Lost Treasure. Sandra Pollmeier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Pollmeier
Издательство: Bookwire
Серия: Treasure Hunt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947634965
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weil sie ihnen in die Quere kam. Geh´ zur Polizei und klär´ das Ganze auf, Sofia! Ich stehe dir auch bei in dieser Sache, versprochen!“

      „Es geht hier nicht nur um mich“, fauchte ich Marvin an und musste mich gleichzeitig daran erinnern meine Stimme zu senken, damit mich Ben und Julie nebenan nicht hörten. „Ben ist ein enormes Risiko eingegangen, um mir zu helfen.“

      „Ach ja, ist er das?“

      Mit einem Mal wurde mir klar, dass ich Marvin die wichtigsten Kapitel unserer Odyssee noch nicht erzählt hatte. Er hatte keine Ahnung von dem Zwischenfall auf dem Friedhof, oder davon, dass mein Onkel das Massaker im Excelsior ausgelöst hatte. „Sorry, Sofia. Ich dachte, wir würden einander vertrauen! Aber du weihst mich inzwischen wohl nicht mehr in jedes unwichtige Detail ein.“

      Stöhnend verbarg ich mein Gesicht in der freien Hand. „Es tut mir leid, Marvin, ich wollte dich nicht noch tiefer mit reinziehen. Und außerdem - wann sollte ich es dir erzählen? Dafür gab es bisher keine passende Gelegenheit!“

      „Wie wäre es denn mit jetzt?!“

      „Ich sitze hier im Badezimmer und lasse das Wasser laufen, damit mich niemand hört.“

      „Wo bist du, Sofia?“ Marvins Tonfall wurde immer frostiger. Mir war klar, dass er sich ausgeschlossen fühlte, und ich konnte nur zu gut verstehen, dass er keine Lust mehr darauf hatte, von mir im Unklaren gehalten zu werden.

      „Na gut“, seufzte ich nach kurzem Zögern, „Ich erzähle dir alles. Aber du musst mir schwören, nicht die Polizei zu informieren!“

      „Ja, ist klar.“

      „Was ist klar?“

      „Ja, ich schwöre, meine Güte, jetzt erzähl´ endlich!“

      Und dann berichtete ich ihm alles. Marvin unterbrach mich nicht, aber ich hörte ihn manchmal scharf einatmen. Es war, als könnte ich seine gerunzelte Stirn und die fest aufeinander gepressten Lippen vor mir sehen. Als ich die Geschichte mit meinem Zusammenbruch in Julies Wohnung beendete, schwieg Marvin immer noch. „Bist du noch da?“, fragte ich zögerlich, doch ich bekam keine Antwort. „Marvin?“

      „Ich kann nicht fassen, was du da gerade erzählt hast“, flüsterte Marvin. Jetzt schwiegen wir beide. Er hatte ja Recht. Es war alles ein einziger Albtraum. „Ich kann dich ja doch nicht davon überzeugen zurückzukommen“, sagte Marvin nach einem endlosen Augenblick. „Aber versprich mir, dass du auf dich aufpasst. Und bitte melde dich. Am besten jeden Tag einmal. Damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist.“

      Im Bad war die Luft um mich herum mittlerweile dunstverhangen. Ich drehte den Wasserhahn zu und öffnete das Fenster. „Danke!“, flüsterte ich in den Hörer. Draußen hatte es zu regnen begonnen. Ein junges Pärchen lief laut lachend die Straße herunter und versteckte sich unter einer ausgebreiteten Jacke. Wie unbeschwert sie waren! Es kam mir vor, als wären Jahre vergangen, seitdem ich zum letzten Mal so ausgelassen gelacht hatte.

      „Mach´s gut, Sofia“, hörte ich Marvin, dann war es still. Eine ganze Weile starrte ich in den Regen. Irgendwann zog ich meinen Bademantel aus und stellte mich unter die Dusche.

      „Nach einem schönen Bad fühlt man sich wie ein neuer Mensch, nicht wahr?“ sagte Julie, als ich mit triefnassen Haaren aus der Dusche kam. Als Antwort zuckte ich nur mit den Schultern. Diese ewig gut gelaunte Art von ihr ging mir mächtig auf die Nerven. „Wir haben dir etwas vom Chinesen mitgebracht. Das ist jetzt leider kalt, aber du kannst ja die Mikrowelle benutzen. Du magst doch Ente süß-sauer?“, plapperte Bens alte Flamme unbeeindruckt weiter.

      „Ja, klar. Danke“, entgegnete ich, ohne sie anzusehen, und verschwand in meinem Zimmer.

      4

      Die nächsten drei Tage zogen sich endlos in die Länge. Weil wir uns versteckt halten mussten, verließen wir nicht das Haus, und ich verbrachte die meiste Zeit damit, aus dem Fenster in den nicht enden wollenden Regen zu starren. Brav meldete ich mich jeden Nachmittag bei Marvin und unterhielt mich mit ihm über Stellas immer noch besorgniserregenden Gesundheitszustand oder mutmaßte darüber, was mit Dr. Potter geschehen sein mochte. Wir waren uns beide einig, dass es merkwürdig war, dass der Friedhofs-Killer sich für Dr. Potter ausgegeben hatte, wenn dieser mit den unbekannten Schatz-Jägern unter einer Decke steckte. Wer war die tote Frau und warum lag sie in seinem Gartenteich? Irgendwie drehten wir uns nur im Kreis und kamen der Lösung des Rätsels keinen Deut näher. Ben verbrachte viel Zeit mit Julie und wechselte nur wenige Worte mit mir. Ich hatte jedes Mal, wenn er mich ansah, das Gefühl, dass er mich argwöhnisch musterte. Saß ich am Tisch und las, spürte ich, wie er mich beobachtete, doch schaute ich auf, so wandte er sich etwas anderem zu. Und dann, am Montagmorgen, acht Tage, nachdem unsere Odyssee begonnen hatte, bekamen wir Besuch von einem alten Bekannten.

      Ich hatte das Klingeln an der Tür nicht gehört und erschrak, als ich das Wohnzimmer betrat und mir Linus Van Houwers entgegengrinste. „Da ist ja die kleine Sofia!“ rief er, strahlte mich mit seinen makellos weißen Zähnen an und klopfte auf den freien Platz neben sich. „Setz´ dich zu mir, Mädchen, und erzähl mir, wie dir Amsterdam gefällt.“

      Julies Blick blieb gleichmütig, aber Ben wirkte angespannt und nervös. Er öffnete seinen Mund, als wolle er Linus zurechtweisen, doch dann verkniff er es sich und griff stattdessen nach dem Wasserglas, das vor ihm auf dem massiven Marmortisch stand. Etwas verunsichert nahm ich neben Van Houwers auf dem Sofa Platz, weniger, weil ich ihn mochte, sondern eher, weil dies der einzige noch freie Platz war. Der Klubbesitzer lächelte zufrieden und legte lässig seinen rechten Arm über die Rückenlehne hinter meinem Kopf. Mit einem abfälligen Schnauben presste Ben die Lippen aufeinander. „Du hast mir noch nicht geantwortet, Schätzchen.“ Linus grinste selbstgefällig und einen Moment lang musste ich überlegen, was denn seine Frage war. Seine eisblauen Augen sahen mich herausfordernd an und seine Mundwinkel zuckten spöttisch. „Ich hab´ noch nicht viel von Amsterdam gesehen“, antwortete ich knapp.

      „Hm“, machte Van Houwers, schnappte sich eine meiner langen Locken und drehte sie um den Finger. „Das ist aber schade! Es gibt so viele interessante Sachen hier. Wenn du magst, zeige ich dir die Stadt. Nur dir.“ Er schenkte mir ein verführerisches Lächeln.

      „Das reicht jetzt, Linus!“, warnte Ben mit drohendem Unterton, doch Linus würdigte ihn keines Blickes. Stattdessen streckte er seine sehnige, mit schweren Silberringen geschmückte Hand aus und strich mit seinem Zeigefinger ganz langsam die Konturen meines Schlüsselbeins nach. Ich zuckte zurück, doch Linus griff nach meiner Kette und begutachtete den roten Stein, den mein Vater mir von seiner letzten Expedition mitgebracht hatte.

      „Sieh da! Ein echter, handgeschliffener Rubin“, bemerkte er fachmännisch, „ein teures Schmuckstück für ein kleines Mädchen wie dich!“

      Verärgert zog ich ihm die Kette aus der Hand und rutschte ein Stück von ihm ab. Was fiel diesem Kerl ein, mich so unverschämt anzugraben? Seine Selbstsicherheit grenzte schon an Arroganz. Doch während ich mich nur ärgerte, schien Ben innerlich zu kochen. Beruhigend legte Julie ihre Hand auf seine Schulter und drückte ihn in seinen Sessel zurück. Wir brauchten Linus´ Hilfe - diese Tatsache schien dem Klubbesitzer Genugtuung zu bereiten.

      Julie stand auf, öffnete einen Glasschrank und stelle eine Flasche Whiskey auf den Tisch. Linus warf ihr ein flüchtiges Lächeln zu, dann goss er sich sein Glas halb voll. „Nun ja, ich glaube, ihr wollt etwas anderes von mir hören. Tja, die jungen Leute, immer in Eile und keine Zeit für Konversation. Na, egal …“ Mit einer dramatischen Geste zog Linus einen Umschlag unter seiner abgelegten Lederjacke hervor und schob ihn quer über den Tisch. Ben zog das Kuvert zu sich herüber und öffnete es. Zum Vorschein kamen zwei deutsche Reisepässe. „Die solltet ihr allerdings nicht am Flughafen benutzen“, lauernd sah er Ben an, der nur mit den Schultern zuckte. „Machen wir nicht, keine Sorge.“

      Des Weiteren enthielt der Umschlag ein Bündel Hundert Euro-Scheine und eine Hand voll Fotos, deren Sinn ich nicht erkennen konnte. Zuerst warf Ben einen flüchtigen Blick in die beiden Pässe und gab dabei ein kurzes, abfälliges Schnaufen von sich.