Al Capone Staffel 1 – Kriminalroman. Al Cann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Al Cann
Издательство: Bookwire
Серия: Al Capone Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863775209
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wandte sich um, lief in den Korridor zurück und fand die Tür zum Hausgang offen. Der Neger stand kopfschüttelnd in seiner eigenen Wohnungstür.

      »Wenn ich das begreife, dann will ich doch auf der Stelle…«

      Der Inspektor hörte nicht mehr, was der Hüne sein wollte, sondern hastete mit weiten Sprüngen die Treppen hinunter. Als er die Kellertür erreicht hatte, war sie wieder verschlossen.

      Er riß daran, und als sie nicht nachgeben wollte, warf er sich mit aller Gewalt dagegen. Sie sprang auf. Ein Glück, daß er den Keller schon kannte, sonst wäre er vielleicht hier an der geländerlosen steilen Treppe gestürzt. Er fand die Hoftür und auch den Schlüssel, der in ihr steckte. In dem Augenblick, in dem er sie öffnen wollte, sah er die dunkle Gestalt eines Mannes drüben über die Mauer zum Nachbargarten jumpen.

      Ness machte kehrt, sprang die Treppe wieder hinauf in den Hausflur und riß die Tür zur Straße auf. Mit wilden Sätzen spurtete er bis zur nächsten Haustür und preßte sich da in eine Mauernische.

      Aber der Mann, auf den er wartete, kam nicht. Der Bandit, der durch die Wohnung der Familie Gomez geflüchtet war, hatte ein anderes Schlupfloch gefunden.

      Zehn Minuten später war das ganze Gebiet abgeriegelt. Aber der Mordschütze war entkommen.

      Der Inspektor hatte rasch ermittelt, daß der Tote ein Vertreter für elektrische Geräte war und John Henreidt hieß. Er hatte hier im Haus ein Zimmer gehabt, und zwar bei der Familie Gomez.

      Fernando Gomez selbst war nicht mehr da. Auch ihm war die Flucht gelungen.

      Der rundliche Kommissar Cassedy fuhr sich über sein Mondgesicht und schüttelte den Kopf, als er eine Dreiviertelstunde später neben seinem Chef unten an der Ecke der Gasse stand, von wo aus der Inspektor den parkenden Chevrolet und die Männer beobachtet hatte.

      »Der Teufel soll sich das zusammenreimen. Offensichtlich stinkt da in der Alhambra etwas. Aber ob die Sache tatsächlich etwas mit unserem Mann zu tun hat, glaube ich nicht.«

      »Wir können auch nicht das Gegenteil beweisen«, entgegnete der Inspektor und beobachtete die gegenüberliegenden Häusergiebel. Der Grund, der ihn erst zu der italienischen und dann zu der spanischen Schenke geführt hatte, war allerdings fadendünn: Es war das südländische Stilett, das vermutlich in der Faust des Nebelmörders als Schlagwaffe gedient hatte!

      Die Fingerabdrücke auf dem schwarzen Plastikmantel der Polizeiagentin Henderson hatten keinen Erfolg gebracht. Sie waren in zwei Stunden durch sämtliche Apparaturen, die der neuesten Entwicklung entsprachen, gelaufen und hatten kein brauchbares Ergebnis zutage gefördert. Ein Mann mit diesem Fingerabdruck war der Polizei der Vereinigten Staaten bisher unbekannt.

      Der Nebelmörder war also für die Polizei entweder ein bisher unbeschriebenes Blatt, oder er war ein Mann, der immer mit Handschuhen gearbeitet hatte.

      Ness hatte kurz darauf in der Alhambra erfahren, daß es sich bei den beiden Männern, die da vorhin an der Theke gestanden hatten, um José Sillot und Manuel Snyder handelte. Und Sillot war der Mordschütze!

      Um halb zwei trat der FBI-Spezial-agent Eliot Ness, von seiner unheimlichen Nase und sagenhaften Ausdauer geführt, in die Hinterhofbar »Zum goldenen Mond« und holte den völlig betrunkenen Fernando Gomez heraus. Der Inspektor hatte die Spur des Hafenarbeiters gefunden – und niemand hatte ihm dabei geholfen.

      Gomez wurde zum Bureau gebracht, wo er jedoch keinerlei Aussagen machen konnte, da er erst ausgenüchtert werden mußte. Das war eine sehr unangenehme Wartefrist, die dem Inspektor gewaltig zu schaffen machte.

      Gegen vier Uhr in dieser schlaflosen Nacht erfuhr er durch einen Anruf, daß der immer noch in Untersuchungshaft sitzende Häftling Joseph Buster kurz nach Mitternacht einen Selbstmordversuch gemacht hatte.

      *

      Der Mann, der in der Hafengasse den Gerätehändler Henreidt niedergeschossen hatte, war der Halbspanier José Sillot; das stand jedenfalls fest. Wo er geblieben war, vermochte Eliot Ness ebenso wenig herauszufinden, wie den Verbleib seines Kumpanen Manuel Snyder und der anderen Chevroletinsassen. Die anderen, die dabeigewesen waren, sollten nach den Angaben des Wirtes die Hancok-Brothers sein – Männer, die wohl einer Familie angehörten, jedoch höchstwahrscheinlich keine Brüder waren. So etwas gab es hier oben in Chicago häufiger, und sicher auch anderwärts in den Staaten. Die Hancoks, die niemand so genau kannte, ließen sich einmal für dies und einmal für jenes Geschäft anheuern. Und es war Geschäft, wenn genug dabei heraussprang.

      Diesmal hatte es offensichtlich dem Gerätehändler Henreidt gegolten. Gegen sieben Uhr am nächsten Morgen brachte Eliot Ness aus dem nur mühsam ausgenüchterten Hafenarbeiter Gomez heraus, daß Sillot es wahrscheinlich auf Henreidts Geld abgesehen hatte.

      Der Inspektor war sehr erstaunt, zu erfahren, daß Henreidt Geld gehabt haben sollte, mußte sich dann aber davon überzeugen lassen, daß der Gerätevertreter in den letzten sechzehn Jahren tatsächlich so viel zusammengespart hatte, daß er sich gut und gern davon ein schönes Haus und vor allem einen bequemen Lebensabend hätte leisten können. Was den Halbspanier Sillot allerdings veranlaßt hatte, auf Henreidt zu schießen, vermochte Ness nicht zu ergründen.

      War es nur ein Seitenweg, auf den ihn da Sillot, Snyder und die Hancok-Brothers geführt hatten? War er da nur an ein neues Verbrechen geraten? Oder sollte tatsächlich in der Alhambra-Bar ein Staubkorn des Nebelmörders gesteckt haben…

      *

      Die Tage schleppten sich dahin, ohne daß irgendein Lichtblick für den FBI-man zu erspähen gewesen wäre. Obgleich Snyder und Sillot sowie auch die Hancok-Brothers vom gesamten Polizeiapparat der Riesenstadt gesucht wurden, war bis jetzt jede Spur von ihnen wie vom Erdboden vertilgt.

      Rufus Matherley hatte wieder seine große Stunde.

      »Ness tappt im dunklen herum!«

      Und eine andere Zeitschrift meinte, ob er vielleicht das Ungeheuer von Loch Ness suche. Ein etwas geschmackloser Vergleich, der auf das vorweltliche Ungetüm anspielte, das in einem der schottischen Seen vor vielen Jahren gesichtet worden sein sollte und eine Zeitlang durch die Weltpresse geisterte.

      Verbissen setzte der Inspektor seine Nachforschungen fort. Der Fall Moreland, der sich allmählich zur Affäre ausgeweitet hatte, war sein erster Fall, und er hatte sich geschworen, nicht daran zu scheitern. Aber es sah mehr und mehr danach aus – und wer ihm in diesem Augenblick etwas von seiner wahren Laufbahn hätte prophezeien wollen, der wäre höchstwahrscheinlich von ihm bitter ausgelacht worden. Nein, es stand sehr schlecht. Buster lag mit einer schweren Vergiftung im Gefängnishospital, seine Frau hatte sich umgebracht, und immer war da noch das Stilett, von dem seine eigene Frau behauptet hatte, es sei sein Eigentum gewesen.

      Aber ein anderer Mann hatte den Überfall auf die Polizeiagentin Henderson durchgeführt – ein Mann, der nur einen verrutschten Fingerabdruck und einen alten schwarzen Stoffhandschuh hinterlassen hatte.

      »Ist es denn nicht ganz klar, daß dieser Mann der Nebelmörder ist?« wollte Cassedy wissen, der jetzt hinter dem Inspektor am Fenster stand und über dessen Schulter auf den dämmrigen Friedhof hinausblickte, über den bereits wieder die ersten Abendnebel zogen.

      Ness schüttelte den Kopf.

      »Es ist absolut nicht selbstverständlich, Cassedy, und klar ist nur, was klar bewiesen werden kann.«

      Es war ein verdammt nüchterner Beruf, dem sie hier nachgingen; ein Job, den man nicht rasch genug wieder an den Nagel zurückhängen konnte, überlegte Pinkas Cassedy. Als er hier vor einiger Zeit begonnen hatte und sich seinen neuen Boß besah, hatte er andere Vorstellungen von der Arbeit in Chicago gehabt. Er war von New York herübergekommen, wo er bereits sechzehn Jahre schwere Arbeit im Dienst des FBI hinter sich gebracht hatte.

      *

      Es war die siebte Nacht, die sich der junge FBI-Inspektor im Washingtonpark um die Ohren schlug.

      Wieder schoben sich schwere Nebelwolken vom Wasser durch die Straßenschluchten auf den Park zu. Sie fanden von der 60. Straße bis hinauf zur 1. Straße