Nicolae: An der Quelle - Band 7. Aurelia L. Porter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Aurelia L. Porter
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Nicolae-Saga
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347053854
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Mann und Frau mit dem Segen der Kirche. Und den Haarring trage ich mit größerem Stolz als jeden Vierzehnkaräter.

      Es war ein so feierlicher Augenblick, als wir anderntags zusammen mit seinem Kollegen und dessen Frau in einer Schlittenkutsche hinaus zum ehemaligen Anwesen seines Vaters fuhren, wo alles für die Hochzeit bereitet war. Frau Ileana hatte mir ihr Hochzeitsgewand zur Verfügung gestellt, Dorin trug dasjenige seines Kollegen Manuel. Und dann wurden wir nach altem Brauch in der kleinen Kapelle getraut. Ileana und Manuel hielten uns die Kerzen, während der Pope uns die Hochzeitskrone auf die Häupter setzte und den Hochzeitssegen über uns sprach. Zu fünft tanzten wir den Reigen um den Altar, zu fünft schmausten wir in einem der hergerichteten Zimmer in Dorins baufälligem Elternhaus, tranken und sangen und waren selig, als wir spät in der Nacht zurück in unsere dürftige Herberge fuhren.

      Dorin, ganz stolzer Ehemann, trug mich auf Händen, trotz der schweren Last, die ich ihm mit Krümelchen in mir bot. Und in jener Nacht, unserer Hochzeitsnacht, liebten wir uns so zärtlich, als wäre es das erste Mal. Sehr behutsam und raffiniert ging Dorin mit mir zu Werke, sodass ich mehr als einmal vor Wonne in seinen Armen zerging. Ich weinte vor Glück, weil Dorin mir in unserer schier ausweglosen Lage den glücklichsten Tag meines Lebens beschert hatte. Was war dagegen ein lumpiger Kragen mit Binder? Selbst wenn er von meinem ersten selbst verdienten Geld gekauft war, von dem Dorin nichts wissen durfte, denn es hätte ihn zu sehr beschämt.

      Die entrüsteten Blicke der alten Vettel, die sie uns am nächsten Morgen im Treppenhaus zuwarf, ignorierten wir ebenso, wie wir des Nachts das wiederholte Klopfen an die Zimmerwand ignoriert hatten. Trotzdem hörte ich sie grunzen, dass wir uns was schämen sollten. Wofür, frage ich mich.

      18. Januar 1893

      Liebe Zoe,

      jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis Krümelchen aus mir raus will. Es ist lebhaft, vor allem in den Abendstunden. Dorin vermag kaum zu glauben, dass es so viel Platz in mir gefunden hat und fürchtet sich ein wenig vor der Niederkunft. Ich werde ohne Hebamme entbinden, schließlich habe ich einen Arzt im Haus. Er sei niemals bei Entbindungen dabei gewesen, gibt er zu bedenken. Aber davon will ich nichts hören. Es sei die natürlichste Sache der Welt, versichere ich ihm, bei uns in den Bergen bedürfe es dazu nicht einmal einer Hebamme. Meistens helfe die Großmutter im Haus. Die Baba würde nur gerufen, wenn Komplikationen zu erwarten wären. Manche Bäuerinnen würden ihre Kindchen sogar ganz alleine im Feld oder im Kuhstall gebären, es sich anschließend, eingeschlagen in ein Tuch, um den Körper binden und einfach weiterarbeiten, als wäre nichts geschehen.

      Das läge in der kräftigen Konstitution der Bergbauern begründet, wandte Dorin ein, doch die zarten Palastweibchen …

      Ich versetzte ihm einen tüchtigen Knuff. „Was fällt dir ein? Bin ich etwa ein Palastweibchen?“

      „Bist du es denn nicht, Prinzessin?“ Dabei schaute er mir so liebevoll in die Augen, dass ich ihm nicht böse sein konnte.

      „Nur damit du’s weißt“, flüsterte ich nach einer Weile und senkte den Blick, „während des Krieges gab es eine böse Zeit, da habe auch ich Schafe gemolken und Garn gehaspelt, Böden gefegt und Töpfe geschrubbt …“ Die plötzliche Erinnerung daran, was nun schon so viele Jahre zurückliegt, versetzte meinem Herzen einen dumpfen Schlag, sodass ich augenblicklich verstummte. Ich muss wohl noch blasser geworden sein, als ich es ohnehin schon bin, denn Dorin schaute mir entsetzt in die Augen und las alles darin. Wortlos nahm er mich in die Arme und hielt mich dort lange, ohne mich zu zwingen, das Grauen zu benennen. Dafür liebe ich ihn umso mehr.

      Der kurze Rückblick in die Vergangenheit hatte zur Folge, dass ich meine Schwester schmerzlicher vermisse denn je. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass sie diejenige sein würde, die mich von meinem ersten Kind entbindet. Ich wünsche mir Elenas Beistand so sehnlichst, dass es mich beinahe schmerzt. Und nun ist es unmöglich geworden.

      Wir sind auf uns gestellt. Auf uns ganz allein. Es gibt nur Dorin auf dieser Welt für mich. Er ist meine Gegenwart und Zukunft, mein Ein und Alles. – Es mag abgedroschen klingen, wie das tolle Gezwitscher einer Verliebten, es ist dennoch tief empfunden.

      Wie seine Wolfsaugen leuchten, wenn er des Nachts über mich wacht; wie sehr er meine Empfindungen erspürt und mir umgehend das gibt, was ich brauche. Seine Arme umschlingen mich von hinten und seine Hände liegen warm auf meinem Bauch, während er seine kalte Nase in die Kuhle zwischen Hals und Schulter versenkt. Allein der Gedanke daran lässt mich lächeln und alles ertragen.

      6. Februar 1893

      Liebe Zoe,

      mein Geburtstag naht – und der unseres Kindes. Dorin ist furchtbar nervös. Ich bin es nicht. Ich bin traurig.

      Sobald unser Kind geboren sein wird, werde ich meine Erwerbsquelle verlieren. Dann werde ich weder der Gnädigen vorlesen noch Herrn Ludo Modell sitzen können. Dann wird alles wieder wie vorher sein: düster, armselig, hoffnungslos – den ganzen Tag in dieser zugigen heruntergekommenen Absteige mit lauschenden Ohren an den Wänden, der zeternden Vermieterin, den scheelen Blicken der Nachbarn … und nicht zu wissen, wann das Elend endlich ein Ende hat. In diese erbärmliche Welt werde ich unser Kind gebären.

      Dorin hat vor einer Woche sein erstes Gehalt bekommen. Es war lausig wenig dafür, dass er den ganzen Tag im kalten Keller steht und Leichen herrichtet. Immerhin reicht es für die Miete und ein ganz klein wenig obendrauf. Aber dass wir aus diesem Loch bald herauskommen, daran ist vorerst nicht zu denken. Unser Kind wird in einer ihm unwürdigen Umgebung aufwachsen. Das sei er auch, sagt Dorin, und habe es überlebt. – Ja, nur wie!

      Ich merke, dass ich nicht mehr dieselbe Geduld aufbringe wie noch vor Monaten. Dorin scheint die Preise auf den hiesigen Märkten nicht zu kennen, denn er wundert sich nicht einmal über das, was ich die letzten Tage auf den Tisch gebracht habe. Er glaubt, wir könnten alles von seinem Lohn bestreiten, und ich bringe es nicht übers Herz, ihm die Wahrheit zu sagen. Iaşi ist ein teures Pflaster. Den überwiegenden Anteil für Essen und Feuerholz bestreiten wir von meinem jüngst verdienten Geld, das ich mir gut einteile, damit es nicht auffällt. Doch wie soll ich, sobald meine Quelle versiegt und das Ersparte aufgebraucht ist, Dorin erklären, dass sein Verdienst zum Leben nicht reicht?

      Vor lauter Dankbarkeit über das geheim gehaltene Arrangement zwischen Herrn Ludo und mir habe ich Maria ein Geschenk gemacht, denn ohne ihre Protektion wären wir verloren. Es waren Strümpfe aus

      Merinowolle und eine Schachtel Pralinen. Erst hat sie mich ausgeschimpft, dann ist sie mir um den Hals gefallen. Ob bei mir der Wohlstand ausgebrochen sei? Sie ahnt ja nicht, wie viel Herr Ludo mir fürs Sitzen zahlt. Es war abermals ein unerhörter Batzen Geld, den er mir neulich in die Hand drückte. Er wird für viele Wochen Nahrung reichen und vielleicht noch für die Ausstattung unseres Krümelchens.

      Maria, meine Wohltäterin, ist mir inzwischen zur Freundin geworden. Jedes Mal versorgt sie mich hinterher in der Küche heimlich mit Essen; mal mit Suppe und Brot, mal mit Bratenresten, manchmal sogar mit Kuchen. Einiges esse ich vor Ort, aber das meiste nehme ich mit nach Hause, damit auch mein Dorin etwas davon hat. Ich behaupte stets, es günstig erstanden zu haben.

      Maria ist neugierig, was die Fotografien anbelangt, und will genau wissen, wie ich für Herrn Ludo posiere. Ich mache es ihr vor, damit sie nicht auf falsche Gedanken kommt, und wir amüsieren uns darüber königlich. Was ich ihr natürlich nicht gesagt habe, ist, dass Herr Ludo mich naturalistisch ablichtet. Ja, Zoe, es ist das, was Du Dir darunter vorstellst. Ich bin dabei so gut wie nackt, nur mit einem leichten, diagonal drapierten Tuch versehen, das mehr enthüllt als bedeckt. Es hat mich einige Überwindung gekostet, so zu posieren, aber als ich es dann tat, hatte es überhaupt nichts Anrüchiges an sich. Im Gegenteil, es macht mir Freude, meinen Leib auf so natürliche Weise zu präsentieren. Herr Ludo setzt mich dabei jedes Mal in ein vorteilhaftes Licht. Die Bilder sind also äußerst ästhetisch, und er bleibt stets korrekt, stets professionell. Nicht ein einziges Mal hat er eine unangenehme Situation entstehen lassen.

      Warum ich getan habe, wofür mich alle Welt verachten würde?

      Erstens weil ich schon damals in England das Bedürfnis hatte, meinen Körper Künstlern zur Verfügung zu stellen. Und zweitens