Die Fälle der Shifter Cops. Natalie Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natalie Winter
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall der Shifter Cops
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948483685
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laut aus!«, erklärte Julie, während sie die Räucherstäbchen, Bücher und Kristalle abrechnete und in eine Papiertüte packte. »Dann vergraben Sie die Puppe in der Nähe Ihres Hauses! Innerhalb eines Monats werden Sie das Kind empfangen, nach dem sich Ihre Seele verzehrt.« Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund, aber es war zu spät. Ihre Worte konnte sie nicht mehr ungesagt machen. Was zum Teufel war nur in sie gefahren?

      Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen. Schnell griff sie nach der gelben Puppe und presste sie an ihre Brust. Der Mann schien etwas sagen zu wollen, aber seine Freundin packte ihn am Arm und drückte so fest zu, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Er warf ein paar Scheine auf den Tresen, packte die Papiertüte und zerrte die Frau aus dem Laden.

      Als das Glockenspiel an der Tür einen weiteren Besucher ankündigte, hob Julie den Kopf. Es war Alastair. Sie sah auf die Uhr. Heute war Hexenzirkelversammlungstag, aber er war viel zu früh dran.

      »Hallo, mein Lieber«, sagte sie mit einem Lächeln und trat hinter der Ladentheke hervor, um ihn in den Arm zu nehmen.

      Sie hatte ihm den Druck, mit dem er sie zum Bleiben bewogen hatte, noch nicht ganz verziehen, aber trotzdem war er ihr von allen selbst ernannten Magiern und Hexen der liebste. Er hatte einen hintergründigen Sinn für Humor, den sie erst im Laufe der Zeit entdeckt hatte. Nachdenklich betrachtete sie ihn. Täuschte sie sich oder war er seit ihrem letzten Treffen kleiner geworden?

      »Geht es dir gut?«, fragte sie und erwartete, dass er ihr wie immer eine ausweichende Antwort geben würde.

      Doch heute war offenbar der Tag der Überraschungen.

      Alastair sah erst zu Boden und räusperte sich, bevor er sie anschaute. »Nun, um ehrlich zu sein, ging es mir schon besser«, erwiderte er und strich mit dem Hand­rücken über sein Kinn. »Der Todestag deiner Tante jährt sich in einem Monat und ich frage mich, ob du wohl etwas dagegen hättest, wenn ich ein Gedenkessen veranstalte.« Bevor Julie antworten konnte, fuhr er hastig fort: »Ich möchte ein paar Freunde einladen, die Laurie kannten. Es soll nichts Großes werden, nur im kleinen Rahmen. Wir essen gemeinsam und erinnern uns an sie.«

      Jetzt traten Julie Tränen in die Augen. Zu ihrer Rührung kam das schlechte Gewissen, weil sie selbst das Datum vergessen hatte. Tante Laurie musste ihm sehr fehlen.

      »Das ist eine tolle Idee«, sagte sie schnell.

      Alastair sah so erleichtert aus, dass sich ihr schlechtes Gewissen verdoppelte. »Ich muss wohl nicht betonen, dass ich dich an meiner Seite haben möchte.«

      Was für eine merkwürdige Art, sie einzuladen.

      »Natürlich, ich komme gerne«, antwortete sie, obwohl ihr bereits der Gedanke daran Unbehagen bereitete.

      Sich an die lebendige, warmherzige Laurie zu erinnern, die sie gekannt hatte, war eine Sache. Dies in Gesellschaft von Menschen zu tun, die an ihre Tante immer noch als Erbin der Mireau-Hexen dachten, eine ganz andere. Wahrscheinlich wäre außer den Mitgliedern des Zirkels niemand anwesend. Die Aussicht, einen ganzen Abend lang über Hexerei zu sprechen oder zuzuhören, wie sich die Männer und Frauen mit ihren magischen Kräften brüsteten, war mehr als bedrückend. Es war richtiggehend deprimierend. Doch diesmal gab es für Julie offenbar ebenso wenig einen Ausweg, wie es ihn vor knapp einem Jahr gegeben hatte.

      »Soll ich etwas zu essen mitbringen?«, fragte sie und musste plötzlich grinsen, als sie sich vorstellte, wie sie mit einem selbst gemachten Kartoffelsalat auf der Gedenkfeier auftauchte.

      Sicher hatte Alastair etwas Würdevolleres geplant als ein Barbecue, zu dem jeder Gast etwas beisteuerte.

      »Nein danke«, erwiderte er. »Ich werde für alles sorgen. Die Einladung bringe ich dir dann in den nächsten Tagen persönlich vorbei«, bemerkte er leichthin.

      Doch Julie hatte ihn in den letzten Monaten oft genug gesehen, um seine gedrückte Stimmung zu bemerken. »Ich helfe gerne«, bot sie also an.

      »Du hast schon mit dem Laden so viel um die Oh­ren«, sagte Alastair in liebevollem Tonfall. »Und damit, eine endgültige Entscheidung zu treffen. Oder hast du das bereits getan?« Seine Augen leuchteten erwartungsvoll.

      »Ich weiß es einfach nicht«, gab Julie zu. »An manchen Tagen fühle ich mich hier zu Hause, angekommen. Aber dann …« Sie suchte nach den richtigen Worten, um ihre widerstreitenden Gefühle auszudrücken.

      Eine Tarotkarte kam ihr in den Sinn – der Narr. Er stand für Sorglosigkeit und Unschuld. Für sie war er immer die Verkörperung eines unsteten Geistes gewesen, ein Zugvogel, den es nirgends hielt. Vielleicht war es an der Zeit, sesshaft zu werden.

      »Ich verstehe«, sagte Alastair und legte ihr eine Hand auf die Schulter.

      Noch vor Kurzem hätte sie diese Geste als Bedrängen wahrgenommen, doch jetzt empfand sie sie als seltsam tröstlich. Hatte sie sich mehr verändert, als sie geglaubt hatte?

      »Hast du schon mal daran gedacht, dein Erbe anzunehmen?«, fragte er. »Und ich spreche nicht vom Haus oder dem Geschäft.«

      Julie brauchte einen Moment, bis sie verstand, was er meinte. Für ihn war es vollkommen logisch, dass von ihrer Entscheidung, zu bleiben oder zu gehen, noch mehr abhing. Blieb sie, so hieß das letztendlich, dass sie sich in die lange Reihe der Mireau-Hexen einreihte und die Tradition fortführte. Gehen bedeutete, dies abzulehnen.

      »Ich bin keine Hexe, ganz gleichgültig, wie sehr du und die anderen auch darauf spekulieren«, wehrte Julie ab. »Und ich werde auch nie eine sein. Das schwöre ich bei …« Vergeblich suchte sie nach etwas oder jeman­­dem, der oder das wertvoll genug war, um ihre Entschlossenheit zu verdeutlichen.

      Alastair seufzte. »Was ist eigentlich damals passiert? Laurie hat es mir nie erzählt.«

      Julie warf ihm einen scharfen Blick zu. »Nichts. Nichts ist passiert, und das kannst du wörtlich nehmen. Ich habe es einfach nicht in mir, keinen Funken Hexenkraft. Ich bin völlig aus der Art geschlagen. Oder, um es mit den Worten meiner Großmutter zu sagen: die vollkommene Enttäuschung.«

      Nachdenklich legte Alastair den Kopf schief. »Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet ich es dir sagen muss«, er lächelte, »aber du musst erwachsen werden, Julie. Streif deine Vergangenheit ab und lass dich nicht mehr von den Worten einer verbitterten Frau verletzen, die ihre ganze Hoffnung erst in ihre Tochter und dann in ihre Enkeltochter gesetzt hat.«

      »Bin ich so durchschaubar?«, stöhnte Julie. Dann versuchte sie, dem Gespräch eine andere Richtung zu geben: »Hast du schon unsere Neuheiten gesehen? Die Kristalle sind heute erst reingekommen.« Sie zeigte auf das Regal neben der Kasse.

      »Lenk nicht ab!«, entgegnete Alastair, schaute sich aber dennoch um. Den Steinen gönnte er kaum mehr als einen oberflächlichen Blick. Nach kurzem Zögern entschied er sich für ein Paket Tarotkarten, legte es auf die Theke und zückte seine Geldbörse. »Ich nehme die hier.«

      Julie hob fragend die Augenbrauen. »Ich dachte im­­mer, du hättest schon welche.«

      In Alastairs Augenwinkeln kräuselten sich kleine Fältchen. »Das stimmt, aber die hier sind ein Geschenk.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Für dich.«

      Bevor Julie darauf antworten konnte, öffnete sich die Tür. Auf der Schwelle stand Cassandra, das jüngste Mitglied des Hexenzirkels. Offenbar wartete sie darauf, dass die beiden ihren Auftritt zur Kenntnis nahmen. Ihr dunkelblaues Cape umwehte sie dramatisch und passte farblich genau zu ihren Augen, denen sie mit viel Eyeliner und grauem Lidschatten eine Dramatik verliehen hatte, die Julie immer wieder erstaunte. Der Eindruck einer Hexe wie aus dem Bilderbuch wurde zunichtegemacht durch die schlammbedeckten Stilettos, die sie trug.

      Julie lächelte. Cassandra wirkte ein wenig theatralisch, dennoch mochte sie die junge Frau. Obwohl Julie nur ein paar Jahre älter war, fühlte sie sich im Vergleich zu ihr deutlich reifer. Cassandra begeisterte sich jeden Monat für eine andere Art der Hexerei, sie war immer noch auf der Suche nach ihrer besonderen Gabe. Bislang hatte sie sich in Voodoo versucht, in Erd- und Runenmagie. Alles recht erfolglos, wie Julie fand, aber Cassandra dachte offenbar