Konstellationen und Transformationen reformatorischer Theologie. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (VWGTh)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783374051700
Скачать книгу
Arm und Reich, Nord und Süd, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. So waren die Projekte des Reformierten Weltbunds in den vergangenen Jahrzehnten vornehmlich auf das Engagement für soziale Gerechtigkeit und die Option für die Armen ausgerichtet. Das auf der 24. Generalversammlung des Reformierten Weltbunds in Accra (2004) beschlossene »Bekenntnis des Glaubens im Angesicht von wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und ökologischer Zerstörung« sagt »Nein zur gegenwärtigen Weltwirtschaftsordnung, wie sie uns vom globalen neoliberalen Kapitalismus aufgezwungen wird. Nein aber auch zu allen anderen Wirtschaftssystemen – einschließlich der Modelle absoluter Planwirtschaft –, die Gottes Bund verachten, indem sie die Notleidenden, die Schwächeren und die Schöpfung in ihrer Ganzheit der Fülle des Lebens berauben. Wir weisen jeden Anspruch auf ein wirtschaftliches, politisches und militärisches Imperium zurück, das Gottes Herrschaft über das Leben umzustürzen versucht, und dessen Handeln in Widerspruch zu Gottes gerechter Herrschaft steht.«2

      Bei diesem hartnäckigen Insistieren auf sozialer Gerechtigkeit sind alle Formen theologischer Arbeit, die sich nicht unmittelbar der an der Not der Armen orientierten Reflexion sozialer Kontexte und der Überwindung sozialer Schieflagen verpflichtet wissen, in Verruf gekommen. Davon ist auch die Arbeit der wissenschaftlichen Theologie betroffen, wie sie an den Universitäten der nördlichen Hemisphäre betrieben wird. Sie steht bei vielen reformierten Kirchenleuten des Südens unter dem Verdacht, ein bürgerlicher Luxus zu sein, wenn sie nicht gleich als intellektuelles Herrschaftsinstrument zur Ablenkung von den wirklichen Weltproblemen eingestuft wird. Mit vergleichbaren Problemgefällen von Nord nach Süd haben sich auch andere Kirchen auseinanderzusetzen. Aber bei den Reformierten sind sie besonders heftig in Erscheinung getreten, was nicht zuletzt auch mit einem starken sozialethischen Interesse reformierter Theologie zusammenhängt. Erst in den letzten Jahren ist wieder das Bewusstsein für die Bedeutung theologischer Arbeit gewachsen. So hat man eingesehen, dass ökumenische Fortschritte nur durch geduldige theologische Studienarbeit erreichbar sind.

      II.PLURALITÄT IHRER BEKENNTNISBESTIMMTHEIT

      Reformierte Theologie ist also konfessionsbestimmte Theologie. Von Ausnahmen abgesehen – eine solche Ausnahme sind seit Mitte des 19. Jahrhunderts die reformierten Kantonskirchen der Schweiz – konstituiert sich die konfessionsbestimmende Identität reformierter Kirchen über ein oder über mehrere bestimmte Bekenntnisse, die in der jeweiligen Kirche in Geltung stehen. Dabei waltet die Vielfalt. Im Unterschied zu den lutherischen Kirchen kennen reformierte Kirchen keinen abgegrenzten und abgeschlossenen Bekenntniskanon. In besonderem Ansehen steht weltweit der Heidelberger Katechismus, aber das schließt ein, dass sich die einzelne reformierte Kirche auf ein besonderes Bekenntnis bezieht, das zumeist mit ihrer Entstehung oder doch der Überwindung einer kirchlichen Konfliktsituation ihrer Geschichte verbunden ist. Da sich das Bekennen nicht in der rezitierenden Vergegenwärtigung historischer Bekenntnisaussagen erschöpft, können auch Texte, die dem aktuellen Bekennen entspringen, den Charakter eines kirchlich rezipierten Bekenntnisses annehmen. Das gilt auf jeden Fall für die Barmer Theologische Erklärung von 1934 und in wachsendem Maße für das Bekenntnis von Belhar (1986), das der Barmer Theologischen Erklärung nachempfunden ist und die Einsichten von Barmen im Blick auf die Apartheidpolitik in Südafrika fortgeschrieben hat.

      Dort, wo reformierte Theologie als Lehrfach angeboten wird, werden auf jeden Fall die Bekenntnisentwicklungen der reformierten Kirchen und die Theologie des Heidelberger Katechismus behandelt. Eine Beschäftigung mit Zwingli ist wegen seiner Bedeutung für die alternative Entwicklung der reformatorischen Abendmahlslehre wichtig. Calvin und seinem Werk – das heißt seiner Theologie und seiner Konzeptionen für Kirchenrecht und -ordnung – gebührt die Rolle eines profilbildenden Schwerpunkts.

      III.REFORMIERTE AKZENTE

      Reformierte Theologie ist evangelische Theologie. Die Verbundenheit mit den anderen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und Theologien darf man nicht übersehen, wenn man nach den prägenden Besonderheiten der reformierten Kirchen und Theologien fragt. Ein auf Abgrenzung und Überbietung bedachter Konfessionalismus widerspricht der reformierten Auffassung von der Einheit der Kirche. Vor der Frage nach den spezifisch reformierten Akzentsetzungen hat immer zuerst die Frage nach dem gemeinsam Evangelischen zu stehen. Das Ergebnis lässt sich in summa so rekapitulieren: