Al Capone Staffel 1 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863775209
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früher gekommen war!

      Da sank Lubbers Kopf zwei Inches nach unten. Sein Kinn rutschte auf die Brust.

      »Polizei – also«, kam es krächzend durch seine riesigen gelben Zähne.

      »Ja«, entgegnete der Inspektor trocken.

      Ganz langsam, wie ein volltrunkener Greis, nickte der Mann auf dem Sessel, und dann stützte er sich mit beiden Händen auf.

      »Wieviel wissen Sie?«

      »Alles!« Es war nur ein einziges Wort. Ein Bluff!

      Oder schon perfektes Wissen um die wirklichen Zusammenhänge.

      Die nächste Frage, die von den Lippen des FBI-Mannes kommen würde, war entscheidend. Harry Lubber wußte es genau. Deshalb sprach er kein Wort. Aber der Maler vom Renwick Lake hatte sich in dem »Norweger« verrechnet. Die Stille, die zwischen ihnen eintrat, vermochte selbst durch den infernalischen Lärm, der aus der halboffenen Wohnzimmertür in den Flur drang, nicht ausgelöscht zu werden.

      Da stieß sich Cory vom Rahmen der Küchentür ab und kam zwischen den beiden Männern hindurch, blieb neben dem Inspektor stehen und wandte den Kopf.

      »Du willst mir also nicht sagen, wo wir uns wiedertreffen können?«

      »Sie müssen einen Augenblick Geduld haben, Miß Cory«, sagte der Inspektor, »ich werde es Ihnen heute noch sagen.«

      »Daß du mir aber ja nicht verschwindest, Hemingway«, sagte sie und ging mit einem Hüftschwung davon, der selbst die selige Monroe hätte erblassen lassen. Die Wohnzimmertür fiel hinter ihr ins Schloß.

      Es wäre jetzt im Flur dunkel gewesen, wenn nicht aus der halboffenen Küchentür noch Licht gefallen wäre, das den Inspektor voll traf. Der Mann vor ihm im Sessel aber saß im Dunkel.

      Plötzlich stand Lubber auf. Er schob sich mit der Rechten den Hut vom Kopf, kratzte sich in seinem schütteren Haar und schüttelte den Kopf.

      »Ich begreife es nicht.«

      Ness schwieg.

      Da wandte der Maler dem Inspektor das Gesicht zu. Es war mit einer Schweißperlenschicht bedeckt, die an Ornamentglas erinnerte.

      »So sagen Sie doch endlich etwas!« stieß er mit bebender Stimme hervor.

      Wie aus Stein gehauen war das Gesicht des Polizeioffiziers. Reglos stand er da und hatte seinen Blick in die flackernden Augen Lubbers gesenkt.

      Der vermochte dem Blick nicht standzuhalten und sagte auf einmal mit einer Stimme, die unendlich mutlos klang:

      »Er war jahrelang mit mir befreundet…«

      »Sillot?«

      »Ja.«

      »Und Snyder?«

      Wie ein Rülpser kam das Lachen aus Lubbers Kehle.

      »Snyder? Er ist mein Halbbruder.«

      »Was sagen Sie dazu, Lubber, daß Ihr Freund Sillot einen Menschen niedergeschossen hat?« fragte Ness rasch.

      »Was soll ich dazu sagen? Es war

      Idiotie, nichts weiter. Das sind die Halbwilden unten aus den Hafenecken. Ich habe ihm immer gesagt, daß er sich von ihnen trennen muß.«

      »Das haben Sie ihm gesagt?«

      Lubber hob den Kopf. Er versuchte, in den Augen des Inspektors zu lesen.

      Da schnappte plötzlich die rechte Hand des FBI-Mannes vor und spannte sich in das weiße Hemd, das Lubber für die Party angezogen hatte und dessen Kragenspitzen schon ausgefranst waren. »Das haben Sie ihm gesagt, Lubber?«

      Der Kiefer des Angegriffenen zitterte auf und ab, und dennoch kam kein Ton über seine wabbelnden Lippen.

      »Harry Simon Lubber, ich klage Sie des zweifachen Mordes an!«

      Das Zittern des Unterkiefers in Lubbers Gesicht hörte auf. Mit einem harten Ruck hatte er ihn nach oben geschlagen. Seine Zähne knirschten, und plötzlich suchte er mit einem Handkantenschlag die Faust des Inspektors von seiner Brust zu bringen.

      Der aber war dem Schlag zuvorgekommen, indem er den Kopf nach vorn gestoßen hatte und Lubbers Kinn traf.

      Halb groggy schwankte der Getroffene auf die Küchentür zu. Mit entgeistertem Gesicht war das Mädchen von nebenan, »das so zu allerlei hier benutzt wurde«, hochgefahren, hatte ein Geschirrstück in der Hand und den Mund offenstehen.

      Da drang aus dem Korridor die rostige Stimme des FBI-Mannes an ihr Ohr:

      »Ich klage Sie des Mordes an Ireen Moreland und Gardy Belem an!«

      Auf den schwarzweißen Fliesen des Küchenbodens zerschellte eine kleine chinesische Tasse.

      Aber dieser winzige Nadelstich vermochte nicht mehr, die erloschenen Nervenbahnen von Harry Lubber zu erreichen. Wie ohnmächtig hing er an der eisernen Faust des FBI-Mannes. Ein lebendes Wrack, ein zusammengebrochener Mensch. Wie eine Puppe schüttelte er nur noch den Kopf.

      »Kommen Sie, Lubber.«

      Eliot Ness schob ihn jetzt vor sich her, öffnete die Wohnzimmertür und achtete nicht auf die verdutzten Gesichter der Gäste des Malers, sondern ging zum Fenster und ließ Lubber erst da los. Dann nahm er den Kaffewärmer vom Telefon und hob den Hörer ab.

      »Bitte, drei-sieben-dreizehn-sechs-undvierzig-fünf. – Ruth? Hier ist Ness. Geben Sie bitte an Mr. Cassedy durch, daß ich den Nebelmörder gefunden habe. Es ist ein Mann namens Harry S. Lubber, er wohnt draußen am Renwick Lake, North Road sieben.«

      Die sechs Menschen im Zimmer hatten sich von ihren Sitzen erhoben und starrten den FBI-Mann aus glasigen Augen an. Immer noch jaulte drüben der uralte Beat.

      »Ja, und benachrichtigen Sie Stufe zwei, sieben und neun. Danke. Ende.«

      Niemand im Raum rührte sich. Die Platte heulte immer noch.

      Es war Cory, die sich schließlich in Bewegung setzte. Ohne Hüftausschlag kam sie langsam näher, blieb vor dem Schreibtisch stehen und sagte mit belegter Stimme:

      »Ich verstehe nicht. Was war das? Sie sind von der Polizei? Und… den Nebelmörder…, das heißt doch nicht etwa, daß Harry… Harry…?« Voller Entsetzen blickte sie den zusammengesunkenen Mann in der Fensternische an, schlug dann die Hände vors Gesicht und rannte schreiend zur Tür.

      »Bitte, bleiben Sie hier!« forderte der Inspektor sie mit kühler Stimme auf. »In wenigen Minuten muß die Polizei kommen, und dann wäre es vielleicht nicht angenehm für Sie, wenn Sie draußen im Nebel aufgehalten würden.«

      Da endlich brach die Musik ab.

      Bleierne Stille lastete im Raum. In Augenhöhe schwebte eine milchige Tabakwolke. Erst nach und nach kam den sechs Menschen, die da vor ihren Plätzen standen und zur Fensternische hinüberstarrten, zu Bewußtsein, was geschehen war.

      Cory schüttelte den Kopf. In ihren Augen war ein trüber Glanz, als sie jetzt mit leiser Stimme sagte:

      »Das kann nicht wahr sein. Alles nicht. Wir… sind doch nicht alle miteinander verrückt. Harry… Harry Lubber…, er soll ein Mörder sein? Ein Irrsinn! Er hat mich dutzende Male hier am See entlang in der Nacht nach Hause gebracht, ohne mich auch nur anzurüh…« Sie brach ab und senkte den Kopf.

      Stille.

      Nur zwei Drinks hatte der FBI-Mann zu sich genommen. Und dennoch konnte er nicht im Vollbesitz seiner sonst so wachen Reaktionen gewesen sein. Denn offenbar hatte er nicht an alles gedacht. Plötzlich wurde dicht hinter ihm ein Fenster zerschlagen. Scherben splitterten über seinen abgeduckten Körper hinweg. Und dann war die schrille Stimme der blassen hochaufgeschossenen Peggy von nebenan, die von Lubber fürs »Geschirrspülen und dergleichen« gebraucht wurde, an seinem Ohr.

      »Nehmen Sie die Hände hoch, Ness, und stehen Sie ganz langsam auf! Wenn Sie eine Bewegung machen, die mir nicht gefällt, schieße ich Sie nieder!«