»Wunschdenken, mein Freund. Wunschdenken«, kontert sie, noch immer diese leichte Röte auf den Wangen, die ihre Sommersprossen stärker hervorheben.
Mein Freund? Mhh, klingt gut und gefällt mir, was wirklich beängstigend und verrückt zugleich ist. Eventuell entwickle ich mich doch zu einem Psycho. Ich hoffe nicht, doch man weiß ja nie. »Mein Freund? So schnell bin ich nicht«, necke ich sie weiter. »Ein paar Dates vorher wären schon nett, dennoch verstehe ich, dass du Nägel mit Köpfen machen willst. So ein Mann wie ich, ist ratzfatz weg vom Markt. Ich kann dich beruhigen, denn ich bin noch zu haben. Eigentlich wollte ich daran in nächster Zeit nichts ändern, aber mal schauen, was kommt?«
»Wahnsinn, Mister Arroganz persönlich. Was willst du von mir? Da rennt Storm einen verrückten über den Haufen und ich muss es ausbaden? Werde ich dich wieder los?« Sie verdreht die Augen gen Himmel.
»Mhh, kommt drauf an. Fürs Erste ist ein Name ganz nett. Danach vielleicht ein Drink zur Entschuldigung, das wäre durchaus angemessen.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich will nur meine Ruhe«, teilt sie mir mit, legt zudem einen Gang zu, um mich zu umrunden.
So schnell gebe ich nicht auf. Sie verwirrt und beeindruckt mich zugleich. Erst flirtet sie, da bin ich mir ganz sicher, und dann macht sie plötzlich dicht? Ich merke, dass sie hin und hergerissen ist. Ich wette, dahinter steckt eine interessante Geschichte, die ich unbedingt wissen will. Wenn ich ehrlich bin, bin ich noch nie so neugierig auf eine Frau gewesen wie jetzt gerade. Der Polizist in mir will jedes Geheimnis ergründen – reine Berufskrankheit. Ich möchte alles über sie wissen, woher sie kommt und wie lange sie bleibt, doch für den Anfang reicht es, nur mit ihr zu reden. So viel Spaß habe ich ewig nicht mehr mit einer fremden Frau, die nicht zu meinen Freunden zählt, gehabt – was jedoch daran liegt, dass mich Touristen nicht faszinieren. Die Zeiten, wo man sich ein Touri mit nach Hause nimmt, sind irgendwie vorbei. Ich bin nicht an einer Beziehung interessiert, mein Job ist momentan alles, was zählt. »Wieso ich? Du musst dich entschuldigen. Du hast mich fast umgebracht. Oh, ich meine natürlich dein Hund. Aber Eltern haften für ihre Kinder, du demnach auch für deinen Hund.«
Sie beißt auf ihre Lippe, ich erkenne ein kurzes Zucken ihres Mundwinkels. Ah, das gefällt mir, darauf kann ich aufbauen. »Das ist nur ein Kratzer. Bis du heiratest, ist das verschwunden«, lässt sie mich fachmännisch wissen.
»Oho, jetzt willst du durch die Blume erfahren, ob ich vielleicht doch eine Freundin habe? Nein, ich bin Single, wie ich bereits gesagt habe. Du hättest mich das gerne direkt fragen können. Nur keine Scheu, ich bin wie ein offenes Buch.«
Jetzt lacht sie laut, das gefällt mir noch mehr. »Oh Gott, du bist ja von dir überzeugt. Das ist echt schrecklich. Kann man das Buch auch wieder schließen?« Ihr Lachen vermischt sich mit dem Schreien der Möwen über uns und dem Rauschen der Wellen. Es passt perfekt zusammen. Ich will mehr davon, es macht mich schon jetzt süchtig. Der heisere Klang verursacht ein Ziehen in meiner Brust. Ich muss sie nochmal lachen hören, egal wie krank das gerade klingt, aber es jagt kleine Schauer über meine Haut.
»Das nennt man gesundes Selbstbewusstsein.« Ich zwinkere ihr zu, woraufhin ihre braunen Augen vergnügt funkeln. Es macht ihr offensichtlich doch Spaß, sieh an. Ihre Stimmung wechselt sekündlich, also will ich sie etwas weiter hervorlocken. »Ein Drink ist das Mindeste. Womöglich behalte ich eine Narbe, wer weiß das schon … Für die Jungs auf der Wache muss ich mir allerdings eine bessere Geschichte ausdenken. Die lachen mich sonst aus. Kannst du dir vorstellen, was das für ein Gerede geben würde?«
»Du bist Polizist?« Ihr Gesicht entgleist kurz, aber sie fängt sich schnell. Jeglicher Schalk, der eben noch in ihren bezaubernden Augen gestanden hat, ist fort. Sie nimmt eine unbewusste Abwehrhaltung ein, wirkt fast panisch, schaut sich kurz um, als würde sie checken wollen, ob außer uns noch andere Menschen am Strand sind. Ihr Hund spürt es ebenfalls, tritt dichter an sein Herrchen heran, während sie sich anscheinend schematisch über die Arme reibt. Den meisten Frauen gefällt es, einen Polizisten zu daten, sie hingegen guckt mich an, als hätte ich ihr eröffnet, dass ich Toiletten putze und das nackt vor laufender Kamera. Ich kenne dieses Verhalten von meiner Dienstzeit auf dem Festland. Ihre Körpersprache verrät es mir. Diese Frau hat etwas Schlimmes erlebt. Nur was? Der Gedanke raubt mir einen Moment den Atem, weil mir sämtliche schrecklichen Fälle im Kopf umherschwirren, die ich im Laufe der Jahre bearbeitet habe. Häusliche Gewalt, Vergewaltigung, Misshandlung. Eine endlose Liste im Leben eines Polizisten. Nicht immer bin ich rechtzeitig vor Ort gewesen, um den betroffenen Frauen zu helfen – diese Fälle verfolgen mich an grauen Tagen noch immer.
»Ja, ich bin ein Cop.«
Kapitel 4 - Hazel
Ach du meine Güte, er ist ein Polizist. Sofort wird mir heiß und kalt gleichzeitig, ich reibe mir die Arme, um die Kälte zu vertreiben, die sich über meinen Körper legt. Er sieht überhaupt nicht aus wie ein Kriminalbeamter, so gar nicht. Sein linker Arm ist vom Handgelenk an tätowiert. Die Tätowierung verschwindet unter seinem engen T-Shirt, welches einen trainierten Körper vermuten lässt, wenn ich mir seine Oberarme und breite Brust ansehe, an denen sich die Muskeln abzeichnen. Welcher Polizist ist denn bitte so bemalt? Ich kenne keinen. Nicht, dass ich viele kenne … Fuck! So habe ich mir niemals einen Polizisten vorgestellt. So … rockig und … schelmisch. Ich bin zu leichtsinnig. Wieso hat er auch so hartnäckig sein müssen? Ich bin zwar extra zickig und ungenießbar gewesen, um ihn loszuwerden, habe mich dann jedoch in dieses Geplänkel verwickeln lassen.
Ich spüre, wie ich immer nervöser werde und eine leichte Welle der Panik sich anbahnt, Storm tippelt neben mir auf und ab, von meiner Stimmung angesteckt. Er bemerkt meinen Gemütsumschwung, wedelt mit dem Schwanz – unsicher, was er tun soll. Nicht mal ich weiß, wie ich mich verhalten soll. Mir ist bewusst, dass ich vermutlich übertreibe, doch die Angst sitzt in meinen Knochen. Kalt, finster und präsent. Ich habe das Gefühl, plötzlich nicht mehr genügend Luft zu bekommen, lege mir die Hand an den Hals, reibe leicht darüber. Am liebsten möchte ich davonlaufen, was allerdings einen noch absurderen Eindruck vermitteln dürfte. Gut, dann ist er eben Polizist, aber er kennt mich nicht und er gehört nicht zu denen. Immerhin hat Storm ihn umgerannt, nicht er hat den Kontakt gesucht. Oder etwa doch, flüstert eine leise Stimme in meinem Kopf.
Das