»Fertig mit der Glotzerei?«, knurrt sie, woraufhin ich auflache. Sie hat gerade noch so süß und schüchtern gewirkt, jetzt könnte man glauben, sie will mich gleich in Flammen aufgehen lassen – bei den Blicken, die sie mir zuwirft. Okay, ich gestehe ihr zu, dass meine Musterung zwar nicht höflich gewesen ist, dennoch anerkennend. Sie rümpft ihre kleine Stupsnase erbost, lässt dabei die Sommersprossen tanzen, was einfach liebreizend wirkt. Fast bin ich in Versuchung, die kleinen Sprenkel zu zählen.
»Also, erst rennst du mich um, dann motzt du mich auch noch grundlos an?«, erwidere ich gut gelaunt. »Außerdem habe ich nicht geglotzt. Ich habe nur geschaut, ob ich klarsehen kann, nachdem ich gestürzt bin. Wer weiß, vielleicht habe ich eine Gehirnerschütterung? »
»Storm hat dich umgerannt, nicht ich. Im Übrigen habe ich mich entschuldigt, mehrfach. Es tut mir aufrichtig leid, aber das ist kein Freifahrtschein, mich so … zu mustern. Das ist unangebracht und unhöflich. Ich bin keine Stute auf dem Viehmarkt. Typen wie du, sind einfach ätzend.«
»Typen wie ich? Du kennst mich gar nicht.« Ich muss nun herzlich lachen, was sie dazu auffordert, ihre Augen noch etwas mehr zu verengen, dabei so finster in meine Richtung zu schauen, dass man fast Angst haben könnte. Sie hat ein kleinwenig Recht, aber das werde ich nicht zugeben, sondern strahle sie einfach an. Keine Stute auf dem Viehmarkt? Ich mag dieses Geplänkel wirklich, genau richtig. Sie hat Feuer, das gefällt mir.
»Ja, Typen wie du. Die denken, nur weil sie gut aussehen, können sie machen, was sie wollen. Weißt du, das könnt ihr gar nicht. Nur weil man attraktiv ist, ist das kein Freifahrtschein für ein arschiges Machoverhalten, wozu deine Musterung von eben definitiv gehört.«
»Soll ich mich jetzt dafür entschuldigen, dass du mich attraktiv findest, oder dafür, dass ich dich bewundernd gemustert habe?« Sie steht so dicht vor mir, dass ich runter schauen muss, wenn ich mit ihr rede. Angriffslustig verschränkt sie die Arme vor der Brust, schiebt ihre Lippe trotzig vor. Eine zarte Röte bedeckt ihre Wangen, so aufgebracht ist sie. Es wirkt so herrlich ungekünstelt, dass sie auf Anhieb noch ein paar Sympathiepunkte bei mir sammelt. Ich hasse es, wenn Frauen aufgesetzt und künstlich sind. Ihr ist offenbar egal, was ich von ihr denke, auch wenn sie gerade ein wenig übertreibt. So dramatisch ist meine Musterung nun echt nicht gewesen. »Du bist total niedlich, wenn du sauer bist. Ich kann das gar nicht ernst nehmen bei deiner Größe«, stichle ich, sie schnaubt stattdessen empört.
»Volltrottel. Das ist mir echt zu blöd«, zischt sie, pfeift sogleich nach ihrem Hund. Er kommt erneut wie ein Blitz angerannt, rempelt mich dabei abermals an, sodass ich einen Schritt nach vorne machen muss. Wir wären zusammengestoßen, wenn sie nicht nach hinten hüpfen würde – als wäre ich die Pest in Person. Okay, das ist verletzend. Das bin ich nicht gewohnt. Ich bin zwar kein David Beckham, aber auch kein Quasimodo. Es kratzt etwas an meinem Stolz. Sie wirkt fast zufrieden, grinst ihren tropfenden Hund an. »Guter Junge«, lobt sie ihn zudem, woraufhin er erfreut mit dem Schwanz wedelt und mir einen kurzen Blick zuwirft.
»Anscheinend mag dein Hund mich nicht«, mutmaße ich weiterhin amüsiert über die ganze Situation. Der Tag entwickelt sich besser, als ich angenommen habe.
»Storm mag es nicht, wenn man mich verärgert.« Sie nimmt ihre langen blonden Haare zu einem Zopf zusammen. Schade eigentlich, ich mag offene Haare und ihre sehen wirklich toll aus, wie sie im Wind wehen. Wild und zügellos, genau passend für meine Fantasie, wo sich gerade einiges zurecht spinnt. Am liebsten würde ich meine Hand ausstrecken, ihr die vorwitzige Strähne aus der Stirn streichen und schauen, ob sie so weich sind, wie sie aussehen. Sie wirkt so natürlich und frisch mit ihrer frechen Zunge, dass sie mich immer neugieriger auf sich macht. Wer ist sie? Wie lange wird sie auf unserer Insel bleiben? Der Wind weht stärker, steigt ihr von hinten unters Kleid. Es umflattert sie, wobei mein Mund trocken wird, als ich einen Blick auf ihre wohlgeformten Oberschenkel und ein Hauch roter Spitze erhasche. Herr im Himmel, sei mir gnädig. Verlangen schießt durch meine Adern, ob ich will oder nicht. Irgendwas an ihr zieht mich magisch an, nicht nur ihre Optik. Es ist eher das Gesamtpaket, was sehr reizvoll ist und mich anlockt. Eine Stimme sagt mir, dass diese Frau gefährlich für mich sein kann, dass sie eine ganze andere Rolle spielen wird, als ich vielleicht denke. Man könnte es Eingebung nennen oder doch auf den Sturz schieben? Sie ist anderes, nur wie genau, muss ich noch herausfinden, dringend. »Du tust es schon wieder. Was bist du? Ein Perverser?« Sie schüttelt deutlich entrüstet den Kopf und schnipst mit ihren Fingern vor meiner Nase, um die Aufmerksamkeit auf ihr Gesicht zu lenken.
»Ich habe mich nur gerade gefragt, wie groß du bist. Eins vierzig? Du bist winzig. Wie eine kleine wütende Fee. Ich nenne dich Tinkerbell, ja das passt zu dir. Eine kleine wütende Tinkerbell.« Ihr Gesicht entgleist kurz, was meine Mundwinkel zucken lässt. Jetzt, wo ich es ausgesprochen habe, stimmt es tatsächlich. Sie ist so klein und zierlich wie diese Fee aus Kinderbüchern. Dazu dieses helle Haar, das herzförmige Gesicht mit der kleinen Stupsnase und den etwas zu großen Lippen, die wirklich verruchte Gedanken in mir wecken. Was sie damit alles anstellen könnte … Ob sie so verlockend schmecken, wie sie aussehen? Sie geht mir unter die Haut, was mir nicht ganz gefällt. Jede Emotion, die kleinste Gefühlsregung, kann man in ihren Augen ablesen. Ihre Stimme ist weich, mit einem leicht rauchigen Kratzen, welches mir eine wohlige Gänsehaut beschert. Wie sie wohl morgens klingt? Oder wenn sie … Halt! Stopp! Nick, komm runter. Sie hat recht, du benimmst dich wie ein Perverser. Was auch immer diese Frau in mir auslöst, jetzt ist Schluss.
»Du Spinner kannst mich mal.« Sie lacht auf, was eher empört, als belustigt klingt. »Storm, mit so einem … Vollidioten vergeuden wir keine weitere Minute«, teilt sie ihrem Hund mit, wendet sich kopfschüttelnd ab und stapft aufgebracht davon. Ihr Kleid weht hinter ihr her und wie von selbst huscht mein Blick kurz zu ihrem Po. Gut, dass sie das nicht sieht, sonst würde sie mich fertigmachen, ganz sicher.
Langsam jogge ich los, neben ihr her, noch nicht bereit, dieses Treffen zu beenden, »Ich bin Nick,« teile ich ihr mit, auch wenn sie nicht so wirkt, als würde sie das wissen wollen. Das nagt schon ein wenig an mir. Dennoch will ich, dass sie meinen Namen kennt, denn ich muss