Ausgangspunkt des paradigmatischen Modells des Entstehens erlernter Hilflosigkeit ist das Eintreten eines belastenden Lebensereignisses. Etwas Unverhofftes, Nichtgeplantes, Unkalkuliertes tritt bedrohlich in den Lebensplan von Menschen – die Organisation alltäglicher Lebensvollzüge zerbricht, die Kontinuität des Erlebens und Handelns wird unterbrochen. Belastende Lebensereignisse markieren einen Einschnitt, eine Lebenszäsur, einen Wendepunkt im individuellen Lebenslauf. Sie produzieren eine emotionale Betroffenheit (Niedergeschlagenheit; Ängstlichkeit; Selbstzweifel) und eröffnen eine biographische Phase des relativen Ungleichgewichtes, in der es notwendig wird, Lebenszuschnitte neu zu organisieren und ein in Unordnung geratenes Person-Umwelt-Gefüge in eine neue Ordnung zu bringen. Menschen sind diesen Lebensbelastungen nun nicht passiv-hilflos ausgesetzt – sie verfügen vielmehr über ein spezifisches (lebensgeschichtlich gewachsenes) Repertoire von Strategien der Bearbeitung und der Bewältigung (Coping-Strategien). Treten belastende Lebensereignisse in die Biographie von Menschen, so sind diese Ereignisse die Auslöser spezifischer Versuche der (kognitiven, emotionalen und handelnden) Bewältigung, die darauf gerichtet sind, die negativen Folgen erfahrener Bedrohungen, Belastungen und Einschränkungen zu mindern und Lebensungleichgewichte neu auszubalancieren.
Die Theorie der erlernten Hilflosigkeit setzt nun dort ein, wo diese Bewältigungsversuche ins Leere laufen, fehlschlagen, immer wieder abbrechen und ein personales Bewältigungsmanagement nicht gelingt. An diesen Orten entstehen Erfahrungen der Unkontrollierbarkeit eines Ereignisses. Mit diesem Begriff der Unkontrollierbarkeit gewinnen wir das Herzstück der Theorie der erlernten Hilflosigkeit. Unkontrollierbar ist ein Lebensereignis nach Seligman dann, wenn zielgerichtet-intentionale Handlungen die Auftretenswahrscheinlichkeit dieses Ereignisses nicht beeinflussen. Was auch immer eine Person tut oder tun könnte, unterläßt oder unterlassen könnte, es bleibt ohne Wirkung. Gelangt die Person am Ende immer wieder fehlschlagender Versuche der Bewältigung zu der Überzeugung, daß sie durch keine der ihr zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten einen positiven Einfluß auf die Umwelt nehmen und angestrebte Ziele erreichen kann, so lernt sie, daß sie hilflos ist. Diese Hilflosigkeitserfahrung bestimmt nicht nur das Hier und Jetzt, sondern wirkt auch in die Zukunft hinein. Mit dem Fortdauern von Unkontrollierbarkeitserfahrungen kommt es zu einer Generalisierung von Hilflosigkeitserwartungen. Eine Person, die in einer Lebenssituation Unkontrollierbarkeit erlebt hat, läuft – so Seligman – ein erhöhtes Risiko, ihre Hilflosigkeitserfahrung zukünftig auch auf andere Lebensbereiche zu übertragen. Anforderungen und Aufgabenstellungen, welche zuvor erfolgreich bewältigt wurden, können nach Hilflosigkeitserfahrungen als unüberwindbare Lebensschranken erlebt werden. Verbleibende Möglichkeiten, Kontrolle auszuüben, werden nicht wahrgenommen und bleiben ungenutzt. Strategien der aktiven Gegenwehr und der Suche nach Lebenskontrolle vermindern sich Schritt für Schritt und münden in eine Haltung durchgreifender Passivität. Die Person gerät so in ein immer schneller sich drehendes Karussell der »Entsozialisierung« von Kompetenzen, Motivationen und Selbstregulierungsfähigkeiten, das auf der Ebene der Emotionalität von einer Begleitmusik der Niedergeschlagenheit, Resignation und Depressivität begleitet wird.
Diese erste (nach einem einfachen Reiz-Reaktions-Modell gestrickte) Fassung der Theorie erlernter Hilflosigkeit erwies schon bald ihr empirisches Ungenügen. Die Gleichung »Erfahrung von Unkontrollierbarkeit« = »Verlust von Handlungsfähigkeit« = »erlernte und generalisierte Hilflosigkeit« erwies sich als zu einfach, um komplexe Wirklichkeiten jenseits des psychologischen Labors einzufangen. Vielfältige empirische Befunde verweigerten sich diesem theoretischen Modell: So können z. B. Erfahrungen der Nichtkontrolle – entgegen den Modellannahmen – vermehrte, aktive und vielfach auch produktive Kontrollbemühungen auslösen. Und umgekehrt: Das Modell kann nicht erklären, warum in vielen Fällen die Hilflosigkeitserfahrungen mit signifikanten Verlusten von Selbstwertgefühl verbunden waren (denn: Warum sollte man sich für ein Ereignis verantwortlich fühlen, das weder in der eigenen Macht noch Kontrolle steht?). Widerständige Befunde und blinde Erklärungsflecken wie diese führten zu Revisionen und Neuformulierungen der Theorie erlernter Hilflosigkeit. Der gemeinsame Nenner dieser neuen Erklärungsangebote: die Integration attributionstheoretischer Konzepte in die Hilflosigkeitstheorie. Die wohl folgenreichste Neukonzipierung der Theorie formulierten Seligman und Mitarbeiter in der Neuauflage ihres Buches von 1978 (vgl. Meyer 2000, S. 70ff.). In ihr führen die Autoren eine neue, zusätzliche Variable ein, die zwischen der Erfahrung von Nichtkontrolle und der erlernten Hilflosigkeit moderiert: die Attributionen (Prozesse der subjektiven Interpretation, Bewertung und Erklärung der Nichtkontrolle), in denen die Person eine Antwort auf die Frage nach den Ursachen der Nichtkontrolle gibt. Attribution richtet den Blick auf den »inneren Dialog« einer Person, auf ihr Bemühen, sich (und anderen) Erklärungen für die Nichtkontrolle zu liefern. Wir alle teilen diese Alltagserfahrung: Menschen, in deren Leben ein unerwünschtes Ereignis tritt, gehen auf die Suche nach Sinn. Sie stellen die Fragen nach dem »Warum?« und dem »Warum gerade ich?«. Die Frage nach dem Warum zielt zunächst auf Konsensus-Information ab: Die Person fragt sich im interindividuellen Vergleich, warum ausgerechnet ihr und nicht jemand anderem das kritische Ereignis passiert ist. Zugleich transportiert diese Frage Unglauben ob des Geschehenen, Wut, Gegenwehr. Die Antwort, die die Person (sich selbst und anderen) gibt, ist eine Art Schlüssel-Attribution, die dem weiteren Bewältigungsprozeß den Kurs vorgibt. Attribution bezieht sich also auf die Sinnkonstruktionen, die Interpretationen und die Ursachenerklärungen, in die Menschen die nichtkontrollierbaren Ereignisse »einpacken«. Diese Sinngebungsmuster, mit deren Hilfe Menschen sich das kausale Zustandekommen von (belastenden und bedrohlichen) Umweltereignissen zu erklären versuchen, ihre Kausalattributionen also, sind in der Reformulierung der Theorie erlernter Hilflosigkeit die entscheidenden Determinanten, von denen abhängt, in welcher Weise Nichtkontrollerfahrungen verarbeitet werden. Kausalattributionen beeinflussen die Einschätzung der Belastung, die Planung von Bewältigungsstrategien wie auch die Bewertung von Bewältigungsversuchen. Sie sind ein Selektionsfilter, an dem sich der Grad der erfahrenen Hilflosigkeit bemißt. Seligman unterscheidet drei analytische Dimensionen von Attributionen, die anhand von Fragebogen-Inventaren (Attribution Style Questionnaire) vermessen werden können (vgl. Seligman 1991, S. 40–51):
(1) Personalisierung von Verantwortlichkeit – personalization: internal versus external
Zunächst unterscheidet Seligman zwischen persönlicher und universeller Hilflosigkeit. Von persönlicher Hilflosigkeit spricht man, wenn ein Individuum glaubt, daß bestimmte Lebensereignisse nur von der eigenen Person nicht – dagegen von allen anderen Personen sehr wohl – kontrolliert werden können. Bei universeller Hilflosigkeit