»Den wollen Sie auch schon gesehen haben?« fragte Heswell und lachte spöttisch.
»Er unterhielt sich sogar mit mir, hielt es dann aber für angebracht, sich schnell zu empfehlen. Wissen Sie, meine Herren, die Erfahrung hat gelehrt, daß die Chefs der Gangsterbanden sich durch besondere Feigheit und Angst auszeichnen. Dieser Boß, von dem ich eben sprach, trieb seine Vorsicht sogar soweit, daß er maskiert auftrat. Er war der irrigen Ansicht, sich dadurch unkenntlich machen zu können, in Wirklichkeit lieferte aber gerade seine Vorsicht hinreichende Anhaltspunkte über seine Person.«
»Was Sie nicht alles entdeckt haben«, meinte Heswell grinsend. »Und warum haben Sie diesen sagenhaften Mann noch nicht überführt und gestellt?«
»Wir streiften eben das Thema Beweise«, führte Butler Parker aus. »Ich würde den Gangsterboß doch nur in die Lage versetzen, sich mit seiner Flucht zu befassen, falls ich seinen wirklichen Namen preisgebe. So weiß er nicht, ob ich mich irre oder nicht. Er muß auf das warten, was ich gegen ihn unternehmen werde. Ein wenig erfreulicher Zustand für diesen Mann, finden Sie nicht auch?«
*
Als Butler Parker wieder in den Ford stieg, war es hell geworden. Die Sonne konnte man zwar noch nicht sehen, doch die Morgenröte färbte den Himmel bereits blutig rot. Es sah ganz so aus, als würde es ein sehr heißer und schwüler Tag werden.
Parker war mit dem Erfolg seines Besuches sehr zufrieden. Er paffte an seiner schwarzen Zigarre und hatte sich sogar den Luxus geleistet, das Autoradio spielen zu lassen. Im übrigen fand er es an der Zeit, daß Mike Rander auftauchte. Wenn das so weiterging wie bisher, dann brauchte er einige Unterstützung. Parker gab sich keinen Illusionen hin. Er wußte sehr wohl, daß er ein Hornissennest aufgescheucht hatte.
Der Ford machte sich daran, die Höhenstraße zu erklettern. Der Motor arbeitete sauber und einwandfrei, bis er plötzlich wie durch Zauberei zu spucken begann und dann seinen Betrieb einstellte. Parker ließ den Wagen ausrollen und kletterte ins Freie. Es konnte seiner Meinung nach nur am Benzin liegen. Er schraubte den Tankverschluß auf und wollte mittels eines Zweiges feststellen, ob der Brennstoff ausgegangen war.
Im gleichen Moment löste sich oben an der Steilwand eine Steinlawine, die mit erschreckender Geschwindigkeit auf die Schotterstraße zudonnerte.
Im ersten Moment war Parker sprachlos darüber, wie prompt der Benzinmangel mit der Steinlawine gekoppelt war. So etwas konnte doch nur ein Zufall sein. Oder hatte man ihm eine spezielle Zuteilung an Benzin im Wagen gelassen, der gerade ausreichte, ihn an diese Stelle zu dirigieren? Aber das war doch kaum möglich.
Dann hielt Parker es allerdings für angebracht, sich erst einmal in Sicherheit zu bringen. Er beging nicht den laienhaften Fehler vor der donnernden Lawine davonrennen zu wollen. Das hätte ihm doch nur den sicheren Tod eingebracht.
Nein, der Butler handelte genau entgegengesetzt.
Er lief erstaunlich schnell auf die Steinlawine zu, als habe er es darauf angelegt, sich überrollen zu lassen. Sein Ziel war eine vorspringende Felsnase, die ihm einigen Schutz bieten sollte.
Er schaffte es gerade noch.
Kaum hatte er sich in den Unterschlupf gezwängt, da donnerten die Steinmassen auch schon über ihn. Die Felsnase erwies sich als ausgezeichnet. Sie hinderte die Steine und das Geröll daran, zum Grab des Butlers zu werden.
Parker hatte seine Zigarre nicht aus dem Mund genommen und wartete ergeben ab, bis alles vorüber war. Einige Nachzügler an Steinen hüpften an ihm vorbei, dann war alles in eine riesige Staubwolke gehüllt. Hüstelnd trat Parker aus der Deckung hervor, orientierte sich und ging zurück zu seinem Ford. Erstaunlicherweise war dem Wagen nichts passiert. Nur eine seitliche Scheibe war von einem abirrenden Stein getroffen und zertrümmert worden.
Ohne sich weiter um den Ford zu kümmern, machte sich Parker auf den Weg nach Wech-Lake. Er mußte immer wieder an die Lawine denken. Es war seiner Schätzung nach ausgeschlossen, daß hier eine Absicht Vorgelegen hatte. Um der Sache aber doch auf den Grund zu gehen, bog der Butler vom Weg ab und kletterte den Steilhang empor.
Da er sich nicht beobachtet fühlte, konnte er sich voll ausgeben. Es grenzte fast an ein Wunder, mit welcher gemsenartigen Geschicklichkeit und Schnelligkeit sich Parker nach oben arbeitete. Als er den Rand des Steilhanges erreicht hatte, atmete er kaum schneller als sonst. Nein, eine Absicht hatte nicht vorgelegen.
Parker hatte die Steinbrocken schnell untersucht. Durch irgendeine Erschütterung hatten sich die Geröllmassen gelöst und auf die Schotterstraße gestürzt. Die Lawine hatte die Straße halb zugeschüttet, aber es existierte noch ein zweiter Fahrweg.
Butler Parker wollte sich gerade wieder an den Abstieg machen, als er weit vor sich eine Bewegung erkannte. Ein Vogel flatterte nervös hoch, kreischte und krächzte protestierend. Er war sicher aufgescheucht worden.
Parkers Interesse war geweckt worden.
Er holte aus dem Covercoat das Teleskopfernrohr, zog es auseinander und suchte die Felsen und Sträucher oberhalb der Schotterstraße ab. Er nickte, als er den Rücken eines Mannes erkannte, der sich am Boden zu schaffen machte. Als sich der Mann aufrichtete, erkannte Parker Joe Prite, den Freund Renners.
Prite hielt ein Gewehr in der Hand und spähte nach unten auf die Schotterstraße. Er wartete sicher auf einen Ford. Parker bedauerte es, daß er seine Magnum nicht verwenden konnte. Er beschloß aber, die Gelegenheit zu nutzen und sich einmal ausführlich mit Joe zu unterhalten.
Ein Indianer hätte Parker gegenüber tolpatschig gewirkt. Der Butler verschmolz förmlich mit dem Untergrund, auf dem er sich bewegte. Er pirschte sich zwar vorsichtig, aber doch erstaunlich schnell an Joe Prite heran, der unruhig aufgestanden war und immer wieder nach unten auf die Straße spähte.
Er war übrigens allein.
Parker hatte sich ihm inzwischen entscheidend genähert. Um alle Überraschungen auszuschalten, hatte er seine Magnum gezogen und entsichert. Joe war mehr als überrascht, als der Gesuchte plötzlich seitlich neben ihm stand. Er war so perplex, daß er glatt vergaß, sein Gewehr hochzureißen. Sein Unterkiefer klappte herunter, und seine gestammelten Worte waren wirklich nicht zu verstehen.
»Ich würde Ihnen den guten Rat geben, die Waffe vorsichtig niederzulegen«, sagte Butler Parker. »Ich hoffe, daß ich Sie nicht in Ihren Dispositionen gestört habe.«
»Wo … wo kommen Sie denn her?«
»Ich würde ein weit interessanteres Thema vorschlagen!« erwiderte Butler Parker. »Wer hat Ihnen den Auftrag gegeben, hier auf mich zu warten?«
»Ich!«
»Mister Prite«, begann Parker in überredendem Ton, »wir wollen einander doch nichts vormachen. Sie haben in der Nacht versucht, mich vor Renners Hütte zu erschießen. Ich konnte Sie genau erkennen. Wann merkten Sie eigentlich, daß ich gar nicht getroffen worden war?«
»Ihre Melone!«
»Richtig, Mister Prite, ich danke Ihnen für diesen Hinweis. Beim nächstenmal werde ich meine Strohmänner ebenfalls mit Melonen ausstatten, aber jetzt zur Sache. Wer hat Sie hierher geschickt?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich habe hier gesessen und wollte Wildtauben schießen.«
»Sie schmeicheln mir, mich alten Mann mit einer Wildtaube zu vergleichen«, erwiderte Parker mit gewinnendem Lächeln. »Wer richtete Ihr Augenmerk also auf mich Wildtaube?«
»Lassen Sie mich in Ruhe!«
»Sie unterschätzen unsere Begegnung«, sagte Parker. »Man sagt mir in einschlägigen Kreisen die Geduld eines sanften Lammes nach, doch es gibt Momente im Leben, in denen ich mich verwandle. Das ist dann der Fall, wenn gewisse Leute, die mir mehrmals nach dem Leben getrachtet haben, meinen Weg kreuzen. Wie jetzt!«
Joe Prite versuchte es mit einem Ausfall.
Er wollte sein Gewehr als Keule benutzen, doch der Kolben zersplitterte wirkungslos an einem Felsen. Parker hatte sich längst zur Seite begeben, um nicht getroffen zu werden. Als Prite