Al Capone Staffel 1 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863775209
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auf ein fünfgeschossiges düsteres Haus, das im Nebel noch schäbiger aussah als sonst.

      »Da oben wohnt sie, im vorletzten Geschoß.«

      »Wie heißt sie mit Nachnamen?«

      »Gates.«

      »Komm mit!«

      Der Inspektor entlohnte den Taxifahrer und ging mit Old Jim auf das Haus zu. Als er sich davon überzeugt hatte, daß unten wirklich ein Schild den Namen Gates trug, meinte er:

      »All right, Sie können verschwinden. Aber wenn ich feststellen muß, daß Sie mich hinters Licht führen wollen, dann lasse ich Sie suchen. Und Sie können sich darauf verlassen, daß es dann keine Milde mehr gibt.«

      Im Nu war der Mann im Nebel verschwunden.

      Ness hatte das Haus betreten und ging die Teppen hinauf.

      Sie wohnte tatsächlich im vierten Stock, die sommersprossige, wohlproportionierte, etwas schlampige Myrna Gates. Mit muffiger Meine blickte sie den Fremden an, der plötzlich vor ihrer Wohnungstür stand, und knurrte:

      »Um was geht es?«

      »Um José.«

      Myrna strich sich eine rote Haarsträhne aus der Stirn und tastete unwillkürlich nach ihrer Kehle.

      »Um José? Ach, du lieber Himmel, es ist doch nicht schon wieder etwas passiert?«

      »Vielleicht doch.«

      »Kommen Sie einen Augenblick herein«, sagte das Mädchen. Als der Inspektor den Korridor, in dem nur eine 15-Watt-Birne brannte, betreten hatte, sagt Myrna Gates mit ablehnender Stimme:

      »Ich will Ihnen etwas sagen: Ich kenne Sie nicht, und ich weiß nicht, was schon wieder passiert ist. Aber ich bin es leid mit José. Sie können ihm das ausrichten. Keinen Cent bekommt er mehr von mir. Ich habe nichts mit alledem zu tun, ich habe ihm über sechshundert Dollar gegeben. Glaubt er vielleicht, daß ich mein Geld im Schlaf verdiene? Ich renne Nacht für Nacht durch diese dreckigen Gassen und muß mich von jedem verlausten Kerl anquasseln lassen. Wenn er sich einbildet, daß das Spaß macht…«

      »Ich komme nicht von ihm«, unterbrach sie der Inspektor, und dann nahm er seine Marke aus der Tasche.

      »Polizei?« stammelte Myrna Gates. Ihre Angst hatte sich jetzt verdoppelt. Sie senkte den Kopf und vermied es, den Inspektor anzusehen.

      »Wo kann ich ihn finden?« forschte der FBI-man.

      »Ich weiß es nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es wirklich nicht, und ich habe nichts mit ihm zu tun.«

      »Da bin ich anderer Ansicht. Eine Frau, die einem Mann sechshundert Dollar gibt…«

      »Mit der Zeit, nicht auf einmal. Glauben Sie vielleicht, ich hätte sechshundert Dollar liegen? Für was halten Sie mich, he?«

      Kein Zweifel, sie war eine Dirne, aber irgendwo schien sie auch ein Mensch zu sein. Mit Tränen in den Augen beteuerte sie:

      »Ich wollte, er wäre da, wo der Pfeffer wächst, dieser Gauner! Nichts als Ärger hat er einem eingebracht, und dann läuft er auch noch mit meiner eigenen Freundin weg.«

      »Haben Sie keine Ahnung, wo die beiden hingegangen sein könnten?«

      »Er ist jetzt nicht mit ihr unterwegs. Aber vor einigen Tagen war er mit ihr aus, ich weiß es genau. Sie kam erst nachts um vier nach Haus, und daß sie bei ihm war, habe ich von Lik.«

      »Und wo könnte er jetzt sein?«

      »Ich weiß es nicht.«

      »Hat er keinen Freund?«

      »Freunde, hm, ich weiß nicht, ob er wirklich Freunde hat. Aber warten Sie, vielleicht weiß sein sogenannter Freund draußen am Renwick Sea etwas. Er ist Künstler. Seinen Namen weiß ich nicht…«

      *

      Der Nebel war vorüber, und der folgende Tag brachte Regen; Regen, der in Kübeln aus blaugrauen Wolken fiel. Gegen elf Uhr hatte er etwas nachgelassen.

      Eliot Ness war hinaus zum Renwick Sea gefahren. Vor einem Zeitungskiosk an einer Bushaltestelle hielt er an, stieg aus seinem zweisitzigen Ford und fragte die grauhaarige, mürrisch dreinblickende Frau hinter den Zeitungsstapeln, wo hier in der Nähe ein Künstler wohnte.

      »Ein Künstler? Ach, da kann doch nur Mr. Curleby gemeint sein. Sie müssen drüben den Weg hinuntergehen, und wo Sie die Bäume sehen, da liegt sein Haus. Es ist nicht ganz leicht zu finden.«

      Der Inspektor ließ den Wagen vorn auf der Hauptstraße zurück und ging den Sandweg hinunter, bis er nach einer Biegung die Baumgruppe vor sich sah. Nur wenige vereinzelte Anwesen lagen hier, und in der Ferne schimmerte der spiegelglatte See.

      Eine schöne, stille Gegend hier draußen, dachte er bei sich. Man sollte sonntags ruhig einmal hier herausfahren.

      Als er auf die Baumgruppe zugekommen war, sah er in einem der Gärten einen Mann, der damit beschäftigt war, Laub zu verbrennen. Der Regen erstickte die Flamme immer wieder, und als der Mann mit etwas Benzin nachhalf, verbreitete das feuchte Laub einen ätzenden Geruch, der bis auf die Straße drang.

      Der Inspektor blieb am Zaun stehen und erkundigte sich nach dem Haus von Mr. Curleby.

      »Curleby?« meinte der Mann ehrerbietig und nahm unwillkürlich den Hut ab. »Ja, da sind Sie richtig, Mister. Schade, schade.«

      Der Inspektor ging weiter. Als er das Anwesen vor sich hatte, fand er das Tor offen. Vorm Haus stand ein dunkler Wagen. Ness hatte den Eingang noch nicht ganz erreicht, als die Tür geöffnet wurde und ein grauhaariger Mann herauskam. Er trug in der Rechten eine schwarze Tasche. Der Inspektor lüftete den Hut und fragte:

      »Wohnt hier Mr. Curleby?«

      Der Mann blieb stehen und schüttelte dann den Kopf:

      »Nein. Allerdings wohnte er hier, bis vor einer Stunde.«

      »Und…?« forschte der FBI-Mann ahnungsvoll.

      Da nahm der andere seinen Hut ab, hob den Kopf etwas an und sagte mit theatralischer Stimme:

      »Mein Freund James Fenimore Curleby ist vor einer Stunde verschieden. Aber im Einundneunzigsten ist es uns allen nicht ganz so unerwartet gekommen…«

      *

      Ness hatte noch einige Umwege am Seeufer hinter sich gebracht, bis ihm eine Frau, die die Platten in ihrem Garten abfegte, erklärte:

      »Vielleicht suchen Sie Mr. Lubber. Er ist Maler. Da drüben wohnt er, gleich schräg gegenüber.«

      Der Inspektor blickte sich um und sah hinter einem verrosteten Zaun über die hohe, blätterlose Hecke ein eingeschossiges Holzhaus, dessen Farbe schon vor Jahren erneuerungsbedürftig gewesen sein mußte. Er bedankte sich bei der Frau, schritt auf das Haus zu und zog an der Klingel der Gartenpforte. Ein kläglicher, mißtönender Laut drang vom Haus herüber.

      Dann war das Kläffen eines Hundes zu hören, der mit wütenden Sätzen auf das Tor zuschoß. Es war ein kleiner Terrier, der sich vor Erregung fast zerreißen wollte. Drüben in der Tür tauchte ein Mann auf. Er war mittelgroß, hatte dunkles Haar, das über der Stirn schon stark gelichtet war, und in seinem Mundwinkel steckte eine Pfeife. Er trug einen verwaschenen roten Pullover und ein offenes blaues Hemd. Die Hände hatte er in den Taschen seiner Blue

      jeans vergraben.

      »Darf ich hereinkommen, Mr. Lubber?« rief ihm der Inspektor zu.

      Der Mann gab zwar keine Antwort, aber Ness öffnete die Gartenpforte, und schon sauste der Terrier wie angestochen zurück auf das Haus zu, um seinem Herrn die Ankunft des Fremden zu melden. Das wilde Gekläff des Hundes ließ eine Verständigung nicht zu, deshalb deutete der Inspektor auf das Tier und rief:

      »Können Sie den Hund nicht einen Moment wegnehmen?«

      Der Mann blickte ihn unverwandt an, nahm dann aber die Pfeife aus dem Mund und deutete ins Haus.