Lost Treasure. Sandra Pollmeier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sandra Pollmeier
Издательство: Bookwire
Серия: Treasure Hunt
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947634965
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Tee und lass euch allein.“ Julie drehte sich um und ging zur Tür, „Gibt es etwas Bestimmtes, das du gerne essen würdest, Sofia?“

      Nicht um den Finger wickeln lassen … „Hast du Erdbeeren da?“ Okay, ich bin schwach, ich gebe es zu.

      Jetzt strahlte Julie noch mehr. „Mit Sahne?“ Wer konnte da widerstehen? Ich nickte freudig und ohrfeigte mich innerlich für meine Blödheit. Na sei´s drum. Irgendwie war ich zu müde für diese Eifersüchteleien. Als Julie den Raum wieder verlassen hatte, schwiegen Ben und ich uns an. Keiner von uns beiden wusste, was er sagen sollte, und mein Herz schlug mir bis in die Kehle. Ich dachte an den Traum und daran, wie sehr ich mich darin nach ihm gesehnt hatte. Oh Gott, wie sollte ich ihm nur je wieder in die Augen sehen, ohne vor Scham im Boden zu versinken?

      „Ich bin echt froh, dass du … wieder da bist“, rang mein Bruder schließlich nach den richtigen Worten und grinste mich dabei an. Nein! Ich würde ihm nicht in die Augen schauen!

      „Ach was, hättest doch weniger Ballast mit dir rumzuschleppen, wenn´s mich dahingerafft hätte“, versuchte ich zu spaßen, doch Ben schüttelte den Kopf.

      „Nein. Da würde mir doch was fehlen.“ Er streckte die Hand aus und strich mir mit dem Handrücken über die linke Wange. Nur eine kleine, nette Geste, aber ich hatte das Gefühl, gleich wieder in Ohnmacht zu fallen. Himmel, was war nur los mit mir?

      „Ben, kannst du grad´ mal kommen?“, rief Julie aus dem Nebenraum und ich war fast froh darüber, dass sie mich aus dieser merkwürdigen Situation erlöste. Zögernd stand mein Bruder auf, zuckte etwas hilflos mit den Schultern und verschwand hinter der Tür.

      Nachdem ich eine Weile auf meinem Bett vor mich hingedöst hatte, durchfuhr es mich plötzlich wie ein Stromschlag. Mein Handy! Ich hatte es in meiner Jackentasche, als ich vor zwei Tagen Julies Wohnung betrat! Hatte Ben es entdeckt und mir weggenommen? Hatte Marvin sich gemeldet und wunderte sich jetzt, warum ich ihm nicht antwortete? Hastig stand ich auf und öffnete die Türen des Kleiderschranks. Meine Jacke hing ordentlich auf einem Bügel, doch als ich die Taschen durchsuchte, konnte ich kein Handy entdecken. Mir wurde heiß und kalt. Ben hatte es entdeckt und weggeworfen. Aber warum war er dann gerade so freundlich zu mir gewesen? Er hätte wütend sein müssen, weil ich das Ding vor ihm geheim gehalten hatte. Auf dem Stuhl neben meinem Bett lagen die Kleidungsstücke, die ich am Dienstag getragen hatte – meine Jeans, mein altes T-Shirt, sogar die Unterwäsche (wer zur Hölle hatte mir die denn ausgezogen?). Mit zitternden Händen durchwühlte ich die Sachen – und atmete erleichtert durch. Das Handy steckte in meiner Hosentasche! Vorsichtig tappte ich auf Zehenspitzen zur Zimmertür und legte mein Ohr an das kühle Holz. Auf der anderen Seite war es ruhig, nur das Rauschen der Autos auf der Straße war zu hören. Anscheinend hatten Ben und Julie die Wohnung verlassen. Langsam drückte ich die Klinke nach unten und lugte in den lichtdurchfluteten Wohnraum. Niemand zu sehen. Auf dem Beistelltisch neben meiner Zimmertür lag ein Zettel, daneben standen eine Kanne mit Pfefferminztee, eine Tasse mit Blümchenmuster und ein dazu passendes Schälchen mit Erdbeeren und Sahne. „Liebe Sofia!“, stand auf dem weißen Blatt mit einer schwungvollen Frauenhandschrift geschrieben, „Wir sind kurz etwas zu Essen holen. Sind gleich wieder da! Ben & Julie“. Ich schnappte mir die Erdbeeren und verschwand wieder im Nebenraum. Auf dem Bett wühlte ich das Handy unter dem Kopfkissen hervor und schaltete es an. Kaum war das Logo zu sehen, vibrierte es auch schon. Oh, Gott! „Sie haben sieben neue Nachrichten“, stand auf dem Display. Es musste etwas in Hamburg geschehen sein! Die Nachrichten waren allesamt von Marvin, die erste von gestern Morgen, 8:32 Uhr. „Hi Fia! Wo seid ihr jetzt? Ruf mich bitte an, es gibt wichtige Neuigkeiten!“ Dann, zwei Stunden später: „Sicher bist du nicht allein und kannst nicht antworten. Aber es ist wirklich SEHR WICHTIG! Versuch doch bitte, mich anzurufen!!“ Die dritte SMS war dann schon etwas eindringlicher: „Meine Güte, Sofia! Ich habe Neuigkeiten zu Dr. Potter! Es ist wirklich dringend!!“.

      Ich schüttelte den Kopf. Hatte jetzt auch die Polizei Dr. Potters Leiche im Gartenteich entdeckt? Die Nachrichten Nummer vier und fünf enthielten nur wildes Gefluche und einige Beschimpfungen, allesamt auf Ben bezogen. Doch in SMS Nummer sechs rückte Marvin – mittlerweile um 01.05 Uhr in der Nacht - endlich etwas mit der Sprache raus: „Vielleicht hat Ben, dieser Arsch, dir das Handy schon längst weggenommen und lacht über meine Nachrichten. Aber falls nicht: Das, was im Teich lag, war nicht das, für das wir es gehalten haben, Sofia! Kapiert??“ Nicht das, für das wir es gehalten hatten? Der Tote im Wasser war nicht Dr. Potter? Vor Entsetzen vergaß ich beinahe die letzte Nachricht zu lesen, sondern starrte stattdessen geistesabwesend die kahle Wand an. Doch dann wurde ich von einer zuknallenden Autotür unter meinem Fester wieder zurück in die Gegenwart gerissen. Ben und Julie kamen zurück! Schnell klickte ich die letzte der Mitteilungen an. Sie war von heute Morgen, 7:45 Uhr: „Du hast dich die ganze Nacht nicht gemeldet. Es reicht jetzt. Ich gehe zur Polizei.“ „Nein!“ Vor Entsetzen war ich aufgesprungen und hatte anscheinend sogar laut geschrien. Dann kramte ich in der Nachttischschublade nach meiner Armbanduhr. Da ich so lange geschlafen hatte, hatte ich das Zeitgefühl verloren. War es noch morgens oder schon Nachmittag? Der grau bewölkte Himmel vor meinem Fenster gab mir keine Anhaltspunkte. Schließlich fand ich meine Uhr, versteckt unter diversen holländischen Modezeitschriften. Das Zifferblatt zeigte 11:38 Uhr. Verflucht! Fast vier Stunden nach Marvins letzter Mitteilung. Sicher hatte er bereits die Polizei informiert. Ich musste ihn anrufen. So schnell wie möglich.

      „Wir sind wieder da!“ Julies glockenhelle Stimme trällerte durch die Wohnung. Na super, das war ja ein tolles Timing! Was sollte ich denn jetzt tun? Hastig schlüpfte ich aus meinem Nachthemd und warf mir den weißen Bademantel über, der neben meiner Jacke im Kleiderschrank hing. Dann huschte ich aus dem Zimmer, machte einen Satz ins angrenzende Bad und drehte den Duschhahn voll auf. „Ich wollte mich gerade noch frisch machen!“, rief ich durch die Tür in den Wohnraum und drehte den Schlüssel. „Bitte, bitte nimm ab!“, flehte ich das Handy an, während ich Marvins Nummer wählte, und setzte mich auf den Rand von Julies ausladender Marmor-Badewanne. Dreimal klingelte es, dann meldete sich eine völlig aufgelöste Männerstimme. „Sofia! Ich fass´ es nicht, wo warst du denn?“

      „Ich hatte meinen Akku nicht aufgeladen“, log ich, denn ich wollte Marvin nicht noch mehr beunruhigen.

      „Den Akku nicht aufgeladen! Na das ist typisch“, schnaufte Marvin.

      „Was ist los, Marvin? Ist etwas mit Stella passiert? Warst du bei der Polizei?“, fiel ich ihm ins Wort, denn das war momentan das Einzige, an das ich denken konnte.

      „Nein“, antwortete Marvin zögerlich. Ich seufzte erleichtert, „Stella ist noch nicht aufgewacht, und bei der Polizei war ich auch nicht. Aber ich war wirklich kurz davor, Fia. Du hast keine Ahnung, was hier los ist!“

      „Was ist denn mit Dr. Potter?“ Ich drehte den Wasserhahn etwas herunter, da ich durch das rauschende Wasser Marvins Stimme kaum verstehen konnte.

      „Na, er war´s nicht! Die Leiche im Teich war eine Frau! Sie haben sie vorgestern Abend entdeckt. Den Nachbarskindern flog ein Ball auf Potters Grundstück. Da haben sie die Hand im Wasser gesehen.“

      „Eine Frau?“ Jetzt verstand ich gar nichts mehr. Gut, wir hatten uns die Hand nicht wirklich angesehen. Sie war weiß und aufgedunsen vom Wasser, aber ich konnte mich noch genau daran erinnern, dass sie weder lange noch lackierte Fingernägel gehabt hatte. Na gut, das bedeutete nichts. Auch ich trug meine Nägel kurz und naturbelassen.

      „Ja, aber bis jetzt ist ihre Identität noch nicht geklärt. Die Polizei will in Kürze anhand einer Gesichtsrekonstruktion Phantombilder veröffentlichen. Vielleicht melden sich dann ja Bekannte oder Angehörige.“ Jetzt war es still am anderen Ende der Leitung. Fast kam es mir vor, als hörte ich Marvin leise fluchen. Und auch mir hatte es die Sprache verschlagen. „Sofia“, begann er nach einer ganzen Weile, „Merkst du denn immer noch nicht, dass diese Geschichte uns total über den Kopf wächst? Sei vernünftig und komm nach Hause! Wenn Potter nicht das Opfer, sondern einer der Täter war, dann sucht er auch nach dem Schatz. Vermutlich hat er sich schon damals Kopien von diesem Brief gemacht. Und er kennt dich. Ihr seid in Lebensgefahr, wenn ihr auf die Seychellen fliegt.“

      „Wir waren auch schon vorher in Lebensgefahr“, erwiderte ich