Diese heiß ersehnten Jahre - Liebesroman. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726355109
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Doktor Günther meint, es sei nicht nötig.« Allein durch seine verschlossene Miene brachte Helmut es fertig, Martina und die Kinder zum Schweigen zu bringen. Es gab Hackbraten mit Spinat, ein Gericht, das er liebte; heute aß er, als wenn es Häcksel wäre.

      Martina ließ sich ihre gute Laune nicht nehmen. Es war ihr gelungen, ihrem Leben eine neue Richtung zu geben, und sie war stolz auf sich.

      Die Wohnungsfrage zu lösen erwies sieh als schwierig. Zwar wurde an allen Ecken und Enden von Düsseldorf gebaut, aber die Nachfrage nach Wohnungen war entschieden größer als das Angebot. Es war üblich geworden, schon dann zu vermieten, wenn gerade erst das Fundament des neuen Gebäudes betoniert war, ja, manchmal sogar noch früher, wenn das Vorhaben erst auf dem Papier stand.

      Martina aber brauchte ihre Wohnung sofort. Nach Ostern begann das neue Schuljahr, der beste Termin also, die Kinder umzuschulen. Aber keine der beziehbaren Wohnungen entsprach ihren Ansprüchen. Sie durfte nicht teuer sein, denn sie würden, jedenfalls im ersten Jahr, sparsam leben müssen. Und sie mußte aus drei Räumen bestehen und verkehrsgünstig liegen.

      So gewissenhaft Martina auch die Inserate der Tageszeitungen, nicht nur am Wochenende, studierte, so unermüdlich sie straßauf und straßab lief – sie fand nichts, was ihren Vorstellungen entsprochen hätte.

      Schon faßte sie die Möglichkeit ins Auge, in Dinslaken zu bleiben und noch ein weiteres Jahr täglich hin und her zu fahren. Sich selber hätte sie das zugemutet, nicht aber Claudia und Stefan. Außerdem hatte sie mit Helmut ausgemacht, daß er, der in Dinslaken blieb, die Wohnung behalten sollte.

      Ausgerechnet am 1. April erhielt Martina die Scheidungsurkunde. Diesmal schmeckte der Sieg bitter. Sie wußte immer noch nicht, wo sie wohnen sollte.

      »Wann wirst du räumen?« fragte Helmut.

      Martina wagte nicht, ihn zu bitten, sie noch wohnen zu lassen. Das wäre ihr, nachdem sie sich in jedem Punkt gegen ihn durchgesetzt hatte, unfair erschienen. »So bald wie möglich«, sagte sie nur.

      »Wann ist ›bald‹?«

      »Hast du es denn so eilig, mich loszuwerden?«

      »Ehrlich gestanden, ja.«

      »Du kannst es wohl nicht abwarten, bis du wieder verheiratet bist?«

      »Ich und wieder heiraten? Den Teufel werde ich tun.«

      »Kennt Susi deine Einstellung?«

      »Das ist nicht dein Problem.«

      »Du hast recht«, gab Martina zu.

      »Also, wann ziehst du aus?«

      Martina konnte und wollte sich nicht festlegen lassen. »Du weißt, daß ich Tag für Tag auf Wohnungssuche bin. Ich bleibe bestimmt nicht eine Minute länger als nötig.«

      »Ich mache dir einen Vorschlag zur Güte«, sagte er. »Ich werde solange zu meiner Mutter ziehen.«

      »Das ist wirklich hochanständig von dir!«

      »Ich tue es in meinem eigenen Interesse. Es besteht ja jetzt wirklich kein Grund mehr, mir von dir auf den Nerven herumtrampeln zu lassen.«

      »Daß du so zarte Nerven hast, habe ich nie geahnt.«

      »Ich ziehe also aus. Aber spätestens am nächsten Ersten will ich die Wohnung für mich haben.«

      »Ich werde sehen, was ich tun kann.«

      Martina half ihm beim Kofferpacken.

      Als er sich von den Kindern verabschiedete, wurde er plötzlich weich.

      »Mach’s gut, mein Junge!« Er fuhr Stefan mit ungewohnter Zärtlichkeit durch das weiche braune Haar.

      Claudia klammerte sich mit aller Kraft an ihn. »Wo willst du hin, Vati?«

      »Ich muß fort, mein Liebling.« Seine Stimme klang rauh, als müsse er mit den Tränen kämpfen. »Aber wir sehen uns bald wieder . . . Am Samstag bei den Großeltern, ja?« Rasch wandte er sich ab und verließ die Wohnung, ein großer Mann, die Schultern gebeugt durch die Last der Koffer.

      »Das verzeih’ ich dir nie, Mutti!« rief Claudia aufgebracht.

      »Jetzt hör mich mal an . . . «

      »Du hast Vati aus dem Haus getrieben!«

      »Aber ich habe doch gar nicht . . . «

      »Doch hast du! Meinst du, ich bin blind und taub? Du warst gemein zu Vati . . . oh, so gemein!« Sie rannte ins Kinderzimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

      Martina sah ihren kleinen Sohn an. »Bist du auch böse auf mich?«

      »Nö. Er hat ja doch nie mit mir gespielt.«

      Martina nahm den Jungen in die Arme. »Wir beide müssen jetzt ganz fest zusammenhalten, hörst du?«

      »Klar, Mutti«, versicherte er, aber er befreite sich rasch, denn er mochte keine Zärtlichkeiten.

      Die Wohnungsfrage löste sich dann durch einen glücklichen Zufall. Martina telefonierte eines Abends mit Irene Klose und erzählte ihr von ihren Sorgen. Dabei hatte sie den Eindruck, daß Irene nur mit halbem Ohr hinhörte, denn sie stand im Banne eigener Erlebnisse; sie war ebenfalls im Kosmetikinstitut Heerdegen angenommen worden und hatte die Stellung bereits angetreten. Natürlich interessierte sich Martina für ihren Bericht über die ersten aufregenden Tage, aber sie legte den Hörer doch mit einem Gefühl der Enttäuschung auf.

      Es schien ihr jetzt, als habe sie falsch geplant. Sie hätte sich gleich im Januar, im Moment, da sie die Scheidung einleitete, nach einer Wohnung in Düsseldorf umsehen müssen.

      Martina sah nur noch eine einzige Möglichkeit, aus der Notlage herauszukommen: wie seinerzeit ihre eigene Mutter nach dem Tod ihres Mannes zur Großmutter nach Essen zu ziehen. Die Wohnung der alten Dame war groß genug, sie alle aufzunehmen, und wahrscheinlich würde sie sogar froh sein, Gesellschaft zu haben. Aber – und darüber machte Martina sich keine Illusionen – die Großmutter würde darauf bestehen, daß Martina zu Hause blieb, sich um ihre Kinder und darüber hinaus um den ganzen Haushalt kümmerte. Von einer beruflichen und persönlichen Entfaltung konnte dann keine Rede mehr sein. Das war schlimm, und dennoch sah Martina keine Alternative, sosehr sie sich auch das Hirn zermarterte. Sie klammerte sich an den Gedanken, daß es ja nur vorübergehend wäre, aber sie war realistisch genug, sich nichts vorzumachen. Aus Erfahrung wußte sie, daß die Lösung von der Großmutter mindestens so schwierig sein würde wie die aus ihrer Ehe. Die alte Dame konnte, wenn es um ihre Bequemlichkeit und ihren Eigennutz ging, sehr trickreich sein.

      Unterschlupf bei der Großmutter zu suchen – das kam einer Niederlage gleich, und Helmut würde sich ins Fäustchen lachen.

      Unruhig ging Martina hin und her. Sie drehte die Radiomusik lauter, um ihre Einsamkeit zu übertönen. Die Kinder schliefen schon. Sie fühlte sich sehr allein.

      »Cindy, oh, Cindy, dein Herz wird einsam sein . . . « sang Margot Eskens, » . . . der Mann, den du geliebt, ließ dich allein . . . « Martina hatte diesen Schlager, als er vor zwei Jahren aufkam, sehr gern gemocht; er war ihr tagelang nicht aus dem Kopf gegangen. Aber jetzt wollte sie ihn plötzlich nicht mehr hören. Sie stellte das Radio ab. In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Martina meldete sich.

      »Ich bin’s nur noch mal, Martina«, sagte Irene Klose. »Du, ich hab’ dich doch vorhin richtig verstanden? Du suchst eine Wohnung in Düsseldorf?«

      »Ja, und wie!«

      »Da wüßt’ ich was. Zwar nicht berauschend elegant, aber brauchbar. Drei Zimmer, Küche und Bad.«

      »Wo?«

      »Hier in Benrath. In der Börchemerstraße. Die geht von der Schloßallee ab, und von dort fährt der Achter direkt in die Stadt.«

      »Ist das nicht eine ziemlich teure Gegend?«

      »Die Gegend schon, aber die Wohnung nicht. Es ist eigentlich keine Wohnung, sondern mehr ein Häuschen.«