»Nein? Ist es nicht?« Sie konnte die Ironie in ihrer Frage nicht unterdrücken.
»Will und ich…«, begann er zögernd, »… haben zusammen gegen die Chinesen gekämpft.«
»Gekämpft? Gegen die Chinesen?« Marci schaute ihn begriffsstutzig an und unterdrückte nur schwer ihren plötzlich aufwallenden Zorn. »Willst du mich verarschen? Wo soll das denn gewesen sein? In einer Spielhölle?« Das wurde ja immer besser, dachte sie und vergaß all ihre Furcht. Stattdessen stemmte sie wütend die Hände in die Hüften. »Hör zu, ich hab keine Zeit für solche Spielchen. Sag meinem Mann, er ist ein elender Spinner. Ich glaube ihm kein Wort mehr. Er kann sich seinen Schwachsinn sonst wohin stecken. Wenn er die Jungs sehen will, soll er zunächst einmal für sie zahlen, sonst wird das nichts.«
»Er war mit mir auf den Killingfields in der Wüste Gobi«, antwortete der Robot unbeeindruckt. Es war, als ob ihn ihre Argumente nicht interessierten und es die selbstverständlichste Sache der Welt wäre, dass ihr Mann gemeinsame Sache mit einer Kampfmaschine gemacht hatte, die nun zu einem Sexroboter umfunktioniert worden war. Dazu noch tausende Meilen entfernt, in einer Gegend, in der angeblich kein menschliches Wesen überleben konnte.
»Hör auf damit, verdammt!«, herrschte sie den Robot zu allem entschlossen an und verschränkte nun ihrerseits die Arme vor der Brust. »Will war Polizist und kein Soldat. Außerdem kämpfen keine Menschen an der Front, sondern nur Robots. So viel weiß sogar ich.« Sie versah die angebliche Maschine, die von einem Menschen tatsächlich nicht zu unterscheiden war, mit einem argwöhnischen Blick und forschte in seinem bärtigen Gesicht nach eindeutigen Anzeichen, die ihn als Lügner entlarvten. »Vielleicht bist du ja gar kein Robot, sondern gibst dich nur als solcher aus. Vielleicht hast du Will in Wahrheit getötet und seine Identität gestohlen und bist nun gekommen, um dir den Rest zu holen, von dem was noch fehlt?!«
»Und deshalb tauche ich bei Rochelle als Escort Robot auf und werde von ihr erwartet?« Er hob seine exakt geschnittene Braue und sah sie fast spöttisch an. Das brachte sie nur noch mehr auf die Palme.
»Ich weiß, das macht alles keinen Sinn«, fauchte sie ihn an. »Nichts macht hier einen Sinn, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Deshalb tu mir einen Gefallen und verschwinde einfach!«
»Du musst mir glauben«, versicherte er ihr und schaute ihr mit treuem Blick tief in die Augen, was Marci nur noch wütender machte. »Will war mein Freund.«
»Das glaub ich nicht«, konterte Marci. »Er hat sich noch nie etwas aus Blechbüchsen gemacht! Falls du überhaupt eine bist!«
»Komm her«, forderte er sie auf. »Und werfe einen Blick in meine Pupille. Dann siehst du, dass ich tatsächlich ein Robot bin.«
Marci schüttelte verzweifelt den Kopf. Doch dann näherte sie sich ihm. Langsam und mit äußerstem Widerwillen. Da er gut vierzig Zentimeter größer war, als sie, bückte er sich tatsächlich zu ihr hinunter, um ihr einen tieferen Einblick in sein rechtes Auge zu gewähren. Bei genauem Hinsehen erkannte sie in seiner Linse einen winzigen, integrierten Bildschirm, der von weitem nicht auszumachen war und allem Anschein nach für den besonderen Glanz in seinen Augen sorgte, den sie bereits bewundert hatte. So wie es aussah, versorgte ihn das winzige Ding laufend mit elektronisch generierten Informationen.
»Du bist wahrhaftig eine verdammte Blechbüchse«, entfuhr es ihr voller Verachtung. »Will hat Blechbüchsen gehasst, weil sie ihm den Job weggenommen haben. Warum zur Hölle sollte er ausgerechnet dich zu seinem Vertrauten machen?« Die Erinnerungen an Will und das, was sie einmal verbunden hatte, schnellten wie Pfeile in ihre Brust und gaben ihr den Rest. Ohne es zu wollen, brach sie in Tränen aus. Der Robot kräuselte die Stirn und machte einen Schritt nach vorn, um sie zu berühren, aber sie wich ihm aus.
»Verdammt nochmal, bleib wo du bist!«, giftete sie ihn an und streckte abwehrend die Hände aus. »Warum tust du mir das an?«, warf sie ihm mit tränenerstickter Stimme vor. »Ich habe weder mit Rochelle noch mit ihrem gottverfluchten Ex-Mann etwas zu tun. Ich putze deren verfickte Villa, sonst nichts. Wenn du eine Maschine bist, die sich dafür rächen will, dass man sie in diese Hölle geschickt und dann in einen Sexroboter umprogrammiert hat, so kann ich das durchaus verstehen. Aber ich bin nicht der richtige Adressat, um etwas daran ändern zu können. Ich habe damit nicht das Geringste zu tun, wenn du verstehst?«
Die Miene des Robots blieb stoisch. Ihre Aufregung schien sich nicht im Geringsten auf ihn zu übertragen. »Hast du ein Tablet?«, fragte er ernst.
Es war eine schlichte Frage und doch hätte Marci sie am liebsten verneint. Aber was immer er von ihr wollte, vielleicht würde er endlich Ruhe geben, wenn sie ihm den einzigen Gegenstand von Wert übergab, den sie besaß, ganz gleich, was er damit anstellen wollte.
Mit einem Seufzer bückte sie sich, wobei sie den Robot nicht aus den Augen ließ und löste eine Platte aus dem Küchenboden, wo sie das Tablet vor möglichen Dieben verbarg, was sie immer tat, bevor sie die Wohnung verließ. Der Robot beobachtete sie, machte jedoch keine Bemerkung zu ihrem merkwürdigen Versteck. Nachdem sie die Bodenplatten wieder geschlossen hatte, streckte sie ihm in gebührendem Abstand das Tablet entgegen. Kaum, dass er es an sich genommen hatte, zog sie sich hinter ihr Sofa zurück, das ihr aller Vernunft zum Trotz wie eine schützende Barriere erschien. Ihr ungebetener Gast schaltete das Tablet ein und gab dem altersschwachen Hauptkommunikator ein paar einfache Sprachbefehle, um auf seiner glatten Oberfläche ein holografisches Bild zu erzeugen.
»Vielleicht sollten wir uns setzen«, schlug er vor, als er sah, dass Marci angespannt mit dem Fuß wippte.
»Okay«, sagte sie und nahm wenig überzeugt in halbwegs sicherem Abstand zu ihm auf dem altersschwachen Sofa Platz. Sie war kurz davor, endgültig den Verstand zu verlieren und fragte sich vergeblich, worauf das alles hinauslaufen sollte. Erst recht, als er sich neben sie setzte und in den abgewetzten Kissen versank, wobei er ihr den Bildschirm auf Augenhöhe entgegenhielt, damit auch sie etwas sehen konnte. Als Marci sich vorbeugte, um die beweglichen 3D Aufnahmen besser erkennen zu können, berührte sie mit ihrer Schulter unbeabsichtigt seine breite Brust. Überrascht stellte sie fest, dass sein muskulöser Körper weicher und vor allem wärmer war, als gedacht, und dabei keinerlei Körpergeruch verströmte.
Sie spürte seinen Blick auf sich ruhen während sie auf den Bildschirm starrte, wagte es jedoch nicht, ihm in die Augen zu schauen.
Die handgroße Gestalt, die sich nun direkt vor ihrer Nase aus einem Nebel von unzähligen Lichtpunkten erhob, war ihr mehr als bekannt. Großer Gott, kein Zweifel, es war Will, obwohl sie nur sein Gesicht und seinen Oberkörper erkannte. Er trug tatsächlich eine Art Militär-Overall und darüber ein Exoskelett aus Titanium, das wie maßgeschneidert seine breiten Schultern umhüllte. Sein dunkelblondes Haar war kurz rasiert und seine Stirn war schmutzig und schweißnass. Sie schluckte, während ihr ein Stich ins Herz fuhr, der so stark war, dass es für einen Augenblick stockte. Erst recht, als ihr Ehemann und Vater ihrer Kinder augenscheinlich das Wort an sie richtete.
»Wenn du das hier siehst, Easy,«, raunte er stockend, »bin ich tot. Ich hätte zu gerne persönlich von dir und den Kindern Abschied genommen, aber noch viel lieber wäre ich nun bei euch und würde euch in meine Arme schließen.«
Er rang heftig nach Atem und Marci wurde Zeugin, wie schwer ihm das Sprechen viel. Am liebsten hätte sie ihn aufgefordert, zu schweigen und sich nicht so zu quälen, doch es handelte sich ja um eine Aufzeichnung.
»Sicher fragst du dich«, redete er angestrengt weiter, »wie ich so
plötzlich verschwinden konnte und warum ich mich nicht bei dir und den Jungs gemeldet habe. Die Wahrheit ist, ich konnte nicht. Regierungstruppen haben mich auf dem Weg zum Jobcenter entführt und bevor ich wieder zu mir kam, habe ich bereits in diesem Anzug gesteckt, einen Chip im Kopf, den Körper verdrahtet und das Herz mit einem Prozessor unterstützt, der es vor natürlichen Ausfällen bewahrt. Als einen Cyborg, vollgepumpt mit Chemie, die alles unterdrückt was einen menschlichen Organismus zum Ausrasten bringt, hat man mich mit vielen anderen, denen es ähnlich ergangen ist, in diesen Krieg geschickt. Ich habe immer gehofft, irgendwie lebend aus der Sache herauszukommen, um zu fliehen und zu euch zurückkehren zu können, doch