Konstellationen und Transformationen reformatorischer Theologie. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Группа авторов
Издательство: Bookwire
Серия: Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (VWGTh)
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783374051700
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Er erläuterte das so: »Ich verteidige keine unpersönlichen Dogmen, ich äußere aber auch nicht nur meine persönliche Meinung: ich mache Vorschläge in einer Gemeinschaft. Die Sätze, die ich schreibe, sind darum ungesichert und – wie manche meinen – waghalsig. Sie sollen zum eigenen Denken herausfordern und natürlich auch zum sachlichen Widerspruch.«29

      Eine Theologie, die sich in ihren Konzepten und Denkgewohnheiten immer wieder neu durch die Einsichten unterbrechen lässt, die aus der heutigen Begegnung mit den Textwelten der Bibel erwachsen, kann innovativ werden. Es sei an die dogmatischen Theorieschübe des 20. Jahrhunderts erinnert, von denen sich nicht wenige der reformierten Dogmatik verdankten: an die Neuformulierung des Verhältnisses von Gesetz und Evangelium, an die soteriologische Revision der klassischen Prädestinationslehre, an die differenzierte Weiterentwicklung der sogenannten Zwei-Reiche-Lehre und der christonomen Begründung der Ethik, sodann an die Weiterentwicklung der Sakramentslehre, ferner an die Verortung der christlichen Hoffnung im Horizont der gesellschaftspolitischen Verantwortung der christlichen Gemeinde, an eine die mitreißende Dynamik von Gottes Geist neu entdeckende Pneumatologie oder an die theologische Würdigung des Segens. Man kann hier durchaus von biblisch instruierten Modernisierungspotentialen für die theologische Theoriebildung sprechen, die die theologische Arbeit auf jeden Fall vor intellektueller Erschöpfung und Vergreisung bewahren.

      Auch die ökumenische Dimension theologischer Arbeit kann durch Impulse aus der reformierten Theologie gefördert werden. Zwar sind die maßgeblichen ökumenischen Dialoge zwischen der römisch-katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen über die Theologen des Lutherischen Weltbunds gelaufen; es schien, als habe dieser auf dem ökumenischen Parkett die Sprecherfunktion für die evangelische Christenheit übernommen, zumal man in Rom dazu neigt, die Protestanten mit den Lutheranern zu identifizieren.

      Die Reformierten und ihre Bewunderer verweisen gerne auf die Einsichten reformierter Sozial- und Wirtschaftsethik, auf das reformierte Engagement für die soziale Gerechtigkeit, auf die reformierte Eindeutigkeit in der Friedensfrage, wie sie etwa 1982 in der Erklärung des Moderamens des Reformierten Bundes zum Ausdruck kam, oder auf den processus confessionis gegen die globale Ungerechtigkeit für die Solidarität mit den Armen, in dem sich die Reformierten auf Weltebene sehen. Hier ließen sich mannigfache Zeugnisse reformierter Parteinahme und Empörung anführen. Der politischen Leisetreterei kann man die Reformierten jedenfalls nicht bezichtigen.

      Der Titel meiner Darlegungen spielt mit dem Titel des 1972 entstandenen Films von Luis Buñuel Der diskrete Charme der Bourgeoisie. Buñuels surrealer Spott über die Dekadenz der High Society und die von ihm boshaft in Seidenpapier verpackten Skandale und Skandälchen der Elite haben möglicherweise bei manchem die Erwartung ausgelöst, mit diesem Vortrag sollte nun ein Buñuelsches Drehbuch für die reformierte Theologie geschrieben werden. Diese Erwartung habe ich gewiss enttäuscht. Aber dass die reformierte Theologie nicht ohne einen gewissen Charme daherkommt und dass diesem Charme, sofern er nicht vordergründig und aufdringlich in Erscheinung tritt, das Merkmal des Diskreten zugeordnet werden kann, das wollte ich denn doch zum Ausdruck gebracht haben.