinen Oberkörper kam.
„Tut es weh?“, fragte ich, während ich mich darauf konzentrierte, den Verband abzuwickeln.
„Wirst du mir dann die Stelle küssen, damit es schneller heilt?“
Er ließ nicht nach. Ich verkniff mir ein Lächeln. „Nein.“
„Dann tut es nicht weh, nein.“
Ich betrachtete die sauberen, roten Schnittwunden genau. Sie waren nicht länger als ein Zahnstocher, aber breit genug, dass sie mit dicken, dunklen Nähten zusammengehalten werden mussten. Nachdem ich den Verband abgewickelt hatte, warf ich ihn in den Mülleimer. Ich ging zur Dusche und drehte das Wasser auf. Als ich mich wieder umdrehte, stand er direkt vor mir.
„Damit kann ich nicht duschen gehen“, sagte er.
Mein Blick fiel auf seine Hose. „Brauchst du Hilfe?“
„Ja.“ Er räusperte sich. „Es tut überall weh, wenn ich mich vorbeuge.“
Ich zweifelte nicht daran, dass es ihm wehtat, aber da er selten erwähnte, dass er Schmerzen hatte, erkannte ich die Hintergedanken. Allerdings ließ ich ihn heute Abend damit davonkommen.
Meine Finger berührten seine Haut, als ich die Jogginghose über seinen muskulösen Hintern zog. Ich atmete aus, war dankbar, dass er keine Erektion hatte. Doktor Sosa hatte Cristiano eindeutig davor gewarnt, sich zu überanstrengen. Aber wenn es um Sex ging, war ich nicht sicher, ob er auf die Warnungen hören würde. Allerdings schürte sein entblößter und auf meine Hilfe angewiesener Anblick mein Verlangen.
Die Bezeichnung Ehemann hatte während der vergangenen Wochen die verschiedensten Bedeutungen angenommen. Folterknecht. Beschützer. Lehrer. Bei der Gewissheit, dass sie sich bald wieder ändern würde, erschauerte ich. Liebhaber. Der Gedanke an Sex mit ihm hatte mich immer erregt. Auch, wenn es mir Angst machte und ich mich schämte. Aber während die Tage dahinstrichen und Cristiano langsam gesund wurde, wurde mein Verlangen, mich ihm und seinen Avancen endlich hinzugeben, immer drängender. Allerdings durfte es nicht heute passieren. Er war noch weit davon entfernt, wieder gesund zu sein.
Aber für all die Male, die er es genossen hatte, mich zu erregen, konnte ich mich endlich einmal revanchieren.
Ich hielt seinem Blick stand, während ich mir das Nachthemd über den Kopf zog und neben seiner Hose fallen ließ. Er sah auf meine Brüste. Meine Nippel waren immer noch zwei feste Knospen, die ihm eine Show boten. Ich betrat die Dusche und hielt ihm meine Hand hin. Als er unter den warmen Wasserstrahl trat, gab ich etwas Duschgel auf einen Badeschwamm und berührte damit seinen Rücken.
„Da habe ich keine Wunden“, merkte er an und sah über die Schulter. „Du musst nicht so vorsichtig sein.“
Ich schob den Schwamm über die gesamte Länge bis zu seinen Schultern und folgte einer langen Narbe von der rechten Schulter, die bis über sein Rückgrat reichte. An seinen Seiten, Armen und auf dem Rücken erzählten andere Narben von einem gewalttätigen Leben.
„Das war nicht deine erste Bekanntschaft mit einem Messer.“ Mit dem Daumen fuhr ich über eine dicke, rote Narbe unter seinem Schulterblatt. „War das eine Schussverletzung?“
„Ich sagte ja schon, man hat mich schon ein paar Mal von den Füßen geholt.“
Vor Jahren hatte ich einmal in einer Zeitung über den berüchtigten, unbekannten Anführer des Calavera-Kartells gelesen. Darin stand, dass er in seinem Leben mehr Kugeln im Körper gehabt habe, als Drogen. Ich trat um ihn herum, sodass ich vor ihm stand. Ich war fasziniert von jeder kleinen Information über seine Vergangenheit. „Was ist passiert?“
„Vieles. Eines Tages werde ich es dir erzählen, wenn du möchtest, aber die lange Narbe auf meinem Rücken ist die einzig Wichtige. Alles begann … mit dem Gürtel meines Vaters.“
Ich erstarrte und sah ihm in die Augen. Ich wünschte, es hätte mich mehr überrascht, aber es war kein Geheimnis, dass sein Vater brutal war. Ab und zu hatte Diego davon erzählt, aber er hatte es immer heruntergespielt. Hatte er das getan, weil er vielleicht meistens verschont wurde? Hatte sein älterer Bruder das Meiste eingesteckt, um seinen jüngeren zu beschützen? Vor ein paar Wochen noch hätte ich das nicht so gesehen, aber ich begann zu begreifen, dass Cristiano so ein Mensch war. Einer, der alles auf sich nahm, damit er andere beschützen konnte.
„Ich hasse deinen Vater“, sagte ich. „Und es tut mir leid, dass er das getan hat.“
„Ich habe mich damit abgefunden und meine Probleme, die ich mit ihm hatte, aufgearbeitet.“ Mit Mühe hob er eine Hand und stützte sich an der gefliesten Wand ab. „Für mich war es nicht überraschend, dass er so weit gehen würde. Bei Diego allerdings … seinen Verrat habe ich nicht kommen sehen.“
Diego und Cristiano waren die einzigen noch lebenden direkten Verwandten zueinander. Also war es ganz natürlich, dass sie sich einst nahegestanden hatten. Allerdings konnte ich jetzt die Dinge klarer aus Cristianos Perspektive erkennen. Diego hatte sich gegen seinen Bruder gestellt, indem er Cristiano für einen brutalen Mord verantwortlich machte, der Cristiano leicht das Leben hätte kosten können.
Ich betrachtete eine weitere Schussnarbe über seinem rechten Brustmuskel. „Du hast so viel durchgemacht, wovon ich keine Ahnung habe.“
„Es hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Die restlichen Narben sind kaum der Rede wert, Natalia, also mach dir keine Gedanken darüber. Das gilt auch für die frischen Narben, sowie sie verheilt sind. Wir machen weiter und sind stärker als vorher, verstehst du?“
„Ich verstehe.“ Ich begann, ihn zu waschen und versuchte, mich nicht auf die Tatsache zu konzentrieren, wie körperlich nah wir uns gerade waren. Und wie nackt. Zum ersten Mal hatte ich weder Angst noch war ich nervös.