Während Marci innerlich vor Schreck erstarrte, weil sich ihre schlimmsten Befürchtungen mit einem putzenden Robo Lover zu bewahrheiten schienen, grinste Rochelle ihr übermütig ins Gesicht.
»Ich habe Dr. Tanaka versprochen, das erste Exemplar gleich selbst zu testen und ihm noch am selben Tag einen Bericht zu schicken«, fügte Rochelle unnötigerweise hinzu. »Falls mich jemand sucht, sag ihm, ich bin bis zum Lunch nicht zu erreichen. Mal sehen, ob Rob 007 hält, was CRU seinen Kunden verspricht. Wenn ich mit ihm fertig bin und du noch da sein solltest, stelle ich dir gerne mein Schlafzimmer zur Verfügung. Dein Mann ist doch schon eine ganze Weile weg und ich bin sicher, auch du wirst deinen Spaß mit dem gut bestückten Robot haben. Je mehr Erfahrungswerte ich CRU liefern kann, umso besser. Das ist ja das Schöne an diesen Maschinen«, plapperte sie amüsiert weiter, »sie machen keinen Unterschied, in wen sie ihre leistungsfähigen Schwänze stecken. Sie können immer, überall und mit jeder und jedem. Das behauptet Dr. Tanaka zumindest nach den ersten Testläufen, wobei er bestimmt meinen gewaltigen Appetit auf einen solchen Kerl nach fast einem Jahr Abstinenz nicht berücksichtigt hat.« Mit einem süffisanten Lächeln gab sie dem Robot ein Zeichen, dass er ihr folgen solle. »Du entschuldigst mich«, sagte sie zu Marci, der es bei dem Gedanken, ihren Job womöglich schon bald an diesen »Mister Alleskönner« zu verlieren, eiskalt den Rücken hinunterlief.
Mit dem zufriedenen Grinsen einer Katze, der man ein feines Fischfilet vor die Nase setzt, machte sich Rochelle schließlich auf den Weg in ihr Schlafzimmer. Der Robot setzte sich ohne Widerstand in Bewegung, um ihr zu folgen. Aber Marci hätte ihren Hintern darauf verwetten mögen, dass er ihr im Vorbeigehen geradezu verschwörerisch zugezwinkert hatte. Entsprechend ungläubig starrte sie den beiden hinterher. Sie erwachte erst wieder aus ihrer Trance, als sich im Obergeschoss die Tür von Rochelles Schlafzimmer mit einem leisen Summen öffnete und gleich danach wieder schloss, nachdem die beiden dahinter verschwunden waren.
Obwohl Marci von Natur aus nicht besonders neugierig war, hätte sie Rochelle am liebsten hinterherspioniert und an der Tür gehorcht, ob ihre Erwartungen in den Robot auch nur ansatzweise befriedigt wurden. Oder ob die Sache in Wahrheit eine vollkommen andere Wendung nahm. Denn irgendwie war ihr der zwinkernde Robot suspekt. Aber sämtliche Räume in dieser Villa waren hermetisch abgeriegelt und fungierten im Notfall als sogenannte Panic Rooms, die man nur mit einem ganz bestimmten Passwort öffnen konnte, das Marci selbstverständlich nicht kannte. Obgleich in dieser Gegend so gut wie noch nie jemand entführt oder überfallen worden war, weil die Schutzvorkehrungen in diesen Häusern so unüberwindlich waren, wie die Mauern von Fort Knox, setzte man in Rochelles Kreisen lieber auf Nummer Sicher.
Vielleicht beschlich Marci gerade deshalb ein ungutes Gefühl, das sie veranlasste, sich entgegen jeder Vernunft die Treppe hinauf zu Rochelles Zimmer zu stehlen, um dort vor der Tür abzuwarten, ob ihre Chefin unversehrt wieder zum Vorschein kam. Falls der Kerl tatsächlich eine Schraube locker hatte und nicht so funktionierte wie von Rochelle gewünscht, würde Marci unverzüglich den Wachdienst alarmieren. Der würde diese putzende, kochende und zugleich fickende Maschine mit dem Risikopotential einer Massenvernichtungswaffe sogleich aus der Villa entfernen. Und das am besten bevor Rochelle zu Schaden gekommen war. Nicht, dass ihre Chefin ihr besonders am Herzen lag, nein, aber immerhin garantierte sie Marci ein halbwegs sicheres Auskommen. Zumindest noch.
Marci hatte indes nicht die geringste Ahnung, wie solche Maschinen funktionierten. Will hatte ihr einmal zu erklären versucht, wie wahnsinnig komplex Aufbau und Programmierung eines menschenähnlichen Robots sein musste, damit er nicht nur aussah wie ein Mensch sondern auch so agierte. Inzwischen existierten unzählige biotechnologische Labore, in denen multinationale Unternehmer wie MacIntyre Gott spielten, indem sie mithilfe organischer 3D-Drucker täuschend echte, menschlich anmutende Geschöpfe aus genetisch modifizierten Materialien schufen, deren Ausgangssubstanz menschlichen Zellen immer ähnlicher wurde. Am Ende waren sie von einem echten Menschen nur zu unterscheiden, wenn man sie durchleuchtete. Ihre Organe waren ein wenig anders angeordnet und dort wo normalerweise das Hirn saß, war bei ihnen ein Quantenprozessor zu finden, der jederzeit durch eine neue Programmierung manipuliert werden konnte.
Während Marci zutiefst verunsichert noch einmal darüber nachdachte, wie dieses Etwas ihr zugezwinkert hatte, beschlich sie ein ungeheurer Verdacht. Was wäre, wenn dieser Robot ein unerwartetes Eigenleben führte, von dem Rochelle und ihre Geschäftspartner nichts ahnten? Denn wer auch immer einen solchen Robot für seinen ersten Einsatz programmiert hatte, war bestimmt nicht daran interessiert, dass er – bevor er seine neue Besitzerin beglückte - zunächst einen Flirtversuch bei ihrer Putzfrau unternahm. Je mehr Marci darüber nachdachte, umso mehr wurde sie von einer fast panischen Unruhe ergriffen. Was wäre, wenn Mister Perfekt unversehens außer Kontrolle geriet und Rochelle womöglich vergewaltigte oder schlimmeres? Mit hämmerndem Herzen horchte sie in die Stille hinein. Nichts. Ob sie den Wachdienst trotzdem alarmieren sollte, mit dem Hinweis auf mögliche Probleme, denen man vorsichtshalber auf den Grund ging?
Dummerweise war Marci fast sicher, dass Rochelle nicht nur die Türen hermetisch verriegelt, sondern auch die Kameras in ihrem Zimmer ausgeschaltet hatte. Was also würde geschehen, wenn Marci mit ihren Verdächtigungen falsch lag und die Security ganz umsonst den Notfallcode anwendete, um die Türen trotzdem zu öffnen?
Rochelle wäre sicher ziemlich wütend auf sie und würde sie auf der Stelle entlassen. Ein Risiko, das sie nur ungern eingehen wollte. Zumal ihr Job nun ohnehin mehr als gefährdet schien.
Unentschlossen schaute sie durch die großen Fensterfronten auf den Lake Michigan hinaus, wo sich die helle Morgensonne unschuldig im türkisblauen Wasser spiegelte.
Vielleicht hatte sie sich das lächelnde Zwinkern des Mannes auch nur eingebildet. Schließlich waren ihre Sinne von so viel männlicher Präsenz vollkommen vernebelt gewesen. Seit mehr als einem halben Jahr hatte sie keinen Kerl mehr im Bett gehabt und die Aussicht darauf, dass dieses potente Multitalent sie demnächst womöglich auch noch beim Putzen ersetzte, tat ihr Übriges, um sie vollkommen nervös zu machen.
Mit einem Seufzer wandte sie sich zum Gehen, um in ihrer Arbeit fortzufahren, als ein polterndes Geräusch sie unvermittelt herumfahren ließ. In einer Schrecksekunde sah sie, wie die Tür aufglitt und Rob 007 vor ihr stand. Barfuß, in elastischen Sport-Tights und einem grauen, viel zu engen Gymnastik-Shirt wirkte er wie Superman, der seine Kleider zu heiß gewaschen hatte. Er starrte sie von oben herab an, als ob er auf sie gewartet hätte. Dann riss er ihr ohne Vorwarnung den Feudel aus der Hand und schleuderte ihn über die Brüstung. Während Marci lauthals zu protestieren begann, packte er ihren Oberarm mit einer solchen Kraft, als ob sie zwischen zwei automatische Türen geraten wäre. Marci stieß einen unkontrollierten Schmerzenslaut aus und fürchtete für einem Moment, dem Feudel zu folgen. Doch dann zog der Robot sie in Richtung Treppenhaus.
Marci war viel zu verdutzt, um nach Rochelle zu rufen oder gar um Hilfe zu