Allergien revolutionär. Magdalena Stampfer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magdalena Stampfer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783966612531
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hat von derartigen Offenlegungen nicht viel. Einer Zusammenarbeit der deutschen Rechercheplattform Correctiv, der Tageszeitung Der Standard und des ORF ist es zu verdanken, dass eine Datenbank entstanden ist, in der man nach den behandelnden Ärzten und Spitälern recht einfach suchen kann. Der Haken dabei: Ergibt die Suche keinen Treffer, heißt das nicht, dass der betreffende Arzt keine Zahlungen erhalten hat. Möglicherweise hat er nur der Veröffentlichung seiner Daten nicht zugestimmt. Der Großteil der Zahlungen bleibt damit weiterhin im Verborgenen, denn nur 18 Prozent der Geldflüsse sind nachvollziehbar [24]. In Deutschland sieht dieser Prozentsatz ähnlich aus, die absoluten Beträge sind aber beeindruckender: 2017 sind laut Handelsblatt über 600 Millionen Euro von der Pharmaindustrie an Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken geflossen.

      Es ist nicht Ziel dieses Buchs, die Hintergründe dieser Praxis noch näher zu beleuchten. Diese Vorgänge im Auge zu behalten ist aber wichtig, wenn wir uns mit Themen beschäftigen, die der offiziellen Lehrmeinung und möglicherweise auch der Meinung Ihres Arztes widersprechen. Und in diesem Buch werden Sie auf viele Informationen stoßen, die zwar wissenschaftlich gestützt sind, in vielen Fällen aber von den Gesundheitsbehörden und der Pharmaindustrie ignoriert oder angegriffen werden.

      Wir befinden uns in einer Zwickmühle: Viele Studien sind mangelhaft oder sogar manipulativ, doch es gibt auch seriöse und wichtige, denen Beachtung geschenkt werden sollte. In diesem Buch werden Sie viele Verweise zu wissenschaftlichen Publikationen finden und alle hier zitierten Studien wurden auch tatsächlich auf ihre Qualität überprüft, nicht immer mit zufriedenstellendem Ergebnis. Wo Mängel oder Manipulationen entdeckt wurden, werden sie auch aufgezeigt. Trotz der vielen schwarzen Schafe sollten wir aber nicht vergessen, wie viele engagierte Wissenschaftler es gibt, die tatsächlich der Wahrheit ein wenig näherkommen wollen. Und wie viele Ärzte sich wirklich für das Wohl ihrer Patienten einsetzen, obwohl es ihnen das vorherrschende Gesundheitssystem wirklich nicht leicht macht.

      Wie bei allen umstrittenen Themen, ob im Weltgeschehen, in der Werbung oder bei einem familiären Streit, ist es ratsam, ein wenig über den Tellerrand zu blicken und sich zu fragen, was uns jemand sagen möchte und warum. Wer gibt mir welche Information und mit welchem Ziel?

      Die gesamte Natur ist auf Kooperation und eine gesunde Balance ausgelegt. Sogar der Borkenkäfer, der keinen besonders guten Ruf hat, verrichtet nur seine Aufgabe. In einem gesunden Wald wird seine Population auch im Rahmen bleiben und er hat in dem hochkomplexen System Wald eine Funktion. Nur dort, wo der Mensch rücksichtslos in den Baumbestand eingreift, kann sich der unbeliebte Käfer ungehemmt vermehren. Das liegt daran, dass bereits davor etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Prinzipiell ist in der Natur alles in genialen Kreisläufen geregelt.

      Es ist ziemlich anmaßend zu glauben, dass der Körper aus dem Nichts heraus allergisch reagiert und wir nichts anderes zu tun brauchen, als diese Reaktionen zu unterdrücken. Das widerspricht einfach der Logik eines lebenden Organismus und dem Hausverstand. Warum sollte der Körper etwas Sinnloses tun? Wenn wir etwas nicht verstehen, sehen wir es oft als sinnlos an. In meiner Schulzeit habe ich noch gelernt, dass der Blinddarm (genauer gesagt der Wurmfortsatz) ein völlig überholtes Teil ohne Funktion ist, ein evolutionäres Überbleibsel. Heutzutage wissen wir, dass der Blinddarm sehr wohl immunologische Aufgaben hat und keineswegs vollkommen redundant ist. Wenn wir etwas noch nicht verstanden haben, sollten wir nicht der Natur oder Evolution vorwerfen, dass es unlogisch ist. Diese waren nicht nur vor uns da, sie sind auch um einiges genialer.

      Wenn namhafte Allergologen in Interviews Sätze wie „Allergikern schadet nicht die Chemie, sondern die Natur in Form von Eiweißstoffen“ von sich geben, wundere ich mich schon ein wenig, wo die Achtung und Wertschätzung gegenüber der Natur und unserem Körper gegenüber geblieben sind [25]. Wir sind nicht schlauer als die Natur, auch wenn wir es in unserem Größenwahn vielleicht oft gerne wären.

      Was Allergien und Unverträglichkeiten betrifft, gibt es eine ganze Reihe von Sichtweisen, die sich nicht mit dem Blickwinkel eines schulmedizinisch orientierten Allergologen decken. Für vieles gibt es auch in qualitativ hochwertigen Studien Belege, anderes hat man durch jahrelange oder auch jahrhundertelange Beobachtung festgestellt, wie beispielsweise in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Manches wiederum lässt sich nur erkennen, wenn man nicht nur das Symptom betrachtet, sondern das große Ganze miteinbezieht.

      Trotz des enormen Wissens, das wir über den menschlichen Organismus haben, wissen wir erstaunlich wenig über die größeren Zusammenhänge Bescheid. Heutzutage kann man die beteiligten Interleukine genauestens benennen, die molekularen Sequenzen identifizieren, auf die Immunglobuline tatsächlich reagieren und im Elektronenmikroskop die Immunzellen bei der Arbeit beobachten. Aber verlieren wir vor lauter Konzentration auf die kleinsten Details nicht das größere Geschehen aus dem Blickfeld?

      Es sind ganz allgemeine Fragen wie: Warum steigt weltweit die Zahl der Allergieerkrankungen an? Wieso treten in ärmeren, weniger entwickelten Gebieten auch weniger Unverträglichkeiten auf? Warum gab es in der DDR weniger Allergien als in Westdeutschland? Und im russischen Karelien weniger als im finnischen Teil? Und in Bezug auf die Einzelperson, die an einer Allergie oder Unverträglichkeit leidet, sollten wir uns fragen, was die Geschichte dieses Menschen ist. Was ist passiert, als die Allergie aufgetreten ist? Wann genau treten die Symptome auf? Wodurch werden sie besser, wodurch schlechter? Welchem Stress ist diese Person ausgesetzt? Was ist in ihrem Leben gerade die größte Belastung?

      Irgendwann während des Medizinstudiums scheinen viele angehende Ärzte das Vertrauen in die natürliche Heilkraft des Körpers zu verlieren. Vielleicht weil man lernt, was alles schiefgehen kann und welche Krankheiten zu welchen Komplikationen führen können. Der Lehrplan ist auch nicht so ausgelegt, dass man viel über die Macht des Geistes, die wichtige Rolle der Ernährung und über Selbstheilungskräfte erfährt. Viel zu häufig gleicht die Therapie einer Bedienungsanleitung: Bei Diagnose A verschreibt man Medikament B oder C. So einfach sollte es gehen. Deshalb stößt die Schulmedizin bei den meisten chronischen Erkrankungen schnell an ihre Grenzen, weil diese doch erheblich komplizierter sind. Während die Fortschritte in der Notfallmedizin und in der Chirurgie unglaublich groß sind und fast schon wie in Science-Fiction Büchern anmuten, herrscht bei der Behandlung von chronischen Beschwerden im Grunde Stillstand. Als einzige Behandlungsoption wird die Unterdrückung der einzelnen Symptome angeboten. Wir schalten nach einem erfolgten Einbruch einfach die schrillende Alarmanlage aus, dann ist erstmal Ruhe. Irgendwann bemerken wir dann schockiert, dass unsere Wertgegenstände verschwunden sind und der Safe leergeräumt wurde.

      Patienten geben viel zu oft die Verantwortung für ihre eigene Gesundheit an jemanden anderen ab – Ärzte, Behörden, Richtlinien, Ratgeber. Es gibt Menschen, die zum Arzt gehen, um zu erfahren, wie sie sich fühlen. Erst wenn der Arzt bestätigt, dass die Werte in Ordnung sind, geht es ihnen gut. Das ist so, als müsste eine übergeordnete Stelle erst die Erlaubnis zum Wohlbefinden ausstellen. Viele Patienten sind auch verärgert, wenn ein besonnener Arzt zu Bettruhe rät, denn sie hätten sich lieber ein starkes Medikament gewünscht, um sofort wieder fit zu sein. Dem Körper Zeit für Heilung zu geben, ist für viele eine abstruse Idee. Bei einer Erkältung einfach nur nichts zu tun und abzuwarten, erzeugt so viel innere Unruhe, dass es für viele schwer auszuhalten ist. Dabei spricht sogar medizinisch gesehen vieles dafür. Unlängst ist zu diesem Thema ein wissenschaftlich fundiertes Buch erschienen: „Fragen Sie weder Arzt noch Apotheker: Warum Abwarten oft die beste Medizin ist.“ Zugegeben, mit Abwarten kann man nicht viel Geld verdienen.

      Dieser Ungeduld liegt oft ein Mangel an Vertrauen an uns selbst und unseren Körper zugrunde, sowie der Anspruch, dass man weiterhin funktionieren sollte. Wir lernen es schlichtweg nicht oder verlernen es nach und nach, auf unseren Körper zu hören, seine Signale zu deuten und seine Wünsche zu respektieren. Je besser wir uns mit unserem eigenen Körper verstehen, desto besser geht es uns körperlich und emotional. Vielleicht ist es also eine gute Idee, sich näher damit zu beschäftigen. Egal, was Ihnen ein Arzt erzählt oder was Sie in einem Ratgeber lesen: Niemand kennt Ihren Körper so gut wie Sie selbst. Dabei ist es natürlich manchmal notwendig, jemanden anderen um Hilfe zu fragen. Denn jeder von uns hat seine blinden Flecken, die von außen leichter aufzudecken sind.