Samen für Samen setze ich in die Erde, bewässere sie. Ich habe heute zu viel riskiert. Auf einen lächerlichen Flirt kann man eingehen, aber nicht mit einem Kerl mit Dienstmarke. Vorsichtig schiebe Sand auf die kleinen Löcher, klopfe ihn fest, ehe ich ihn erneut begieße. Es ist schon fast Abend, als ich endlich fertig werde. Ich wünschte, Granny könnte es sehen, sie wäre total stolz auf mich – ihr kleiner Garten hat immer wie eine Feenlandschaft mit Schmetterlingen, Hummeln und Bienen, die in all der Farbenpracht herumgeschwirrt sind, ausgesehen. Zufrieden bewundere ich mein Werk, klatsche in die Hände, die ganz schwarz von der Erde sind. Wie ich so bin, habe ich die blöden Gartenhandschuhe vergessen. Vor mir erstreckt sie ein großes Hochbeet, gute sieben mal zehn Meter. Es ist wunderschön, ich kann es kaum erwarten, die ersten Triebe zu entdecken. Geduld ist nicht meine Stärke, von mir aus kann es gleich morgen so weit sein.
Ich mache mir zu Abendbrot ein paar Nudeln mit einer frischen Sauce aus Kräutern, Tomaten und buntem Gemüse, welches ich vom Markt mitgebracht habe. Es schmeckt wunderbar. Ich genieße jeden Bissen und zelebriere ihn geradezu. Danach schlendere ich pappensatt mit Storm eine letzte Runde über den Strand, während die Sonne im Meer versinkt.
Die ersten Sterne erscheinen am Himmel, der noch in satte Farben getaucht ist. Ein Gefühl der Zufriedenheit durchfährt mich in diesem Augenblick, wie ich ihn lange nicht gespürt habe. Ich laufe dicht am Wasser entlang, lasse die Wellen meine Füße umspielen. Es fühlt sich befreiend an und weckt Erinnerungen an meine Kindheit, wenn ich mit meinen Eltern am Strand gewesen bin. Zum ersten Mal seit langem schaue ich nicht hinter mich, sondern voraus. Die Luft ist merklich kühler als heute Nachmittag, deshalb ziehe ich meine Strickjacke um meinen Körper fest zusammen.
In der Ferne höre ich Musik und Stimmen, schaue auf. Eins der Häuser am Strand muss eine Party feiern, ein Grund für mich, wieder umzudrehen. Immerhin suche ich keine Gesellschaft, ich möchte nur Ruhe und Frieden.
Kapitel 5 - Nick
»Nicki, hallo?« Jo schnippst vor meiner Nase mit seinen langen Fingern herum, versucht so, meine Aufmerksamkeit zu erlangen.
Ich verdränge eine kleine Blondine mit Schokoladenaugen und niedlichen Sommersprossen aus meinen Gedanken, wende mich stattdessen meinem Freund zu. »Mhh?«, antworte ich, nippe dabei an meinem Bier. So richtig schmeckt es mir heute nicht, aber ich trinke es dennoch.
»Was ist denn mir dir los? Sally flirtet dich seit zwei Stunden an und du? Du bist blind und taub für ihre Reize. Dabei gibt sie sich solche Mühe. Wenn du nicht bald anbeißt, wird sie die Krallen ausfahren. Oder bist du darauf aus?«
Sally, wen interessiert schon Sally, denke ich angewidert. Sie hat mich vor einigen Monaten zu ihrem neuen Ziel auserkoren und geht mir damit total auf die Nerven. Sie ist eine dieser Frauen, die sich mit gewissen Dingen schmücken muss. Getreu dem Motto: Schau, was ich habe, also beneide mich darum. Ich passe anscheinend perfekt in ihr Beuteschema, nachdem sie bei dem Anwalt keinen Erfolg gehabt hat. Dann eben ein Polizist. Sie will mich als Trophäe, etwas, mit dem sie angeben kann. Ihr Getue ist anstrengend.
»Lass ihn, Jo. Nick hat heute von einer wunderschönen Unbekannten einen Korb kassiert«, wirft Brad ein, wofür ich ihm gegen den Arm boxe. Er ist die letzte Tratschtante.
»Dir vertraue ich nie wieder etwas an«, knurre ich verärgert. »Und es ist kein Korb gewesen.« Nett, dass er noch Salz in die Wunde streuen muss. Er hat recht, ich bin es nicht gewöhnt, Körbe zu kassieren.
»Wer gibt dir einen Korb? Das kann ich nicht verstehen.« Sally, die Maggi im Schlepptau hat, stößt zu uns auf die Terrasse. Maggi gibt Jo einen Kuss auf die Wange, woraufhin er seine Freundin zu sich auf den Schoß zieht und seine Nase an ihrem Hals reibt, ehe er ihr etwas ins Ohr flüstert. Sie kichert leise, wirft ihr rotes Haar zurück und strahlt in die Runde.
»Nick hat eine, warte, wie sind seine Worte gewesen? Kleine, unbekannte Fee getroffen«, stichelt Brad weiter und ich frage mich ernsthaft, warum er mein bester Freund ist. Ich muss dringend über unsere Freundschaft nachdenken und teile eine Kopfnuss aus.
»Halt die Fresse, du Loser.« Ich verdrehe die Augen, muss aber ein wenig schmunzeln, denn ich weiß, dass er mich nur ärgern will.
»Das sind ja ganz neue Töne.« Maggi beugt sich neugierig vor, während Sally verärgert die Lippen aufeinanderpresst, dabei die Arme vor der Brust verschränkt, jedoch nicht, ohne ihre Brüste ins rechte Bild zu rücken. Klar, dass ihr dieses Thema nicht passt. Sie sieht Konkurrenz, obwohl ich gar kein Interesse an ihr oder sonst einer Freundin habe. Freundinnen bedeuten Verantwortung, die ich nicht eingehen will. Es gefällt mir so, wie es ist.
»Die Schnalle, die wir mit ihrem Köter am Strand gesehen haben?«, fragt Sally säuerlich, spitzt die Lippen.
»Ihr habt sie gesehen? Ist sie so sexy, wie unser Nick sagt, oder hat er geflunkert?«
»Sie ist hübsch«, stimmt Mags zu »Soweit ich mich erinnere. Ich habe sie nur kurz gesehen.«
»Hübsch? Durchschnitt, unterer Durchschnitt, wenn überhaupt«, murmelt Sally, woraufhin ich ein genervtes Knurren unterdrücke. Es ist armselig, dass sie andere Frauen immerzu schlecht macht. Als wäre sie das einzige weibliche Wesen auf der Welt, welches attraktiv ist – dabei macht ihr Charakter sie oft mehr als hässlich.
»Sie hat gesagt, sie wohnt hier«, plappert Brad weiter. Mir platzt ehrlich gleich der Kragen. Er ist so eine Labertasche, wirklich unfassbar.
»Ach, sie hat das Haus der alten Frieda gemietet?« Mags greift nach Jos Flasche und nimmt einen tiefen Schluck. Jetzt hat sie meine Aufmerksamkeit. Mags ist Immobilienmaklerin, teilt sich eine Firma mit ihrer Mutter. Ein alter Familienbetrieb, der die Häuser auf der Insel vermietet und verkauft. Sie weiß alles über jeden. Warum bin ich nicht eher auf die Idee gekommen,