Die Fälle der Shifter Cops. Natalie Winter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Natalie Winter
Издательство: Bookwire
Серия: Ein Fall der Shifter Cops
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948483685
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ihre Granny war ohnehin sehr zurückhaltend gewesen, was Erklärungen anging.

      »Man ist eine Hexe oder man ist keine«, hatte sie immer behauptet.

      Auch ihre Tante hatte sich geweigert, ihr einen schlag­­kräftigen Beweis zu liefern. »Wenn du nicht daran glaubst, dann nützt das auch nichts«, hatte sie gesagt.

      Widerwillig zog Julie die Hand mit den Karten zurück. »Also gut, ich behalte sie.« Sie hatte nicht versprochen, sie auch zu benutzen, aber sie wusste, dass Alastair diese Feinheit bemerkt hatte.

      Er seufzte und sah sie bittend an. »Was hast du schon zu verlieren?«

      Meine Geduld, dachte Julie, sprach es aber nicht aus. Sie mischte die Karten und legte das Päckchen mit dem Rücken nach oben auf den Tresen. »Ein Mal«, sagte sie bestimmt. »Ich werde es jetzt tun und dann nie wieder. Und du sprichst mich nie wieder darauf an, Alastair, und siehst von allen Versuchen ab, mich von meinen nicht vorhandenen magischen Fähigkeiten zu überzeugen.«

      Er nickte. »Ich möchte, dass du mir die Karten legst.«

      Einen Moment lang war Julie sprachlos. »Alastair, bitte …« Sie brach ab, denn an seinem Gesichtsausdruck konnte sie sehen, dass jeder Einwand vergeblich war. »Also gut, wenn du darauf bestehst, werde ich es tun. Aber mach mich nicht dafür verantwortlich, wenn nichts Gescheites dabei herauskommt.«

      »Für jemanden, der nicht an die Macht des Tarots glaubt, bist du ganz schön ängstlich«, gab er zurück.

      »Ich habe zehn Semester Psychologie studiert«, erinnerte sie ihn ein bisschen schnippisch, »und eine recht genaue Vorstellung davon, wie beeinflussbar Menschen sind. Natürlich kann ich nicht in die Zukunft schauen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du daran glaubst. Und das genügt, um mir ein ungutes Gefühl zu geben.« Herausfordernd sah sie ihn an.

      Als er kein Wort entgegnete, gab sie sich einen Ruck und fächerte die Tarotkarten mit einer ungeschickten Handbewegung auf. Langsam ließ sie ihre Linke darüber wandern, so wie sie es bei ihrer Tante gesehen hatte. Nichts passierte. Keine Spur von Wärme, die anzeigte, dass ihre Hand über der »richtigen« Karte schwebte. Also schloss sie die Augen und griff wahllos drei Karten, die für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stehen sollten. Sie öffnete die Augen wieder, drehte die drei Karten um und legte sie in einer Reihe aus.

      Die Vergangenheitskarte war interessant – die Liebenden. Sofort musste Julie an Alastairs Beziehung zu ihrer Tante Laurie denken. Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu. Er rieb sich das Kinn. Die Karte stand allerdings nicht nur für eine Liebesbeziehung, sondern auch für ein rundum erfülltes Leben, so viel wusste Julie.

      Die zweite Karte, die Fünf der Kelche, bildete einen starken Kontrast dazu. Eine Gestalt in schwarzem Um­­hang starrte mit gesenktem Haupt auf die Kelche, die umgekippt auf dem sandigen, unfruchtbaren Boden lagen. Ein schmaler Fluss trennte die Person von einer Burg, die im Hintergrund thronte und unerreichbar fern lag. Diese Karte symbolisierte Trauer und Schmerz, der zum alles beherrschenden Element im Leben des Ratsuchenden wurde.

      Julie wagte es nicht, Alastair anzusehen. Sie fühlte sich wie ein Eindringling in seine Privatsphäre, denn auch diesmal schien ihr die Deutung direkt mit Tante Laurie verbunden zu sein. Und obwohl sie ihre langjährige Skepsis wie einen schützenden Mantel trug, konnte sie einen kleinen Schauder nicht unterdrücken.

      Das letzte Bild allerdings, Alastairs Zukunft, war wirklich bedrohlich. Es war eine der düstersten Karten überhaupt, die Zehn der Schwerter. Sie zeigte einen Mann, der am Boden lag und von den Schwertern ­gnadenlos durchbohrt wurde. Über ihn war ein rotes Kleidungsstück drapiert, das aber ebenso gut für Ströme von Blut stehen konnte. Am meisten beunruhigte Julie jedoch der schwarze Horizont. Leere und Hoffnungs­losigkeit gingen von ihm aus.

      In dieser Karte sah Julie mehr als nur eine depressive Phase, die vorübergehen würde. Die Schwerter, die den Mann am Boden festnagelten, verhinderten jede Bewegung; er war gefangen in seinem Schmerz und es gab keine Aussicht auf Hilfe. Im Tarot gab es auch den Tod als eigenständige Karte, aber sie war im Vergleich zu dieser hier ein echter Lichtblick.

      Julie schluckte und versuchte, sich ihre Beklommenheit nicht anmerken zu lassen. Hoffentlich nahm sich Alastair diese deprimierenden Aussichten nicht allzu sehr zu Herzen. Doch anders als sie glaubte er an diesen verflixten Hokuspokus. Merkwürdigerweise wirkte er nicht besonders betroffen, sondern eher gelassen, ganz so, als habe sie seine Erwartungen erfüllt.

      »Bist du jetzt zufrieden?«, fragte sie und schob die Karten wieder zusammen.

      »Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich bin.« Er sah sie forschend an. »Dir mögen diese Karten Angst machen, aber für mich sind sie der Beweis, dass in dir verborgene Kräfte schlummern. Und das, ma Chère, macht mich wahrhaft glücklich. Ich habe immer an dich geglaubt, im Gegensatz zu dir selbst. Versprich mir, dass du weiter mit den Karten arbeitest, selbst wenn ich nicht da bin, um dich anzutreiben«, sagte er eindringlich.

      Julie fiel es schwer, ihm zu widerstehen. In diesem Moment konnte sie nur zu gut nachvollziehen, was Tante Laurie an ihm gefunden hatte. Plötzlich war sie froh, dass sie ihm den kleinen Gefallen getan hatte. Außerdem – er wirkte zwar fit und gesund, aber er war inzwischen auch nicht mehr der Jüngste. Ein ungutes Gefühl breitete sich in Julies Magen aus. Lag es an seinem letzten Satz oder an den Karten?

      »Ich verspreche es dir«, sagte sie schließlich. »Aber du wirst sicher noch viele Male vorbeischauen, um mich zu ärgern.«

      KAPITEL 4

      Fünf der Kelche

      Am nächsten Morgen kämpfte sich Julie besonders früh aus dem Bett. Die Nacht war viel zu kurz gewesen. Sehr detailliert hatte sie von lebendig gewordenen Tarot­kartenfiguren geträumt, die sie durch die verlassenen Straßen von Yarnville gejagt hatten. Nicht einmal der Wagenlenker hatte ihr geholfen, sondern war mit seinem von Fabelwesen gezogenen Gefährt hinter ihr her gerast und hatte sie auf den Friedhof getrieben.

      Den heißen Atem der Tiere im Nacken, war sie über Grabsteine gesprungen und hatte verzweifelt die letzte Ruhestätte ihrer Tante gesucht. Im Traum hatte sie gewusst, dass sie erst in Sicherheit war, wenn sie ­Lauries Leichnam ausgegraben hatte und mit ihm tanzte. Doch als sie das Grab endlich gefunden hatte, war wie aus dem Nichts ein Ring aus Feuer entstanden, der sie eingeschlossen hatte. Als dann auch noch die Erde unter ihren Füßen zu brennen begonnen hatte, war sie endlich aufgewacht.

      Müde strich sie sich das verschwitzte Haar aus dem Gesicht und tappte ins Bad. Ihr Nachthemd klebte am Rücken und ihre Schultermuskeln fühlten sich steinhart an. Vor allem aber brannten ihre Fußsohlen. Das war natürlich Unsinn. Es war nur ein Traum gewesen, wenn auch ein erschreckend lebendiger.

      Seit Ewigkeiten hatte sie nicht mehr so intensiv ge­­träumt – um genau zu sein, nicht mehr seit Beginn ihrer Teenagerzeit, kurz bevor ihre Großmutter gestorben war. Die Träume hatten aufgehört, nachdem Tante Laurie ihrer Granny das Versprechen abgerungen hatte, Julie nicht in die Rolle der Erbin zu drängen. Julie erinnerte sich noch genau an die Nacht, in der die Frauen so heftig miteinander gestritten hatten, dass sie davon aufgewacht war.

      »Das muss aufhören«, hatte ihre Tante gesagt, »begreif es doch endlich! Du kannst nicht herbeizwingen, was einfach nicht da ist. Sie ist nicht Miranda, und sie wird es niemals sein.«

      In der folgenden Stille hatte Julie geglaubt, sogar den Atem der beiden hören zu können. Als ihre Granny endlich gesprochen hatte, hatte sie resigniert geklungen.

      »Du aber auch nicht, Laurie. Du wirst niemals an Miranda heranreichen.«

      Julie stellte die Wassertemperatur auf die höchste Stufe und hielt ihren Nacken unter den heißen Strahl. Es gab so viele Dinge, für die sie ihrer Tante dankbar sein musste und es auch war, aber die größte Dankbarkeit schuldete sie ihr für ihre Durchsetzungskraft in jener Nacht. Danach hatte ihre Granny nie wieder versucht, ihre angeblichen Hexenkräfte zu wecken, und auch die Träume hatten nach und nach aufgehört. Doch