[3]Da nun die Seele ein so wertvolles, ein göttliches Ding ist, so halte dich durch solche Begründung nunmehr überzeugt daß du mit einem solchen Mittel zu Gott hingelangen kannst und steige gerüstet zu ihm hinauf: gewißlich wirst du ihn nicht ferne antreffen, der Zwischenstufen sind nicht viele. Stelle dir also den ihr nach oben benachbarten Bereich vor, welcher noch göttlicher als sie, die göttliche, ist, nach dem und von dem die Seele kommt; denn obgleich sie ein Ding von der Art ist wie unsere Darlegung gezeigt hat, ist sie doch ein Abbild des Geistes; so wie der ausgesprochene Gedanke (Wort) ein Abbild des Gedankens (Wort) in der Seele ist, so ist die Seele selbst der ausgesprochene Gedanke des Geistes, die ganze Wirkungs- und Lebenskraft, die er ausströmt, um ein anderes zur Existenz zu bringen; so wie beim Feuer zu scheiden ist die ihm innewohnende und die von ihm gespendete Wärme – nur daß man beim Geist die Wirkungskraft nicht als Ausfließendes denken muß, sondern die Wirkungskraft beharrt in ihm, während die äußere als eine gesonderte in die Existenz tritt. Da also die Seele vom Geist stammt, ist sie nur geisthaft, ihr Geist bewegt sich in Überlegungen, ihre Vollendung erhält sie erst wieder vom Geist, der gleichsam wie ein Vater den Sohn aufzieht, den er als ein im Verhältnis zu ihm noch Unvollkommenes erzeugt hatte. So kommt also der Seele die Existenz vom Geist; es besteht aber auch die Verwirklichung ihres Begriffs darin daß sie den Geist schaut. Denn wenn sie hineinblickt in den Geist, so hat sie das was sie denkend verwirklicht, in sich selbst als ihr Zugehöriges, und das allein darf man tätige Verwirklichung der Seele nennen, was sie geistgemäß und als ihr zugehörig verwirklicht, während das Niedere ihr von anderwärts kommt und ein Leiden einer entsprechend niedrigen Seele ist.
So erhöht also der Geist die Göttlichkeit der Seele noch weit mehr, indem er ihr Vater ist und indem er bei ihr gegenwärtig ist; denn es ist nichts zwischen ihnen als die Andersheit, diese jedoch besteht nur in dem Sinne daß die Seele die nächste Stufe und der aufnehmende Stoff ist, der Geist aber die Form; und selbst diese Materie des Geistes ist noch schön, da sie geisthaft und einfach ist.
Von wie edler Beschaffenheit aber der Geist ist, das wird schon eben daraus deutlich, daß er höher steht als die Seele, [4]die etwas so Herrliches ist; man mag es aber auch aus folgendem ersehen. Wenn einer unsere sichtbare Welt bewundert in Anbetracht ihrer Größe und Schönheit und der Ordnung ihres ewigen Umschwunges, und die Götter, die in ihr sind, die einen sichtbar andere auch unsichtbar, und die Dämonen und alle Tiere und Pflanzen, so schreite er empor zu ihrem Urbilde, ihrem wahrhafteren Sein, und sehe wie auch dort oben dies alles vorhanden ist, als geistige Wesen, die aus sich selbst ewig beharren in dem Bewußtsein und dem Leben die ihnen angestammt sind, und als ihr Schutzherr der ‘unvermischte’ Geist, die unermeßliche Weisheit und das Leben dort oben recht eigentlich ein Leben unter Sat-ur-nus als einem Gotte welcher Sattheit und Nus (Geist) ist; er umfaßt in sich alles Unsterbliche, den ganzen Geist, die ganze Gottheit, die ganze Seele; und zwar als ewig Ruhendes, denn wozu soll er Veränderung suchen da es mit ihm gut bestellt ist, und wem sollte er nachgehen da er in sich selbst alles besitzt? Auch Zuwachs kann er nicht wünschen da er völlig vollendet ist; weshalb auch alles was bei ihm ist, vollendet ist, damit er durchaus vollkommen sei und nichts in sich trage, was es nicht sei; und da er nichts in sich hat was er nicht denkt (?), so ist sein Denken kein Suchen sondern ein Haben. Seine Seligkeit ist nicht hinzuerworben, sondern er ist in Ewigkeit alles, ist die wahrhaftige Ewigkeit. Von ihr ist die Zeit, welche die Seele umkreist, nur ein Abbild, welche das eine vorübergehen und das andere auf sich zukommen läßt; denn anderes und wieder anderes ist es was in der Seele ist, bald ein Sokrates, bald ein Pferd, immer ein bestimmtes Ding unter den seienden. Der Geist dagegen ist alles; so hat er alles als auf derselben Stelle ruhendes; er ist nur, immer gilt von ihm das ‘ist’, niemals das ‘wird sein’, denn auch in der Zukunft ‘ist’ er, noch das ‘vergangen’, denn nichts geht in der oberen Welt vorbei, sondern alles steht immerdar in Ewigkeit, da es immer dasselbe bleibt gleichsam zufrieden mit seinem Zustand. Von alledem ist jedes Einzelne Geist und Seiendes, und das Gesamte ist Gesamtgeist und Gesamtseiendes, wobei der Geist im Denken das Seiende existent macht und das Seiende, indem es gedacht wird, dem Geist sein Denken und sein Sein gibt.
Ursache aber des Denkens ist etwas anderes, was zugleich Ursache des Seienden ist; für beide zugleich also ist noch etwas anderes als Ursache vorhanden. Sie existieren nämlich gewiß gemeinsam und verlassen einander nicht, aber doch besteht dieses Eine, das zugleich Geist und Seiendes, Denkendes und Gedachtes ist, aus zweien, dem Geist als dem Denken, dem Seienden als dem Gedachten; denn es könnte gar kein Denken statthaben wenn nicht Andersheit da wäre wie auch Selbigkeit. So ergeben sich als erste Prinzipien GEIST, SEIENDES, ANDERSHEIT, SELBIGKEIT; dazu muß man auch noch BEWEGUNG und RUHE nehmen; Bewegung sofern der Geist denkt, Ruhe um der Selbigkeit willen; Andersheit, damit es Denkendes und Gedachtes geben kann (denn sonst wenn man die Andersheit ausscheidet, dann wird es Eines sein und nur schweigen; ferner müssen auch die Gegenstände des Denkens Andersheit zueinander haben); und Selbigkeit, da es mit sich selbst eines ist; aber es ist auch in ihnen allen ein Gemeinsames, so gut in ihnen, sofern sie verschieden sind, Andersheit ist. Die Mehrheit der Prinzipien, die sich so ergibt, konstituiert ZAHL und WIEVIEL, ferner die Eigentümlichkeit jedes einzelnen von ihnen WIEBESCHAFFENHEIT; und aus ihnen allen geht als aus Prinzipien das übrige hervor.
[5]Eine Vielheit also ist dieser Gott (der Geist), der über der Seele ist. Ihr aber wird zuteil im Bereich dieser Dinge zu weilen wenn sie sich daran heftet und es durchsetzt sich nicht davon zu trennen; ist sie ihm nun nahe gekommen und gleichsam eines mit ihm geworden, so forscht sie wer es denn ist der ihn erzeugt hat, der Einfache, der vor einer solchen Vielheit liegt, der die Ursache seines Seins und seines Vielseins ist, der die Zahl hervorbringt. Denn die Zahl ist nicht das Erste, liegt doch vor der Zweiheit das Eine, die Zweiheit ist erst das Zweite, sie kommt von dem Einen her, dieses ist erst ihr Bestimmendes während sie selbst von sich aus ‘unbestimmt’ ist; und erst wenn sie bestimmt wird, ist sie Zahl. Zahl aber ist gleichsam Substanz, und Zahl ist auch die Seele; denn nicht Massen sind das Erste oder Größen; die massigen Dinge hier, die die Wahrnehmung für seiende hält, sind später; so ist auch in dem Samen nicht die Flüssigkeit das Wertvolle, sondern das was man nicht sieht, und das ist Zahl und Begriff. Die Zahl also von der man in der geistigen Welt spricht, und die Zweiheit sind Formbegriffe und sind Geist; indes ist die Zweiheit unbestimmt da sie gleichsam als zugrundeliegender Stoff begriffen wird, die Zahl aber, die aus ihr und dem Einen entsteht, ist Form, indem jedes einzelne (der geistigen Prinzipien) gleichsam von den in es eintretenden Gestalten geformt wird; dabei wird es auf eine Weise durch Einwirkung des Einen, auf die andere aber durch eigenes Tun geformt so wie das Sehen in seinem Vollzuge; denn das Denken des Geistes ist ein Sehen welches blickt; und beide sind eins.
[6]Wie sieht der Geist nun und wen, und wie ist er überhaupt zur Existenz gekommen und aus Jenem geworden, daß er überhaupt sehen kann? Von der Notwendigkeit, daß die genannten Prinzipien des Geistes existieren müssen, ist unsere Seele nunmehr durchdrungen, sie verlangt aber noch nach Klärung jener ja schon von den Denkern der alten Zeit vielbesprochenen Frage, wie aus dem Einen, als einem so beschaffenen wie wirs ihm zuschreiben, zur Existenz kommen konnte irgendetwas wie Vielheit oder Zweiheit oder Zahl, wieso es nicht bei sich selbst verharrte, sondern diese ausgebreitete Vielheit aus ihm geflossen ist, die wir in der Wirklichkeit antreffen, von der wir aber fordern daß sie auf das Eine zurückgeführt werden muß. So sei denn das Folgende gesagt – zuvor aber Gott selbst angerufen nicht mit dem Schall von Worten, sondern indem wir uns mit der Seele zum Gebet nach Ihm strecken, denn auf diese Weise können wir für uns allein zu ihm allein beten – der Schauende möge seinen Blick, während Gott selbst nur bei sich ist gleichsam im inneren Heiligtum und geruhig beharrt jenseits über allen Dingen, auf die Götterbilder richten die gleichsam im äußeren Bezirk des Tempels stehen – oder vielmehr auf das erste Götterbild welches da in die Erscheinung tritt und auf die folgende Weise erscheint.
Alles was sich bewegt,