Die Fälle der Shifter Cops. Natalie Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natalie Winter
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall der Shifter Cops
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948483685
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Streich.

      Widerstrebend sah sie sich ihren Fund noch einmal an. War das Blut, das an den Puppen klebte? Es wirkte nicht mehr frisch, war aber auch noch nicht so alt, dass die geronnene Flüssigkeit eingetrocknet wäre. Julie konn­­te sich nicht überwinden, daran zu riechen, um den typischen metallischen Geruch zu identifizieren, aber das war auch nicht nötig. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass jemand den Fetisch mit Blut beschmiert hatte, um ihm mehr Macht zu verleihen. Doch was war dessen Zweck? Warum machte sich jemand die Mühe, zwei Puppen zu fertigen und sie dann im Grab einer Toten zu verscharren?

      Das musste der Ausdruck eines kranken Geistes sein, der an Hexerei glaubte und ihrer Tante Böses wollte. Oder galt das hier nicht allein Laurie, sondern auch ihr? Mit zitternden Fingern schob sie die Taschentücher ein wenig mehr zur Seite. Ja, das Kleid der einen Puppe war aus einer ihrer alten Blusen gefertigt, sie erkannte den Stoff mit Sicherheit. Offenbar sollte sie Julie symbolisieren. Aber was hatte sie in Lauries Grab zu suchen? Julie musste jemanden fragen, der sich mit derlei Dingen auskannte.

      Sie seufzte. Warum redete sie sogar in Gedanken um den heißen Brei herum? Es half nicht im Geringsten, schönfärberisch von »derlei Dingen« zu sprechen, wo sie doch im Herzen wusste, um was es sich handelte. Die Puppen waren die Manifestation eines schwarzen Zaubers, der ihre Tante treffen sollte. Ihre tote Tante. Haha, sehr witzig. Jemand wollte Laurie schaden, die schon seit fast einem Jahr nicht mehr unter den Lebenden weilte.

      Mühsam stand Julie auf und verstaute das schmutzige Bündel in ihrer Tasche. Sie würde Alastair fragen, was das Ganze zu bedeuten hatte. Oder besser noch Myrtle, die Nekromantin. Die war zwar keine schwarze Hexe, aber als Totenbeschwörerin hatte sie sicher einige Grundkenntnisse in dunkler Magie.

      Vielleicht war es doch keine so gute Idee, in Yarnville zu bleiben.

      KAPITEL 5

      Der Tod

      Als Julie endlich am Laden ankam, war es ihr gelungen, sich ein wenig zu beruhigen. Ihre Hände zitterten nicht mehr und der Schlüssel traf das Schloss beim ersten Versuch. Sie holte den Aufsteller heraus, den sie wie je­­den Tag am Straßenrand postierte, und wollte gerade wieder hineingehen, als sie bemerkte, wie Cassandra auf sie zu eilte. Im Gegensatz zum Vortag wirkte sie, als sei sie eben aus dem Bett gesprungen. Ihr platinblondes Haar war zu einem nachlässigen Zopf gebunden, und sie trug Jeans und ein ausgewaschenes Sweatshirt. Ohne Make-up sah sie unglaublich jung und verletzlich aus. Als sie Julie erreicht hatte, warf sie sich weinend in ihre Arme.

      Ein wenig hilflos klopfte Julie ihr auf den Rücken. »Ist ja schon gut«, murmelte sie.

      In ihrem aufgelösten Zustand hatte Cassandra nicht mehr die geringste Ähnlichkeit mit der selbstbewussten Hexe, die am Vorabend so gut gelaunt den Laden verlassen hatte. Julies Bauchgefühl sagte ihr, dass das hier kein Fall von verheerendem Liebeskummer war. Warum auch hätte Cassandra ausgerechnet bei ihr Trost suchen sollen? Nein, gewiss steckte etwas anderes dahinter. Schaudernd dachte Julie an ihren Friedhofsfund und wünschte, sie hätte die Puppen an Ort und Stelle verbrannt.

      »Was ist denn los?«, fragte sie vorsichtig, als Cassan­dras Schluchzen endlich nachließ, doch die junge Frau antwortete nicht. »Okay, dann lass uns wenigstens in den Laden gehen und ich mache dir einen Tee«, versuchte sie es weiter. »Ich könnte selbst einen gebrauchen.« Oder etwas Stärkeres, dachte sie, aber Whiskey am Vormittag kam nicht in Frage. Sie ahnte, dass sie in den kommenden Stunden einen klaren Kopf brauchen würde.

      Also nahm sie Cassandra am Arm, führte sie ins Itchy Witchy, schaltete im Vorbeigehen das Licht an und setzte die junge Frau in einen Sessel. Dann drehte sie das »Geöffnet«-Schild nach außen und startete den ­Kassencomputer. Es war noch zu früh für die Touristen, sie konnte sich also gut ein wenig Zeit für Cassandra nehmen. Im Moment war die allerdings nicht in der Lage, ihr etwas mitzuteilen.

      »Ich bin gleich zurück«, sagte Julie und reichte Cassan­dra eine Packung Papiertaschentücher. Dann ging sie ins Hinterzimmer und setzte Teewasser auf. Kurze Zeit später brachte sie Cassandra einen Kamillentee mit besonders viel Honig. »Erzählst du mir jetzt, was los ist?«

      Cassandras Tränen begannen erneut zu fließen. »Jo­­le­­ne …«, begann sie, bekam aber nicht mehr als dieses eine Wort heraus. Sie schnäuzte sich einmal und atmete tief durch.

      »Schon gut. Trink deinen Tee, danach wird es dir besser gehen«, sagte Julie in ruhigem, aber bestimmtem Tonfall.

      Cassandra hörte auf zu schluchzen, doch die hektischen roten Flecken auf ihren Wangen verrieten, wie aufgeregt sie noch immer war. »Ich hatte eine schlimme Nacht«, erklärte sie, »ich war dauernd wach.« Ihre Hände zerpflückten das Taschentuch in winzige Stücke.

      Julie reichte ihr ein neues.

      »Wenn ich mal geschlafen habe, habe ich schlecht geträumt«, fuhr Cassandra fort. »Ich hätte wissen müssen, dass etwas nicht stimmt, aber ich dachte, es wäre nichts weiter als ein böser Traum. Kennst du das, wenn du nachts aufwachst und spürst, wie sich die dunkle Energie über deinem Kopf sammelt? Bestimmt …«

      »Cassandra«, unterbrach Julie sie ungeduldig. »Was ist passiert? Du kannst mir später von deinen Träumen erzählen, aber jetzt möchte ich wissen, warum du so …« Sie suchte nach einem passenden Wort.

      Schockiert? Ja, aber das war noch nicht alles. Traurig? Auch das, aber Cassandra strahlte noch so viel mehr aus und Julie kannte sie nicht gut genug, um das, was sie fühlte, beim Namen zu nennen.

      »Ich möchte wissen, warum du so außer dir bist«, sagte sie schließlich. »In kurzen Sätzen, bitte. Was ist geschehen?«

      »Ich habe heute Morgen Red beim Bäcker getroffen«, begann Cassandra leise, und sofort füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen.

      Julies Herzschlag dröhnte in ihren Ohren. Sie ahnte, dass etwas Katastrophales passiert sein musste.

      »Es gab einen Brand in Jolenes Haus, und man hat eine Leiche gefunden. Red sagt«, Cassandras Stimme ­zitterte, »es ist Jolene.«

      Julie hatte das Gefühl, als habe man ihr den Boden unter den Füßen weggezogen. »Das kann nicht sein.« Ihr wurde eiskalt, als sie an die Karten dachte, die sie ­Alastair gelegt hatte. Andererseits bedeutete es nicht unbedingt, dass sie sein Schicksal gesehen hatte. Be­stimmt war es zu weit hergeholt, wenn sie Jolenes Tod damit in Verbindung brachte, auch wenn die beiden sich gekannt hatten. Sie schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. »Wie kann Red sich sicher sein, dass es sich bei der Toten um Jolene handelt?«, fuhr sie fort. »Ich dachte immer, Brandopfer …« Doch noch während sie sprach, wusste sie, dass es stimmte. Ihr wurde übel.

      »Red sagt, man muss natürlich die Untersuchung ­ab­­warten, um die Leiche eindeutig zu identifizieren. Aber er schien sich ziemlich sicher zu sein. Es gab wohl keine Hinweise auf die Anwesenheit Außenstehender.« Cassandra lachte bitter. »Er wirkte irgendwie abgeklärt. Wie kann das sein? Ich meine, das war Jolene, unsere Hexenschwester, die in den Flammen gestorben ist.« Sie schauderte, und obwohl Julie diesen Ausbruch etwas melodramatisch fand, musste sie ihr im Grunde zustimmen.

      »Du weißt doch, wie er ist. Nie Gefühle zeigen, nur das Nötigste sagen. Ich bin mir sicher, dass er auf seine Art genauso um sie trauert wie du und ich.«

      Aber Cassandra ließ sich nicht beruhigen. »Was soll nun aus uns werden?«, jammerte sie. »Wir werden immer weniger. Jolene wusste stets, was zu tun war, wenn ein Zauber danebenging oder einer von uns Probleme hatte. Und wer sollte sie so sehr hassen, dass er sie bei lebendigem Leib anzündet?«

      Julie zuckte zusammen. »Moment mal! Was soll das heißen? Ich dachte, es war ein Unfall.« Nun tanzten die Bilder der Karten, die sie Alastair am Vorabend gelegt hatte, vor ihrem inneren Auge – eine war der Tod gewesen.

      Cassandra schüttelte so heftig den Kopf, dass sich einige Strähnen aus ihrem Zopf lösten. »Nein. Red sagt …« Sie schluckte. »Also sein Chef ist der Meinung, dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen