»Dat ist aber fix gegangen«, sagte Anna Stadelmann. »Hast du Pulverkaffee gemacht?«
»Nein, ich habe gefiltert.«
»Wenn man das Wasser zu schnell durchgießt, dann wird dat nichts.«
Martina schenkte ein. »Probier doch erst mal.«
Anna Stadelmann tat es.
»Na ja«, sagte sie nur, und das konnte man auslegen, wie man wollte.
Helmut hatte sich eine Zigarette angezündet. Martina setzte sich. Die Schwiegermutter rührte in ihrer Tasse. Niemand sagte ein Wort.
Martina haßte dieses dumpfe Schweigen, in dem die beiden sich wohl zu befinden schienen. Aber sie wollte nicht noch eine Abfuhr riskieren, so schwieg sie ebenfalls. Auch dachte sie, es sei Sache der Besucherin, den Grund ihres Kommens mitzuteilen.
»So ist dat also«, sagte Anna Stadelmann endlich. »Du willst Schluß machen. Hast du dir dat auch gut überlegt?«
»Ja«, erklärte Martina mit fester Stimme. »Und es ist unnütz, noch ein Wort darüber zu verlieren.«
»Wenn dir dat man nicht eines Tages leid tun wird.«
»Warten wir’s ab.«
»Gepaßt«, sagte Anna Stadelmann, »hast du ja nie zu meinem Helmut.«
Martina stand auf und nahm ihre Tasse Kaffee.
»Was ist los?« fragte Helmut.
»Ich habe keine Lust, mir das anzuhören.«
»Nimmst du es meiner Mutter übel, daß sie deine Kurzschlußhandlung nicht versteht?«
»Ich nehme es ihr gar nicht übel. Aber zum Glück sind wir über das Stadium der gegenseitigen Vorwürfe hinaus. Ihr könnt besser auf mich schimpfen, wenn ihr allein seid.«
»Wer will denn auf dich schimpfen?« fragte Anna Stadelmann mit gespielter Arglosigkeit. »Komm, setz dich wieder! Helmut hat ganz recht: ich versteh’s nur nicht. Wie man seinen Mann verlassen kann . . . wie man so einen Mann verlassen kann, er war doch immer ein guter Junge. Du hättest ihn eben nicht allein lassen dürfen.«
»Womit wir wieder beim Anfang angelangt wären.« Resigniert schloß Martina für Sekunden die Augen.
»Ich hab’s ja bloß gut gemeint«, verteidigte sich die Schwiegermutter.
»Kann schon sein, aber ich pfeife auf deine gute Meinung. Als ich sie gebraucht hätte, war sie nicht da. Gib lieber zu, daß du mich nie gemocht hast. Also solltest du doch froh sein, daß du mich endlich loswirst, und ich wette, du bist es auch!«
»Bin ich nicht.«
»Das sagst du jetzt bloß, damit du dir hinterher keine Vorwürfe zu machen brauchst. Ich kenne dich. – ›Zum Glück brauche ich mir keine Vorwürfe zu machen‹, das ist doch deine Lieblingsredensart.«
Helmut drückte seine Zigarette aus. »Habt ihr nun genug aufeinander herumgehackt?«
»Reichlich«, stimmte Martina zu. »Von mir aus können wir die Sitzung beenden.«
Jetzt endlich entschloß sich Anna Stadelmann, die Katze aus dem Sack zu lassen. »Ich bin bloß gekommen, um . . . Also ich meine, wenn dir die Kinder im Weg sind, ich könnte sie zu uns nehmen. Nur für eine Weile. Vater wäre auch einverstanden. Du hättest es dann doch leichter. Wenigstens für den Anfang.« »Danke«, sagte Martina. »Das ist sehr lieb von euch.«
Sie erkannte an, daß die Schwiegereltern bereit waren, diese Last auf sich zu nehmen, auch wenn sie es nicht ihr, sondern Helmut zuliebe taten. Selbstverständlich lief diese Aktion darauf hinaus, doch irgendwie, wenn auch hintenherum, das Sorgerecht für die Kinder zu erlangen. Zumindest aber würden sie gegen die eigene Mutter aufgehetzt werden.
»Wann bringst du sie?« fragte Anna Stadelmann und spielte mit dem Kaffeelöffel.
»Gar nicht. Ich werde schon allein mit ihnen zurechtkommen.«
»Wie stellst du dir dat vor? Wenn du auf Arbeit gehst . . . «
Martina fiel ihr ins Wort. »Das ist meine Sorge, Schwiegermutter. Du solltest dich gar nicht damit belasten. Möchtest du noch eine Tasse Kaffee? Nein? Schade. Aber ich weiß, wir haben dich schon zu lange aufgehalten. Mach es gut.«
»So hättest du nicht mit ihr umspringen müssen«, sagte Helmut, als seine Mutter nach einem, wie Martina fand, übertriebenen Abschied von den Kindern gegangen war.
»Doch, ich mußte«, erwiderte sie mit einem Lächeln, bei dem ihre Augen ganz ernst blieben. »Ich mußte mich wehren. Ich habe mich ihr gegenüber immer wehren müssen.«
»Ich habe nie gemerkt, daß sie dich angegriffen hat.«
»Nein, du nicht. Das glaube ich dir.«
Mit stummer Mißbilligung wandte er sich ab und zog seinen Mantel an. Martina blieb mit den Kindern allein zurück. Die Freude über die bestandene Prüfung war plötzlich schal geworden.
Schon vor dem Abschluß in der Kosmetikschule hatte Martina begonnen, sich nach einer Stellung umzusehen. Bevor sie selber ein Institut eröffnen konnte, mußte sie mindestens ein Jahr als Praktikantin arbeiten. Es war wichtig für sie, an einem Institut unterzukommen, das nicht nur einen guten Namen hatte, sondern ihr, der Anfängerin, auch Gelegenheit bot, möglichst viele verschiedene Behandlungen durchzuführen. Das Kosmetikinstitut Heerdegen, auf der stillen Seite der Königsallee gelegen, war ein Betrieb, in dem sie gern gearbeitet hätte. Dort hatte sie sich auch schon vorgestellt und war wohlwollend in Betracht gezogen worden. Aber erst jetzt, da sie ihr Diplom in der Tasche hatte, konnte sie sich mit Nachdruck um eine Anstellung bemühen.
Guten Mutes fuhr sie am Montag in der Frühe nach Düsseldorf. Über die nahe Zukunft brauchte sie sich keine Sorgen zu machen. Als Praktikantin unterzukommen war, das wußte sie, kein Problem. Erst später, als ausgebildete Fachkraft mit entsprechenden Gehaltsansprüchen, würde es schwieriger werden; auch deshalb war sie fest entschlossen, sich so bald wie möglich selbständig zu machen.
Das Kosmetikinstitut Heerdegen erstreckte sich über alle Stockwerke eines schmalen alten Hauses aus der Gründerzeit, das vormals eine Privatvilla gewesen war und mit seiner eindrucksvollen Sandsteinfassade immer noch so gewirkt hätte, wenn nicht die Schilder des Instituts in den Fenstern gestanden hätten. Innen war es umgebaut worden, nur die schöne geschwungene Treppe in der Eingangshalle hatte man stehen lassen; sie gab dem Institut eine besondere Atmosphäre. In dieser Halle konnten die Kunden warten, lesen und sich – vor oder auch nach der Behandlung – eine Erfrischung gönnen: Tee, Kaffee und viele Arten von nichtalkoholischen Getränken.
Bei ihrem ersten Besuch hatte Martina diese Halle betreten, war aber von der jungen Dame in der Anmeldung belehrt worden, daß sie, wie die Angestellten des Hauses, den Lieferanteneingang zu benutzen hatte. Dieser zweite Eingang, ein Überbleibsel aus der »guten alten Zeit«, lag einige Stufen unterhalb der Straße und führte in das Souterrain, in dem die Küche, die Büros und auch die Aufenthalts- und Garderobenräume für das Personal untergebracht waren.
Auf Martinas Klingeln öffnete sich die schmale Tür mit dem vergitterten Fenster. Sie betrat einen langen, künstlich beleuchteten Gang, der bis zur Hinterseite des Hauses führte. Im Gegensatz zur Eleganz der oberen Räume gab es hier nur ein paar schäbig gewordene Korbsessel.
Martina meldete sich an und machte sich auf langes Warten gefaßt, aber schon wenige Minuten später wurde sie hereingerufen. Eine Sekretärin führte sie durch das Vorzimmer in das Chefbüro, einen hübschen, quadratischen Raum, der Licht aus einem hochliegenden, vergitterten Fenster erhielt. Das Zimmer war zweckmäßig und sehr einfach eingerichtet. Es war augenscheinlich, daß die Chefin hier niemals Kundinnen zu empfangen pflegte. Frau Heerdegen saß hinter ihrem großen Schreibtisch und blickte Martina mit leicht zusammengekniffenen Augen prüfend an. »Frau Martina Stadelmann . . . «
»Ja,