Schriften in deutscher Übersetzung. Plotin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Plotin
Издательство: Bookwire
Серия: Philosophische Bibliothek
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783787339341
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all dies immer hat und mit ihm in eins ist, beide eine Einheit sind und jenes zugrunde liegende also nicht Materie, so könnte dann auch hienieden keine Materie der Körper existieren, denn auch sie ist niemals ohne Gestalt, sondern immer ist es ein Gesamtwesen, trotzdem aber zusammengesetzt, der Geist erst findet diese Zweiheit auf; er zerlegt, bis er zu einem Einfachen gelangt das seinerseits nicht mehr weiter auflösbar ist; soweit er aber vermag, dringt er in die Tiefe des Körpers vor. Die Tiefe aber jeden Dinges ist seine Materie, weshalb sie denn auch gänzlich dunkel ist, weil das Licht Form und Geist ist. Daher die Vernunft, wenn sie die Form an dem Einzelding sieht, das was tiefer liegt, für dunkel hält, weil es unter dem Licht ist; so wie das Auge, das lichthaft ist, wenn es zum Licht hinblickt und zu den Farben, die Licht sind, das was unter den Farben ist als dunkel und stofflich anspricht, da es von den Farben überdeckt ist. Jedoch ist das Dunkle verschieden in der geistigen und der sinnlichen Welt, und verschieden ist auch die Materie so gut wie auch die Gestalt die über beide Materien gelagert ist, verschieden ist. Denn wenn die göttliche Materie das sie Bestimmende in sich aufnimmt, dann hat sie selbst bestimmtes, geisthaftes Leben, die irdische aber wird zwar zu einem Bestimmten, ist aber nicht selbst lebendig und geistig, sondern nur ein geformtes Totes. Ferner ist auch die irdische Form nur ein Schattenbild; also ist auch das irdische Substrat Schattenbild. Dort oben aber ist die Gestalt wahrhaftig, also auch das Substrat. So müßte man denn, wenn die Lehre, die Materie sei Substanz, sich auf die intellegible Materie bezöge, sie für richtig halten; denn das intellegible Substrat ist Substanz, oder richtiger, mit seiner Form zusammengedacht und als Ganzes ist es durchlichtete Substanz.

      Ob aber die intellegible Materie ewig ist, diese Frage ist in derselben Weise zu stellen wie man sie auch bei den Ideen stellen könnte: beide sind entstanden sofern sie einen Ursprung haben, unentstanden sofern ihr Ursprung nicht in der Zeit liegt, sondern sie ewig von ihm bedingt sind, nicht als immer werdende wie unsere Welt, sondern als immer seiende wie die obere Welt. Denn die intellegible ANDERSHEIT welche die Materie hervorbringt, ist ewig, denn sie ist der Ursprung der Materie, sie und die erste BEWEGUNG; daher man auch die Bewegung ‘Andersheit’ genannt hat, weil Andersheit und Bewegung gleichzeitig erwuchsen. Die Bewegung nun und die Andersheit die aus dem Ersten kommen, sind unbestimmt und bedürfen seiner um zur Bestimmtheit zu gelangen; sie werden bestimmt wenn sie sich zu Jenem umwenden; davor war die Materie unbestimmt, sie war das ‘Andere’ und noch nicht gut sondern undurchlichtet von jenem. Wenn nämlich von jenem das Licht kommt, hat dasjenige was das Licht aufnimmt vor der Aufnahme ewig kein Licht; es muß das Licht als etwas von sich Verschiedenes haben, wenn anders es von einem andern stammt.

      [6]Damit ist schon mehr als angemessen über die intellegible Materie aufgewiesen. Über die Materie aber die der Aufnahmeort der Körper ist, sei folgendes gesagt. Daß es etwas geben muß das den Körpern zugrundeliegt als ein von ihnen Verschiedenes, das beweist einmal die Verwandlung der Elemente ineinander. Denn das sich Ändernde geht nicht völlig zugrunde, sonst würde es ja ein Sein geben das ins Nichtseiende verschwände; anderseits kann das Werdende nicht aus dem schlechthin Nichtseienden ins Sein kommen; sondern es handelt sich um einen Wandel aus einer Gestalt in die andere; dabei bleibt dasjenige, welches die Gestalt des Werdenden aufnimmt und die des Vergehenden verliert. Ferner beweist dasselbe auch der Vorgang des Zugrundegehens überhaupt; denn er ist nur an einem Zusammengesetzten möglich; ist das Einzelding aber zusammengesetzt, so besteht es aus Materie und Form; das bezeugt auch die Induktion, die zeigt, daß das, was zugrunde geht, zusammengesetzt ist. Drittens beweist aber auch die Auflösung die Notwendigkeit der Materie: z. B. wenn die goldene Schale sich auflöst indem sie sich in einen Goldklumpen verwandelt, und das Gold in Wasser, dann wird für das Wasser ein Entsprechendes erfordert in das es sich verwandelt. Die Elemente ferner sind notwendig entweder Gestalt oder Erste Materie oder aus Gestalt und Materie. Nun können sie nicht bloße Gestalt sein; denn wie könnten sie ohne Materie im Zustand der Masse, der quantitativen Größe sein? Aber auch nicht Erste Materie; denn sie gehen ja zugrunde. Folglich sind sie aus Gestalt und Materie zusammengesetzt. Und zwar steht die Gestalt auf der Seite von Qualität und Form, die Materie auf der Seite des darunterliegenden Unbestimmten, da sie beileibe nicht Gestalt ist.

      [7]Wenn Empedokles die Elemente zur Materie rechnet, so wird das durch ihr Zugrundegehen widerlegt. Und wenn Anaxagoras die ‘Mischung’ zur Materie macht, und diese nicht für alles aufnahmefähig sein, sondern alles schon aktual in sich enthalten läßt, so macht er den Geist, den er einführt, selbst zunicht, da er nicht ihn die Form und die Gestalt hervorbringen läßt, und ihn nicht vor die Materie sondern gleichzeitig setzt. Diese Gleichzeitigkeit ist aber unmöglich. Denn wenn die Mischung am Sein nur Teil hat, so ist das Seiende vorher; ist aber die Mischung selber und auch das Sein seiend, so ergibt sich notwendig über beiden ein Drittes. Muß also notwendig der Schöpfer vorher sein, wozu brauchten dann die Formen schon in kleinen Stücken in der Materie zu sein und der Geist sie mit endloser Mühe erst von der Materie zu scheiden, wo es doch freistand, wenn die Materie qualitätslos war, die Qualität und die Gestalt ganz über sie zu breiten? Daß ferner alles in allem sei, ist eindeutig unmöglich. Wer ferner die Materie als das Unendliche ansieht, der soll sagen was das eigentlich ist. Meint er unendlich ‘so daß man nicht bis zum Ende gelangen kann’, so ist klar, daß es ein derartiges Ding in der Wirklichkeit nicht gibt, weder ein ‘Unendliches an sich’ noch an einem andern Wesen, als Accidens irgendeines Körpers; das ‘Unendliche an sich’ nicht, weil dann auch sein Teil notwendig unendlich wäre; das Unendliche als Accidens nicht, weil dasjenige an dem es als Accidens ist, dann nicht an sich unendlich wäre, also nicht einfach, also auch keine Materie mehr. Aber auch die Atome können nicht den Rang der Materie einnehmen, schon weil es sie überhaupt nicht gibt, denn jeder Körper ist ins immer weiter teilbar. Ferner die Kontinuität der Körper und ihr flüssiger Zustand und der Umstand daß die Einzeldinge unmöglich ohne Geist und Seele zu Stande kommen können, welche ihrerseits unmöglich aus den Atomen stammt; ferner ist es unmöglich eine andre Wesenheit außer Atomen aus den Atomen zu schaffen; denn auch kein Schöpfer kann etwas schaffen aus einem nicht kontinuierlichen Stoffe. Diese und zahllose andere Argumente könnte man gegen die Atom-Hypothese geltend machen und hat man gegen sie geltend gemacht; deshalb ist es an dieser Stelle überflüssig länger dabei zu verweilen.

      [8]Welcher Art ist denn nun diese Materie, die als eine und kontinuierlich und qualitätlos bezeichnet wird? Daß sie, wenn anders qualitätlos, nicht Körper sein kann, ist klar; als Körper müßte sie ja qualitätsbestimmt sein. Wenn wir sie als Materie von allen Sinnendingen bezeichnen, nicht etwa nur von einigen Materie und andern gegenüber etwa Form, so nennen wir z. B. den Ton Materie für den Töpfer, nicht aber Materie schlechthin – so also nicht, sondern als Materie allen Dingen gegenüber, dann dürfen wir ihrem Wesen nichts von alledem zuschreiben was wir an den Sinnendingen beobachten. Dann aber, außer den andern Qualitäten wie Farben, Kälte oder Wärme, auch keine Leichte oder Schwere, keine Dichte oder Dünne, ja auch keine Gestalt. Mithin also auch keine Größe; denn es ist ein anderes, im Zustand von Größe zu sein, ein anderes Großheit zu sein, und ebenso ein anderes gestaltet zu sein, ein anderes Gestalt zu sein. Die Materie darf auch nicht zusammengesetzt sein, sondern einfach und ihrem Wesen nach Einheit; nur so ist sie bar aller Bestimmtheiten. Derjenige der ihr eine Gestalt gibt, gibt diese ihr als etwas anderes und fremdes, und ebenso Größe und alle andern Bestimmtheiten, er fügt sie ihr aus den vorhandenen Wirklichkeiten gleichsam hinzu; sonst müßte er gebunden sein an Größe und nicht etwas von derjenigen Größe schaffen die er will, sondern wie die Materie mag; daß aber sein Wille immer gerade der Größe der Materie entspreche, ist eine bloße Fiktion. Da das schaffende Wesen früher ist als die Materie, ist notwendig die Materie in jeder Beziehung derart, wie der Schöpfer es will, und ist schmiegsam zu allem, folglich auch zur Größe. Hätte sie ferner schon Größe, so müßte sie auch Gestalt haben; dann wäre sie erst recht ein spröder Werkstoff. Erst die Gestalt also, welche in die Materie eintritt, bringt ihr alle Bestimmtheiten; die Gestalt enthält alles, die Größe und was sonst im Formbegriff liegt und unter ihn fällt. So ist denn auch bei den Gattungen jedesmal mit der Gestalt auch das Wieviel bestimmt; die Größe des Menschen, die Größe des Vogels, die Größe einer bestimmten Vogelart sind ja voneinander verschieden. Übrigens ist es gar nicht befremdlicher daß der Materie das Wieviel als ein anderes hinzugefügt wird, als daß man ihr Wiebeschaffen erst einen fremden Zusatz sein läßt; denn so gut wie das Wiebeschaffen ist auch das Wieviel Formbegriff, da es Gestalt und Maß und Zahl ist.

      [9]Wie