Lost Treasure. Sandra Pollmeier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Pollmeier
Издательство: Bookwire
Серия: Treasure Hunt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947634965
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was passiert ist …“

      „Linus weiß Bescheid“, unterbrach Ben den Muskelprotz mitten im Satz. Es sah ganz so aus, als wollte er vermeiden, dass dieser Typ zu viel von seiner Vergangenheit preisgab.

      „Ach so“, murmelte der Türsteher überrascht, „er weiß Bescheid. Na gut, Leute, dann kommt mal mit.“

      Obwohl ich mich unglaublich underdressed fühlte, kam ich mir irgendwie wichtig vor, weil wir einfach so an einer langen Schlange Wartender vorbei spazieren konnten. Alle Blicke schienen uns zu folgen und ich versuchte zu ignorieren, dass einige der hübschen Mädchen in der Warteschlange ihre Köpfe zusammensteckten und tuschelten, während sie mich mit bösen Blicken betrachteten.

      In der gigantisch anmutenden Halle im Inneren des „Metropolis“ schmetterte uns Technobeat entgegen. Der Raum war bis auf den letzten Zentimeter ausgefüllt mit ekstatisch zuckenden Tänzern, die sich alle wie in Trance zum Rhythmus bewegten. Einen derart riesigen Klub hatte ich noch nie gesehen. Ben schrie mir irgendetwas zu, das ich aufgrund der Lautstärke nicht verstehen konnte. Ich schüttelte stirnrunzelnd den Kopf und deutete mit den Fingern auf meine Ohren. Entnervt rollte Ben seine Augen, schnappte grob nach meinem Oberarm und zog mich hinter sich her. Offenbar hatte er Angst, dass wir uns aus den Augen verlieren könnten. Der freundliche Hüne, der übrigens Theo hieß, wie er mir kurz vorm Eingang in die Hölle verraten hatte, schleuste uns sicher durch die Massen, bis wir zu einem Treppenabsatz kamen, vor dem ein weiterer Security-Typ stand. Dieser war weniger muskelbepackt als seine Kollegen im Eingangsbereich, trug allerdings den gleichen schwarzen Anzug mit Rollkragenpulli darunter (der Arme – in der schwülen Hitze, die hier herrschte!). Eine Sonnenbrille hatte der Mann tatsächlich nicht auf der Nase (wäre hier drinnen auch wirklich zu lächerlich gewesen), dafür klemmte über seinem rechten Ohr ein Headset, das ihm ebenfalls ein sehr wichtiges Aussehen verlieh. Theo wechselte ein paar Worte mit ihm. Sein Gegenüber nickte stumm und telefonierte mit einer dritten Person. Daraufhin löste er die Kette, die die Treppe vom unteren Tanzbereich trennte, und ließ uns passieren.

      Wir stiegen auf in einen mit hohen Glasfronten abgetrennten VIP-Bereich, der auf einem Balkon etwa zehn Meter über den tanzenden Massen schwebte. Mir stockte der Atem, als wir den in gedämpftem Licht beleuchteten Raum betraten. Die Musik hier oben war sehr viel leiser und sanfter als im unteren Bereich des Tanzklubs. Breite, cremefarbene Sofas luden zum Ausruhen ein, und in den dazwischen aufgestellten überdimensionalen Säulen brodelte eine bläulich schimmernde Flüssigkeit. Auf der linken Seite befand sich ein in Marmor gefasster Pool, in dem zwei Bikini-Schönheiten Champagner schlürften. Am rechten Ende des ca. 100 Quadratmeter großen Raumes befand sich das beeindruckendste Highlight: eine Cocktailbar, die in ein riesiges, raumhohes Aquarium eingearbeitet war. Bunte tropische Fische schwammen durch die Theke, vor der einige Männer in teuren Anzügen mit wunderschönen Frauen in enganliegenden Luxuskleidern flirteten. Ohne es zu wollen, krallte ich mich noch fester an Bens Arm. Die Dekadenz hier jagte mir aus unerklärlichen Gründen Angst ein. Und irgendetwas in Bens angespanntem Gesichtsausdruck bestätigte mein ungutes Gefühl.

      „Benjamin Stevens!“, hörten wir plötzlich eine dunkle Stimme aus dem hinteren Bereich des Raumes. Erschrocken drehte ich mich um. Auf einer Couch links vom Treppenabsatz saß ein Mann mit platinblond gefärbten Haaren in einem teuer wirkenden schwarzen Anzug mit gleichfarbigem, halb aufgeknöpftem Hemd und grinste zu uns herüber. Der Fremde, der auffällig viel Designerschmuck wie eine massive Silberkette mit viktorianischem Kreuz, ein Panzerarmband und diverse Ringe mit Totenköpfen trug, winkte uns lässig mit einer Hand zu sich herüber, ohne von dem Sofa aufzustehen. Die beiden Damen in weinroten Seidenkleidern, die neben ihm gesessen hatten, verzogen sich dezent an die Aquarium-Bar. „Dass ich noch einmal zu dieser Ehre komme …“, lachte der Mann mit unüberhörbarem Spott in der Stimme und ließ sich genüsslich in die breiten Sofakissen zurückfallen. Dann musterte er mich mit einem süffisanten Grinsen von oben bis unten und zog dabei abschätzend seine linke Augenbraue hoch. „Süß, deine kleine Schwester, Benjamin, wirklich süß.“ Ben schob sich zwischen mich und den Fremden und atmete tief durch. „Linus“, begrüßte er den Mann mit gepresster Stimme, „ich bin hier, weil ich dich an dein Versprechen erinnern will. Falls du dein Wort hältst, dann ist jetzt der Moment, in dem du mir helfen kannst.“ Ich glaubte ein leichtes Zittern in Bens Stimme zu erkennen und wunderte mich darüber. Es war nicht seine Art, vor irgendjemandem Respekt oder gar Angst zu haben. Im Gegenteil – Ben legte ansonsten eine überheblich anmutende Gelassenheit an den Tag, dass ich bisher den Eindruck gewonnen hatte, ihn würde so schnell nichts aus dem Konzept bringen. Aber dieser aalglatte Kerl auf dem Sofa ließ Ben fast wie einen hilflosen Jungen erscheinen. Was war das für ein Geheimnis, das die beiden verband?

      „Aber Benni. Ich bin ein Ehrenmann. Wenn ich etwas verspreche, dann halte ich es!“ Der drollige holländische Akzent passte nicht zu dem ansonsten eher bedrohlich wirkenden Fremden. Auch ohne dass er Linus antwortete, war mir klar, dass mein Bruder an dessen Ehrbarkeit zweifelte. Gegenseitige Sympathie verband die beiden nicht, soviel war sicher. „Setzt euch doch, bitte!“ Unser Gegenüber lächelte übermäßig freundlich und ließ seinen Blick zu mir gleiten. Dann nickte er zur Bar. Sofort kam eine hübsche Blondine herbei, um uns zwei Champagnergläser zu reichen. Auch ohne diese Geste wusste ich, dass Linus der Chef dieses Ladens sein musste. Diese Tatsache erfüllte mich mit einer gewissen Ehrfurcht. Obwohl der blondierte Holländer wahrscheinlich kaum älter als dreißig war, musste er ein außerordentlich betuchter und einflussreicher Mann sein. Wir setzten uns zu Linus auf das geschwungene Sofa, wobei Ben darauf zu achten schien, dass er zwischen mir und seinem alten Bekannten saß. Hatte er Angst um mich?

      „Also, mein Freund, wie kann ich euch beiden helfen?“ Linus stellte sein Champagnerglas auf den massiven Kristalltisch vor unserer Couch und zündete sich eine Zigarette an. Dann hielt er mir und Ben eine silberne Dose mit selbst gedrehten Glimmstängeln unter die Nase. Mein Bruder schüttelte den Kopf und warf mir einen bösen Blick zu, als ich einen Moment lang überlegte, mir auch eine Zigarette zu nehmen.

      „Wir brauchen neue Reisepässe und etwas Geld. Wir wissen, dass wir gefälschte Pässe nicht zum Reisen gebrauchen können, aber für eine Hotelbuchung etc. werden sie ihren Zweck erfüllen. Und ein paar Infos wären auch nicht übel …“. Bei diesen Worten legte Ben die silberne schallgedämpfte Pistole auf den Glastisch, die wir auf dem Friedhof unserem Verfolger entwendet hatten. Linus stieß einen leisen Pfiff aus und nahm die Waffe in die Hand. Mit sicherem Griff ließ er das Magazin aus dem Handlauf gleiten, schob es wieder hinein und entschärfte die Waffe. „Ein hübsches Schätzchen hast du da gefunden, Benni. Das ist eine Beretta FS Inux. Ein Sondermodell, davon gibt es nur wenige. Und sagen wir mal so: Wer ein solches Schmuckstück besitzt, der will damit keine Tauben schießen.“

      Ich konnte mein Erstaunen kaum verbergen. Warum zeigte Ben ihm die Pistole? Wollte er noch heute im Gefängnis landen? Er musste den Verstand verloren haben. „Ich will nicht wissen, was für ein Modell das ist. Ich will wissen, wem sie gehört hat“, antwortete Ben mit ruhigem Ton.

      Linus schüttelte lachend den Kopf. „Du bist gut, Benni“, entfuhr es ihm, „da stellst du mir eine schwierige Aufgabe. Das Geld ist kein Thema. Aber wegen der Kanone kann ich nicht eben bei Amazon nach einer Kundenliste fragen. Das wird eine Weile dauern …“

      „Eine Woche“, konterte Ben. „Eine Woche, dann müssen wir weiter. Und ich weiß, dass du das hinkriegst, Linus.“ Das Lächeln des Klubbesitzers wurde gepresster, doch er unterdrückte seinen Unmut gekonnt. „Na gut“, antwortete er, „wenn wir dann quitt sind.“

      „Mehr verlange ich nicht.“

      „Dann steht unser Deal.“ Linus hielt Ben seine rechte Hand entgegen, doch mein Bruder überging die Geste mit einem eisigen Lächeln. Was immer es war, weshalb Linus ihm einen Gefallen schuldete – es musste etwas außerordentlich Wichtiges gewesen sein, ansonsten hätte sich Ben ein solches Verhalten wohl kaum erlauben können. Doch noch während ich über dieses ominöse Geheimnis nachgrübelte, wurde ich jäh aus meinen Gedanken gerissen.

      „Da seid ihr ja! Ich freue mich so sehr!“, erklang eine melodische Stimme hinter meinem Rücken und Bens Blick wurde mit einem Mal sanft, beinahe verletzlich. Erstaunt drehte ich mich um und blickte in das strahlende Gesicht einer