»Wen interessiert deine Meinung, du …«, giftet Sally, doch bevor es ausartet, lenkt Mags die Aufmerksamkeit auf sich.
»Mum hat erzählt, dass es vor zwei oder gar drei Wochen vermietet worden ist. Sogar bar gezahlt für die ersten drei Monate. Komisch, oder? Wer zahlt so etwas denn bitte bar?« Mags schüttelt den Kopf. »Uns soll es egal sein, weg ist weg. Vom Leerstehen wird es jedenfalls nicht besser.« Sie hat recht, das ist mehr als kurios und in meinem Kopf beginnen sich Fragen an Fragen zu reihen. Bar bezahlt? Dazu ihr Verhalten? Der Polizist in mir erwacht zum Leben, will den Fall lösen. Ich wittere Geheimnisse auf zehn Metern Entfernung.
»Vielleicht gehört sie zu diesen Leuten, die kein Konto haben, weil sie sich beobachtet fühlen. Soll es ja geben.« Jo grinst, zuckt dann mit den Schultern. »Diese Verschwörungstheoretiker und so.«
»Oder ihr Freund«, brumme ich missmutig. Den Glückspilz wollen wir ja nicht vergessen.
»Freund? Nein, Mum hat gesagt, dass die Frau alleine eingezogen ist. Nee, warte, mit ihrem Hund, einem Dalmatiner mit nur einem Ohr. Ihr wisst ja, wie wissensdurstig Mum ist.« Mags grinst und prostet uns zu.
Dann hat sie mich also angelogen, dieses Biest. Na warte, man sieht sich im Leben immer zweimal. Vor allem auf dieser Insel. Sie hat mich nur loswerden wollen und ich habe es nicht gecheckt. Ich Volltrottel.
»Soll ich sie mal durchleuchten?« Brads Mundwinkel wandern nach oben, sein Ton ist mehr als zweideutig. Jetzt fängt er sich wirklich eine Kopfnuss von mir ein, eine gewaltige Kopfnuss.
»Du kannst mal die Klappe halten, du Hornochse«, feixe ich. »Du bist schlimmer als die Doppelkopfrunde der alten Ladys. Ehrlich. Dir vertraue ich nichts mehr an. Und du wirst sie nicht durchleuchten. Niemand macht das, klar?«
Wir flachsen hin und her, wobei ich versuche, nicht die ganze Zeit an die kleine Fee zu denken, die sich in meinem Kopf festgesetzt hat und nach wie vor ein großes Fragezeichen hinterlässt. Verdammt, ich bin neugierig. Ich will sie kennenlernen, unbedingt. Aber irgendwie beunruhigt mich das auch. Mir geht generell niemand so unter die Haut. Dennoch schwirrt hier ein Geheimnis umher und das will ich lösen. Keiner von uns ist der klassische Beziehungstyp, bis auf Jo natürlich, als er sich in Mags verliebt hat. Jetzt kann ich sie mir ohne einander nicht mehr vorstellen. Beide gibt es nur noch im Doppelpack. Leider hängt da auch oft Maggis Anhängsel dran – Sally. Auf die könnte jeder hier verzichten. Sie hat sich in den Jahren einfach in eine andere, materielle Richtung entwickelt als wir.
Wir wechseln das Thema, bedienen uns hungrig am Grill. Theo, einer unserer Freunde, feiert seine Beförderung und schmeißt das riesige Barbecue. Er arbeitet in einer großen Kanzlei auf dem Festland als Anwalt. Ihn hat Sally vor mir erobern wollen. Mehr als eine wilde Nacht ist für ihn jedoch nicht drin gewesen. Dieses morgendliche hin- und herpendeln wäre mir wirklich zu anstrengend, aber er geht in dem, was er tut, vollkommen auf. Dabei ist es nicht nur einmal vorgekommen, dass Jo ihn mit seinem Kutter rüberfahren hat müssen, weil er seine Fähre verpasst hat. Theo ist das letzte Faultier. Ich hätte nie gedacht, dass er das durchzieht und Anwalt wird, dazu noch so erfolgreich. Es passt nicht zu der Niete, die ich kenne und welche nie Hausaufgaben gemacht hat.
Leider kommt der nächste Morgen viel zu früh. Die Partynachwehen lassen nicht lange auf sich warten, also kaufe ich mir unterwegs einen starken Kaffee im Diner, bevor ich die Wache betrete. Ich kann bequem zur Arbeit laufen und meine Pause am Strand verbringen, ein positiver Aspekt der kleinen Insel. Die Dienstbesprechung ist ereignislos, was sich vorteilhaft auf meinen Brummschädel auswirkt. Hier passiert nicht viel. Gerade jetzt, wo die Saison zu Ende geht, ist es ruhiger denn je. Im Sommer wird sich das wieder ändern, es wird kleinere Delikte geben, leichte Einbrüche in Autos, Diebstähle am Strand, doch jetzt ist chillen angesagt. Manchmal glauben ein paar Jugendliche, hier auf den Putz hauen zu können, ein ausgearteter Junggesellenabschied oder gelegentlich böse Buben, die der Meinung sind, sie können die Ferienhäuser knacken. Aber sonst? Zeitweise fehlt mir etwas Action, wovon ich früher in der Großstadt mehr als genug gehabt habe. Doch dann denke ich an das Meer vor der Tür und die Sehnsucht nach dem Nervenkitzel wird etwas kleiner. Es ist auch nicht unbedingt verkehrt, in keine Schießerei zu geraten, und einen entspannen Arbeitstag zu haben. Früher, auf dem Festland, hat es einige brenzlige Situationen gegeben, die dazu geführt haben, dass ich das Thema Familie und Freundin erst mal abgehakt habe. Der Gedanke, jemanden zurückzulassen, ist mir zuwider und nach dem ersten Streifschuss, der mich erwischt hat, sowieso. Sie Narbe davon trage ich als Mahnung an mich selbst.
»Jungs, ab mit euch!« Der Chief nickt uns zu und alle schwirren langsam aus, um für Recht und Ordnung zu sorgen … Oder auf der Promenade Kaffee trinken, Katzen von Bäumen holen – was auch immer der Tag so bringen mag.
»Ich fahr eine Runde Streife.« Ich nehme einen Schluck vom Kaffee, der zu einer kalten Brühe geworden ist, angle mir noch schnell das Kuchenstück, welches unsere Schreibkraft mir jeden Tag mitbringt. Sie lächelt mich schüchtern an, woraufhin Brad die Augen gen Himmel verdreht. Ein weiterer Schluck des kalten Kaffees lässt mich die Nase rümpfen. »Igitt!« Ich werfe den Becher in den nächsten Mülleimer, während ich zum Streifenwagen schlendere, dabei den Kuchen esse. Vermutlich ist es unfair von mir, Carlas Kuchen anzunehmen, da es ein offenes Geheimnis ist, dass sie für mich schwärmt, aber was soll ich machen: Ich liebe Kuchen und tue ihr damit ja nicht weh. Davor hat sie für Brad geschwärmt und davor … Ach, was weiß ich. Es gibt nicht so viele Singles auf der Insel. Sie ist ein liebes Mädchen und ich genieße den Kuchen, solange die Schwärmerei anhält.
Mein Freund stöhnt auf. »Du willst zum Haus der alten Frieda, oder? Mann, Nick, lass das Mädchen doch, wenn sie so schlau ist, dir aus dem Weg zu gehen. Stell dir vor, was Sally mit ihr macht, sollte sie ihr in die Quere kommt.«
»Sally?« Ich lache auf. »Sally ist uninteressant. Du weißt, dass da nichts läuft. Weder heute noch irgendwann. Wir passen so gut zusammen wie Hund und Katz, wir würden uns die Augen auskratzen. Ich will mir ja nur mal das Haus anschauen und gucken, ob alles okay ist. Ist es nicht wichtig, dass die neuen Bürger sich sicher fühlen? Dass wir sie willkommen heißen? Wo sind deine guten Manieren geblieben?« Ich grinse, setze meine Sonnenbrille auf, salutiere vor meinem Freund. Damit sehe ich aus wie die Polizisten aus den schlechten Filmen im Fernsehen, aber das ist mir egal.
»Sicher? Du bist wie der böse Wolf, wenn du so grinst. Es macht sogar mir ein wenig Angst. Das Mädchen kann sich warm anziehen und einem leidtun. Du bist doch sonst nicht so penetrant.« Brad schüttelt den Kopf über meine