Al Capone Staffel 1 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863775209
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war immer noch unbeweglich vor ihm. Plötzlich flog seine Oberlippe hoch, und zwar links schräg nach oben. Die gelblichen Schneidezähne kamen zum Vorschein.

      »Sehr gut können Sie hier arbeiten, Mister«, erklärte er theatralisch. »Ich sage Ihnen, hier werden Sie ein Werk schaffen!« Seine Augen weiteten sich, und ein irisierendes Licht glomm in ihnen. »Sie werden hier etwas schaffen, das von einmaliger Bedeutung für Ihr Leben sein wird. Denn alles, was der Mensch braucht, ist Intuition, Eingebung, verstehen Sie, Eingebung, nichts weiter. Und dazu ist Stille notwendig, Stille, Phantasie, und sagen wir, ein guter Tee, hehehe!«

      Der Kerl ist verrückt, zuckte es durch das Hirn des Inspektors. Er nickte freundlich, trat zwei Schritte zurück, um dem kalten Pfeifendunst zu entgehen, der ihm aus dem Mund des Malers entgegendrang.

      Der aber setzte sofort nach und verzog sein Gesicht so plötzlich zu einer so faunischen Grimasse, daß Ness tatsächlich erschrak.

      »Phantasie, das ist alles! Sie haben doch Phantasie?« Ganz leise war seine Stimme jetzt geworden. Er hob den Kopf noch etwas an, zog die Brauen bis in die Stirnmitte, und die scharfe Falte dazwischen schien urplötzlich verschwunden zu sein. Dafür zogen sich von den Augenwinkeln die Sternfalten der Krähenfüße bis in die grauen Schläfenhaare hinein. Zu anderer Zeit wäre es aus einem gewissen Abstand vielleicht interessant gewesen, dieses so unglaublich wandelbare Gesicht zu beobachten. Ein menschliches Chamäleon!

      Der Inspektor hatte sich nickend abgewandt und hielt auf die Tür zu. Als er den Schreibtisch passierte und ganz zufällig einen Blick auf den Papierkorb warf, verhielt er unwillkürlich den Schritt, hob aber den Kopf sofort wieder und blickte zu Lubber zurück. Dabei sah er gar nicht das Gesicht des Malers vor sich, sondern einen bläulichen Briefumschlag, auf dessen aufgerissener Rückseite er trotz der Zerknitterung die beiden großen Buchstaben M S hatte erkennen können.

      S wie Sillot? Sollte der Mörder dem Mann hier draußen am See einen Brief geschickt haben?

      Aber was hatte das M zu bedeuten? Es konnte ein Vorname sein, den der Gängster in Freundeskreisen benutzte. Vielleicht ließ er sich Mac oder Mike oder sonstwie nennen. – So etwas war ja nicht außergewöhnlich.

      Ness hatte die Linke auf die Kante des Schreibtisches aufgestützt und tat, als müßte er noch etwas überlegen. Dabei beobachtete er jetzt unter halbgesenkten Lidern das Gesicht des Malers.

      Hatte der etwas von seiner Entdeckung bemerkt? War ihm aufgefallen, daß der Besucher den zerknüllten Brief im Papierkorb gesehen hatte? Habe ich doch vielleicht eine kaum merkliche, ruckhafte Bewegung gemacht? überlegte Ness.

      Lubbers Gesicht war auf einmal wieder völlig distanziert, fast abweisend kühl. Harte Falten zogen sich von den Wangenknochen durch die grauschwarzen Bartstoppeln bis zu den Kinnwinkeln hinunter. Von den mit Mitessern besäten Nasenflügeln zog sich eine Doppelfurche zu den heruntergezogenen Mundwinkeln. Die Oberlippe war viel zu kurz und die Unterlippe übergroß ausgeprägt. Die Augen waren jetzt völlig ausdruckslos und leer.

      Lubber legte den Kopf auf die rechte Schulter, stützte die Linke mit einer Geste, die typisch für ihn war, in die Hüfte und schien abzuwarten.

      »Ja, es ist da noch etwas«, meinte der Inspektor. »Wenn Sie wirklich ihr Haus vermieten würden, für welche Zeit könnte ich dann damit rechnen?«

      Nichts mehr von der Intensität und aufdringlichen Freundlichkeit, die der Maler in der letzten Viertelstunde gezeigt hatte! Das Lachen schien ihm aus den Mundwinkeln gerutscht zu sein, und das irisierende Licht in seinen Augen war erloschen. Er sah plötzlich zehn Jahre älter aus.

      War er vielleicht ein Alkoholiker? Oder gar ein Mensch, der Kokain schnupfte? Der Inspektor hatte mit allen Gattungen der Menschheit zu tun gehabt und nicht selten mit Leuten, die Kokain schnupften oder Marihuana rauchten. Die sahen ganz ähnlich aus, dann nämlich, wenn die Wirkung des Rauschgiftes aus ihren Adern geflüchtet war.

      Lubber rutschte plötzlich an der Schreibtischkante entlang – landete aber mit ungeheurem Geschick und mit nachtwandlerischer Sicherheit auf einem dreibeinigen Holzschemel, schlug die Beine übereinander, warf den Kopf ins Genick und faltete die Hände über dem linken Knie.

      »Ja, das muß überlegt werden«, sagte er auf einmal wieder sehr aktiv werdend, »alles ist eine Sache des Preises, das wissen Sie selbst, Mister – wie war doch Ihr Name?«

      »Eliot.«

      »Eliot – Eliot? Ein interessanter Name.«

      »Finden Sie?«

      »O ja, ich kannte mal einen Mann, der hieß Eliot, mit Vornamen, sein Nachname war Turpin. Sein Vater war ein hervorragender Expressionist. Aber diese Dinge werden Sie vielleicht nicht sehr interessieren. Ich könnte mir vorstellen – vielleicht aber sollten Sie selbst mal einen Vorschlag machen.«

      »Ich denke, ich werde Ihnen schreiben, Mr. Lubber«, wich der Inspektor aus, der sich vorgenommen hatte, auf eine Untersuchung des Briefumschlages zu verzichten. Er konnte das Haus bewachen lassen, das war einfacher und weniger anstrengend, als sich mit diesem Chamäleon noch länger zu unterhalten. Niemals zuvor hatte er einen Mann gesehen, der sein Äußeres, sein Gesicht und sein Gehabe in einer derart raschen Folge zu wechseln verstand.

      Kaum hatte der Inspektor diesen Gedanken zu Ende gebracht, als Lubber auch schon aufstand und in gebückter Haltung auf der anderen Seite um den Schreibtisch herumging, um hinter dem Papierkorb stehenzubleiben.

      »Ich könnte mir vorstellen, daß Sie etwas Besonderes hier gesucht haben.«

      Der Inspektor hätte gern geschluckt vor Schreck. Aber getreu der tausendfach eingepaukten Regeln der harten Berufsschule des FBI-Agenten, tat er zunächst gar nichts. Drei Sekunden lang, dann schüttelte er langsam den Kopf.

      »Ich weiß nicht, wie Sie das meinen, Mr. Lubber«, sagte er mit einem freundlichen Lächeln, das ihm jetzt wirklich nicht aus der Seele kam.

      Der Körper des seltsamen Malers war nach vorn gebeugt und schien in äußerster Anspannung zu sein. Das Gesicht war auf einmal glatt, und die gelbliche großporige Haut hatte sich über den Knochen wie ein Trommelfell gespannt. In den grauen Augen irrlichterte es wieder.

      Sekunden verrannen.

      Eliot Ness hätte jetzt eine Menge dafür gegeben, wenn er sich den Weg zu diesem verdrehten Menschen erspart hätte.

      Aber das Kuvert! Zu gern hätte er es einer näheren Prüfung unterzogen.

      Mit der Dreistigkeit – die im übrigen bei der Aufzählung seiner Eigenschaften keineswegs vergessen werden darf – sagte er plötzlich:

      »Sie boten mir vorhin einen Drink an, Mr. Lubber. Ich lehnte ihn ab; das war eine Dummheit von mir. Ich glaube, jetzt würde ich mich freuen, wenn Sie mir einen Schluck Mineralwasser geben würden.«

      Er hatte absichtlich keinen Alkohol verlangt, denn die Bar war hier neben dem Kamin in einem abgeschabten fahrbaren Teetisch untergebracht.

      Die Anspannung, die den Körper des Malers erfaßt hatte, schwand augenblicklich. Er richtete sich auf, nickte so schnell und oft, daß der Inspektor fürchtete, der Kopf könnte ihm aus dem verwaschenen blauen Hemd herausfallen. Dann lief er mit gekünstelten, tänzerischen Schritten zur Tür und rief über die Schulter:

      »Ich bin gleich zurück!«

      Kaum war er weg, da bückte sich Eliot Ness und zog den Umschlag an sich. Im nächsten Augenblick steckte er in seiner Manteltasche.

      Nicht eine halbe Sekunde später öffnete sich hinter ihm eine Tapetentür, die er bis dahin gar nicht bemerkt hatte. Lubber stand in ihrem Rahmen. In der Linken hielt er ein Glas und eine Flasche mit Mineralwasser.

      Da hob der Inspektor die Hand und lächelte freundlich zurück.

      »Wissen Sie was, ich mache zur Zeit eine Kur. Und ich sollte durchhalten. Weder Alkohol noch sonst irgendein Getränk bis nachmittags um vier. Der Mensch muß hart sein. Sie haben ja auch so Ihre Vorsätze. Nehmen Sie es mir nicht übel, ich will jetzt machen, daß ich zurück in die Stadt komme. Ich habe noch eine Menge