Lost Island. Annika Kastner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Annika Kastner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947115204
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kön­nen.

      »Ich will die­ses be­son­de­re Mäd­chen se­hen. An­schei­nend hat sie dir den Kopf ver­dreht. Brad schnallt sich an, fährt sich durch das ra­spel­kur­ze blon­de Haar und schenkt mir das brei­tes­te Lä­cheln, wel­ches ich je ge­se­hen ha­be.

      »Ver­giss es, steig aus! Außer­dem ver­dreht mir nie­mand den Kopf.« Ich win­ke ihn weg, doch er ist stur. Er dreht sich, immer noch grin­send wie ein Trot­tel, nach vor­ne und trom­melt aufs Ar­ma­tu­ren­brett. Ich has­se ihn ge­ra­de ein ganz klein we­nig, wie man gu­te Kum­pel in sol­chen Mo­men­ten eben hasst.

      »Los, los! Wir ha­ben ein Da­te. Ich kann es kaum er­war­ten.«

      Ich um­klam­me­re das Lenk­rad, schaue ihn ab­wer­tend von der Sei­te an. Gott, wie er ner­ven kann, wenn er es drauf an­legt. Er ist so neu­gie­rig wie die al­ten Fisch­weiber. »Ernst­haft? Du gehst mir auf den Sack, Brad. Steig aus!« Be­feh­le ich, doch er lacht nur.

      »Ich wer­de mit­fah­ren. Stell dir vor, sie ver­klagt dich hin­ter­her, weil du ihr ih­re Rech­te nicht vor­ge­le­sen hast? Da­für sind Kol­le­gen da. Nichts zu dan­ken, mein Lie­ber. Oder du ge­rätst in ei­ne Schie­ße­rei? Da brauchst du dei­nen Part­ner, da­für bin ich da. Das ist mein Job.« Ich ver­dre­he die Augen. Schie­ße­rei? Hier? Schon klar!

      »Ich will sie nicht ver­haf­ten, nur ein Hal­lo da­las­sen.«

      Brad grinst noch brei­ter, wenn das über­haupt mög­lich ist. »Aha, al­so doch zu ihr. Von we­gen nur mal Strei­fe fah­ren, das kannst du dem Chief so ver­kau­fen, aber nicht dei­nem be­sten Freund.« Mei­ne Mund­win­kel wan­dern nach oben. Er­tappt. »Oder hast du Angst, dass sie auf mich ab­fährt? Hm? Ist es das? Kann ich ver­ste­hen, Kum­pel.« Er klopft mir auf den Arm, schaut mich ge­spielt mit­lei­dig an. »Das bist du ja ge­wohnt.«

      Wir dis­ku­tie­ren noch ei­ni­ge Mi­nu­ten hin und her, ehe ich das Auto star­te, Brad na­tür­lich weiter­hin im Ge­päck. Mein be­ster Freund kann sehr hart­nä­ckig sein, so­fern er will, und wir wür­den ver­mut­lich noch in vier Stun­den hier sit­zen, wenn ich ihn nicht mit­neh­me. Viel­leicht soll­te ich ihn un­ter­wegs ein­fach raus­wer­fen. Ver­dient hät­te er es ja, ei­ne Über­le­gung ist es de­fi­ni­tiv wert.

      Die Fahrt zum Haus ist kurz, nicht mal drei­ßig Mi­nu­ten spä­ter bie­gen wir vom Haupt­weg auf den Kies­weg ein, der nach oben zum Grund­stück führt. Sie wohnt na­he den Klip­pen, weit weg von den Tou­ris­ten­rum­mel, in dem leicht vom Wind und Ge­zeiten ge­präg­tem Häus­chen, de­ren gel­be Far­be lang­sam ab­blät­tert. Aber ge­ra­de die­ses Aus­se­hen ver­leiht die­sem win­zi­gen Haus ei­nen ge­wis­sen Char­me, der sich nicht be­strei­ten lässt. Mit et­was Zu­wen­dung könn­te da­raus et­was Ex­klu­si­ves wer­den, vor al­lem weil ih­re Aus­sicht gi­gan­tisch sein muss, so dicht, wie sie am Ab­hang wohnt. Ein di­rek­ter Blick auf das Meer – es muss ein Ge­fühl der völ­li­gen Frei­heit sein, hin­aus zu schau­en, wenn man dort mor­gens mit sei­nem Kaffee steht. Ei­nen kur­zen Mo­ment fra­ge ich mich, wie­so ich nie auf die Idee ge­kom­men bin, das klei­ne Haus zu kau­fen. Es wä­re für mich eben­falls per­fekt ge­we­sen.

      Kapitel 6 - Hazel

      Sum­mend rei­be ich mir die Bei­ne mit Sonn­en­cre­me ein, ge­nie­ße die war­men Strah­len auf mei­ner nack­ten Haut. Ne­ben mir rau­schen wü­ten­de Meeres­wel­len, die in der Tie­fe un­ru­hig ge­gen den Stein peit­schen, wäh­rend die Mö­wen über mir kreis­chend ih­re Run­den zie­hen. Ich ha­be es mir im Gar­ten ge­müt­lich ge­macht, ei­nen Smoot­hie auf der ei­nen, mein neu­es Buch auf der an­de­ren Sei­te. Ja, so ge­fällt mir mein neu­es Le­ben. Ich stöps­le mei­nen MP3-Play­er in die Oh­ren, stel­le ihn an, wäh­le dann ei­nen mei­ner Lie­blings­songs aus. Mit den Fü­ßen wie­ge ich im Takt der Musik, sin­ge lei­se ei­ni­ge Zeilen mit, ehe ich mich zurück­le­ge und die Augen schlie­ße. Mü­dig­keit hin­dert mich da­ran, mich rich­tig auf das Buch vor mir zu kon­zen­trie­ren.

      Ge­stern hat mich der Tag und die Er­eig­nis­se auf­ge­wühlt, ich ha­be ver­dammt schlecht ge­schla­fen, noch fie­ser als sonst. In mei­nen Träu­men bin ich durch ein La­by­rinth aus Flu­ren ge­rannt, das na­men­lo­se Grau­en hin­ter mir, nur hat es dies­mal kein Fens­ter ge­ge­ben, kein Aus­weg für mich. Ich bin ge­rannt und ge­rannt, bis ich schweiß­ge­ba­det mit­ten in der Nacht hoch­ge­schreckt bin. Da­nach ist es mit dem Schla­fen vor­bei ge­we­sen, mein Herz hat ewig wie wild ge­gen mei­ne Rip­pen ge­schla­gen. Wie ich die­se Alb­träu­me has­se. Ich ha­be mich in ei­nem al­ten Fach­buch ver­gra­ben, bis zum Mor­gen da­rin ge­le­sen, nur um mich ab­zu­len­ken. Ich hof­fe, dass die­se Träu­me ir­gend­wann ver­blas­sen, mich wie­der schla­fen las­sen. Das wä­re ein Luxus, der mir viel Lebens­qua­li­tät wie­der­ge­ben wür­de. Doch jetzt for­dert mein Körper das zurück, was man ihm heu­te Nacht ver­wehrt hat. Am Tag fällt es mir leich­ter, zu schla­fen, wenn die Son­ne alle dunk­len Schat­ten ver­treibt. Am Tag wirkt alles freund­li­cher, we­ni­ger angst­ein­flö­ßend.

      Ich dö­se leicht weg, mein Körper über­nimmt das Ru­der. Er zeigt mir, was er be­nö­tigt, und das ist nun mal Ru­he. Et­was, was die­se Ge­gend aus­strahlt. Hier bin ich vor­erst si­cher, pre­di­ge ich stets. Wenn ich es oft ge­nug sa­ge, glau­be ich es ge­wiss. Die­se In­sel ist klein. Wie soll er mich aus­ge­rech­net hier fin­den? Ich kann mir ei­ne Aus­zeit neh­men, ei­ni­ge Mona­te zur Ru­he kom­men und weiter­schau­en, so weit weg von mei­ner Heimat. Ei­nen neu­en Na­men, ein an­de­res Le­ben, er­in­ne­re ich mich. Der ge­fäl­schte Aus­weis ist schwer zu be­kom­men ge­we­sen, ver­dammt teu­er, doch auch das ha­be ich ge­schafft. Ich bin mir da­bei schon et­was ver­we­gen vor­ge­kom­men, wie ein Ma­fio­so. Er ist aber ei­ne not­wen­di­ge In­ves­ti­tion ge­we­sen, ich ha­be ihn ge­braucht, um die­ses Grund­stück zu mie­ten, Fahr­kar­ten zu er­hal­ten – und, und, und.

      Das Lied wech­selt ge­ra­de, als ein Schat­ten über mich fällt. Mein Herz scheint kurz aus­zu­set­zen, ehe es im Ga­lopp zu rasen be­ginnt. Er hat mich ge­fun­den. Ich rei­ße augen­bli­cklich die Augen auf, se­he nur die Um­ris­se ei­nes Man­nes, der sich ge­ra­de zu mir beugt, die Son­ne in sei­nem Rü­cken. Sei­ne gro­ße Hand wan­dert dro­hend auf mei­ne Keh­le zu, was mich völ­lig in Pa­nik ge­ra­ten lässt – ich ha­be To­des­angst. Oh mein Gott, er bringt mich um, schießt es mir immer wie­der durch den Kopf. Ich schreie wie am Spieß, Storm kläfft vom an­de­ren En­de des Grund­stücks. Er wird nicht recht­zei­tig hier sein, um mich zu be­schüt­zen. Aber ich bin nicht mehr so hil­flos wie frü­her. Kampf­los wer­de ich nicht ster­ben. Nie­mals. Mit vol­ler Wucht tre­te ich zu, tref­fe mei­nen Geg­ner mit­ten in den Bauch und hö­re ein er­stick­tes Uff, ehe ich mich auf­rap­pe­le, dann ver­dutzt stop­pe, als ich in schmerz­ver­zerr­te grü­ne Augen bli­cke. Wald­grü­ne Augen, um ge­nau zu sein, die mir be­kannt vor­kom­men und mir den gan­zen Tag im Kopf her­um­ge­geis­tert sind. Jetzt wo die Pa­nik nach­lässt, das Blut nicht mehr in mei­nen Oh­ren rauscht, er­ken­ne ich ihn. Vor mir steht nicht mein Alb­traum, son­dern Nick – in Uni­form, die ihm wie an den Leib ge­mei­ßelt ist und sei­ne brei­ten Schul­tern be­tont. »Sag mal, hast du ei­nen Knall? Du kannst dich nicht so an­schlei­chen«, brül­le ich ihn mehr als wü­tend an. Ich rei­ße mir die Kopf­hörer aus den Oh­ren, wer­fe sie hef­tig zu Boden. Was denkt er sich da­bei? Mein Herz schlägt noch immer viel zu schnell, ich ha­be mir fast in die ver­damm­te Ho­se ge­macht. Zit­ternd ent­weicht Luft aus mei­nem Mund. Du bist si­cher, flüs­te­re ich mir zu. Ver­su­che, wie­der run­ter zu kom­men. Fal­scher Alarm.

      »Ob ich ei­nen Knall ha­be? Was bist du, ei­ne Nin­ja­el­fe? Du