Al Capone Staffel 1 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863775209
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durch alle Nähte sickernden Fadenregen und…, alles andere.

      Hol’s der Teufel, dachte Eliot, ich bin fahnenflüchtig geworden. Draußen stehen meine Boys, starren sich die Augen im Nebel aus und vermuten mich im Park, und kein Mensch ahnt, daß mich dieser verdrehte Farbenkleckser hier aus der Stadt entführt hat, um mich auf eine feuchtfröhliche Party zu schleppen.

      Die neuesten Schlager wurden per Tonband vorgeführt, und als das der Mehrzahl nicht mehr gefiel, kam eine uralte Platte von Harry Belafonte dran. Schließlich schmetterte der anscheinend unsterbliche Mario Lanza »Himmel und Meer« in die andächtig lauschende Runde. Es war eine Mixtur à la Lubber.

      Kaum war das Lied verklungen, da legte der Maler eine flotte Tanzplatte auf, nach der sich sofort zwei Paare drehten.

      Das Girl in der gelben Hose kam auf den Inspektor zu, machte eine spielerische Verbeugung und meinte:

      »Eigentlich müßte es ja umgekehrt sein, aber da ich eine Schwäche für Hemingways aller Sorten habe, möchte ich Sie hiermit bitten…«

      Ich bin bestimmt nicht mehr zu retten, ging es dem Inspektor durch den Kopf. Drehe mich hier mit einem vollbusigen Girl auf dem abgetretenen Bodenbelag eines verrückten Malers am Renwick Lake und werde doch das Gefühl nicht los, daß sich heute – ausgerechnet heute abend – etwas tut.

      Aber das süßbeschwipste Girl mit dem Bubikopf machte ihm den Vorsatz, sich so rasch wie möglich zu drücken, verdammt schwer.

      Als er nämlich schon im Korridor war, um den Hausherrn, der

      sich seit einiger Zeit unsichtbar

      gemacht hatte, zu suchen, kam sie ihm nach und fiel ihm direkt um den Hals.

      Süßes Fleisch aus Chicagos Randgebieten, würde der spöttische Cassedy das kommentiert haben; aber glücklicherweise war der Dicke weit weg.

      Himmel, Cassedy! Der stand sich jetzt draußen im Nebel die Füße in den Leib – und das mit seiner Erkältung!

      »Flüchten Sie?« fragte das Mädchen, das ihm ungeniert noch einen Kuß aufgedrückt hatte. »Wo treffe ich Sie wieder, Hemingway?«

      »Ja, das ist so eine Sache, Miß Cory. Ich wohne ja nicht hier, und es ist ziemlich weit hier raus…«

      »Aber Harry hat mir doch erzählt, daß Sie bald hierherziehen werden.«

      »Das ist noch ungwiß, aber…« Er hatte in die Tasche gegriffen, um mechanisch nach einer Visitenkarte zu greifen, überlegte es sich dann aber anders und meinte: »Ich werde Ihnen die Adresse aufschreiben.«

      Er nahm die Notizen, die er vorhin bekommen hatte und die in seiner linken Jackentasche steckten, heraus und suchte einen freien Zettel.

      Da war ein gelber Umschlag, vielleicht konnte er darauf… Gelb?! Das bedeutete Laborbericht.

      Er griff rasch hinein und nahm den kleinen roten Zettel heraus, auf dem in vielen Abkürzungen der eingehende Bericht über die Untersuchung des von ihm hier entwendeten Handschuhs zu lesen war. Rasch überflog er die Zeilen und wollte sie eben wieder ins Kuvert stecken, als er ganz unten in der vorletzten Zeile zwei Worte las, die ihm die Kopfhaut regelrecht zusammenzogen.

      … wurde eine winzige Spur der gleichen kobaltblauen Farbe gefunden, die auch in dem ersten untersuchten Handschuh zu finden war…

      Der Inspektor hatte das Gefühl, daß er von einem Faustschlag getroffen worden war. Ganz langsam, ohne Hast schob er die Papiere in die Tasche und blickte an der Frau vorbei zur Küchentür.

      »Wo ist eigentlich unser Gastgeber?«

      »Sie sollten jetzt nicht unseren Gastgeber suchen, sondern mir meine Frage beantworten.«

      »Gleich, Cory. Ich brauche ein Stück Papier dazu.«

      Damit ging er auf die Küchentür zu und klopfte an. Als er keine Antwort erhielt, öffnete er.

      Hinten am Tisch saß das Mädchen, das gestern den Teller zerschlagen hatte, und blickte ihn aus tränennassen Augen an.

      »Was ist denn passiert?« hörte er Cory hinter sich rufen.

      »Nichts«, sagte das Mädchen.

      Ness wandte sich um, blickte durch den kleinen Flur zur offenen Wohnzimmertür hinüber, wo sich ein halbes Dutzend Leute, die er nicht kannte, und die ihn wahrscheinlich nichts angingen, geräuschvoll unter starker Musikberieselung unterhielten.

      Wo war Harry Lubber?

      »Was ist denn passiert?« hörte Eliot die flotte Cory noch einmal das Mädchen in der Küche fragen.

      »Nichts Besonderes. Er ist nur weggegangen.«

      »Was, Harry? Wohin denn?«

      »Ich weiß es nicht, er hat seinen Hut und seinen Mantel mitgenommen.«

      »Aber das ist doch nicht Ihr Ernst!«

      »Doch.«

      »Vielleicht holt er noch Zigaretten.«

      »Da stehen Zigaretten, vier Stangen.«

      »Oder vielleicht fehlt sonst irgend etwas.«

      »Es fehlt nichts, er hat ja alles aus der Stadt geholt.«

      Da wandte sich Eliot um und griff nach seinem Hut. In dem Augenblick, in dem er seinen Mantel von der Garderobe nehmen wollte, hörte er die Haustür gehen.

      Im schwachen Schein der kleinen Türlampe erkannte er die Konturen des Malers.

      »Nanu, Sie wollen schon weg?«

      Eliot blickte ihn ruhig an. »Ich hab’ noch einen Besuch zu machen.«

      »Bei wem?«

      Da nahm der Inspektor den Mantel über den Arm und hatte den Revolver darunter schußbereit in der Faust.

      »Sagen sie, Harry, wie geht’s eigentlich Ihrem Freund Sillot?«

      Der Mann in der Tür rührte sich nicht. Er hatte die Linke in die Hüfte gestemmt, den rechten Fuß etwas vorgesetzt, und seine rechte Hand schien in einer Manteltasche zu stecken.

      Erst nach einer Ewigkeit kam seine Antwort.

      »Sillot? Was ist mit ihm?«

      »Das wollte ich ja gerade von Ihnen wissen.«

      Niemand achtete auf die beiden Männer, die da in einer Distanz von fünf Schritt einander gegenüberstanden. Der eine in der offenen Tür, der andere neben der Garderobe.

      Cory hätte darauf achten können, die kleine vollbusige Cory Gardener, aber sie war schon leicht beschwipst und hatte sich über ihren »Hemingway« geärgert, der ihre Frage nicht beantwortet hatte.

      Drinnen im Wohnzimmer jaulte ein Beat, der Jahrzehnte alt zu sein schien und in den Ohren schmerzte. Links von Eliot an der bis zur halben Höhe getäfelten Wand stand eine große Uhr, die jetzt mit blechernem Schlag eine halbe Stunde anzeigte; der Glockenschlag zitterte sekundenlang in der Spirale nach.

      Die Spannung riß dem FBI-man an den Nerven. Er hatte eine lange, harte Schule hinter sich und war bei etlichen Einsätzen dabeigewesen. Aber bis zu dieser Stunde hatte er niemals eine solche Situation erlebt. Dennoch hatte er sie bereits auf die Art angefaßt, die einmal in der Story der Polizei der USA Geschichte machen sollte. Er deutete mit der Rechten auf einen beigefarbenen Sessel mit abgeschabter Sitzfläche und sagte mit seiner ruhigen, monotonen Stimme:

      »Setzen Sie sich bitte, Mr. Lubber.«

      Der verharrte noch immer auf der Stelle und blickte den Inspektor aus ausdruckslosen Augen an. Dann kam plötzlich Leben in seine Gestalt. Er ging vorwärts und ließ sich wie eine Marionette in den Sessel nieder.

      »Was wollen Sie?«

      »Ich habe nach Ihrem Freund Sillot gefragt.«

      Als Lubber keine Antwort gab und ihn wortlos anstarrte, hörte Eliot Ness sich selbst plötzlich mit einer